Die Post: Erfolgreicher Verkaufsagent?
Seit dem 1. Oktober 2004 bietet die Post/DHL einen eBay-Auktionsservice an. Vorerst handelt es sich um ein Pilotprojekt, das in 12 Filialen in Berlin-Wilmersdorf und Berlin-Schöneberg gestartet wird und bei positiver Resonanz auf bis zu 50 Filialen in der Bundeshauptstadt ausgedehnt wird. Die teilnehmenden Filialen sind durch besondere Sichthinweise in Türen und Fenstern als "Auktionsservice-Filiale" gekennzeichnet. Zu einer Ausweitung auf das restliche Bundesgebiet äußerte sich DHL nicht.
Die Kunden geben ihre Ware unverpackt bei den teilnehmenden Filialen ab, füllen ein Formular aus und den Rest erledigt die Post. Genauer gesagt der Servicedienstleister SE.LL. So kommt der Kommissionsvertrag auch nicht mit der Post zustande, sondern mit SE.LL, die die Leistung als Verkaufsagent in eigenem Namen auf Rechnung des Kunden bei eBay durchführen. "sell*service" heißt der Benutzername bei eBay, unter dem bereits erste Angebote dieses Services zu finden sind.
SE.LL ist kein Unbekannter in der Branche. Dazu das Unternehmen selber: "Wir sind der führende deutsche Dienstleister für die Vermarktung von Waren über den Auktionsmarktplatz eBay. Zu unseren Kunden zählen 15 der Top 100 Versandhändler. Wir haben insgesamt über all unsere Shops mehr als 35.000 Transaktionen abgewickelt."
SE.LL führt in diesem Sinne alle üblichen Dienstleistungen eines Verkaufsagenten durch. Die Ware wird zentral erfasst, fotografiert, eingestellt und während der gesamten Auktion betreut. Nach erfolgreichem Verkauf packt die SE.LL die Ware ein, überwacht deren Bezahlung und sendet sie nach Erhalt des erzielten Verkaufspreises - natürlich per DHL - an den Empfänger. Der Verkäufer bekommt sein Geld direkt von der Post überwiesen. Sollte die Ware nicht verkauft werden, wird ein zweiter Versuch gestartet. Ist dieser auch nicht erfolgreich, sendet die Post das Eigentum ohne Zusatzkosten an den Anbieter zurück.
Die Kosten belaufen sich für den Verkäufer auf 11,50 Euro Service-Gebühr zuzüglich einer 20-prozentigen Verkaufsprovision und den eBay-Verkaufsgebühren. Die Service-Gebühr ist bereits bei der Abgabe des Artikels zu zahlen und auch bei Nichtverkauf fällig bzw. wenn der Artikel nur für wenige Euros verkauft wird.
Die Post setzt bei Ihren Service auf Ihren Logistikvorteil: den Versand mit DHL. So erhofft sich DHL eine noch stärkere Bindung und Synergieeffekte bei eBay. Schon jetzt ist eBay für das Postunternehmen ein wichtiger Umsatzträger. Inzwischen ist jedes fünfte in einer deutschen Post-Filiale aufgegebene Paket auf ein eBay-Geschäft zurückzuführen. Zuzüglich zu den 30 Millionen Paketen beförderte das Unternehmen im vergangenen Jahr rund 50 Millionen Briefsendungen mit Auktionsware (Quelle: Financial Times Deutschland). Im Mai 2004 hatten eBay und die Deutsche Post einen Kooperationsvertrag geschlossen, der die Deutsche Post World Net zum bevorzugten Versand- und Logistikdienstleister von eBay macht. Schrittweise sollen Leistungen ergänzt werden, die die Abwicklung des Verkaufs über eBay bequemer und transparenter machen.
Ein Rechenbeispiel:
Verkauf eines Artikels für 50 Euro
Verkaufspreis |
50,00 Euro |
Servicepauschale |
11,50 Euro |
Erfolgsprovision 20% |
10,00 Euro |
eBay-Verkaufsprovision |
02,50 Euro |
Auszahlbetrag |
24,00 Euro = 48% |
Kommentar
Das Angebot der Post/DHL/SE.LL liest sich erst einmal sehr ansprechend und professionell. Ob es sich in der Praxis durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Sicherlich wird es jedoch für eine Belebung und Professionalisierung des Verkaufsagentenangebotes und für eine Menge Gesprächsstoff sorgen. Klar ist, dass die eBay-Foren schon jetzt voll von Diskussionen über das Thema sind. So ganz ausgereift scheint mir das Konzept derzeit noch nicht zu sein. Auf einige Problempunkte und Ungereimtheiten möchte ich gerne eingehen:
Problem 1: Servicedienstleister Post
Darüber macht man sich am meisten Gedanken. Wie wird es die Post, bei der es Schalterbeamte gibt, die noch nicht einmal wissen, was eine e-Mail-Adresse ist, schaffen, diese Dienstleistung ohne Probleme anzubieten? Wie wird die Post die logistische Umsetzung bewältigen? Wie sollen Verkäufer beraten werden?
Problem 2: Die hohen Kosten
Servicepauschale + hohe Provision + eBay-Verkaufsgebühr - hier wird ganz ordentlich zugelangt. So lohnt sich der Service also nur für hochpreisige Ware. Doch wer gibt schon gerne seine antike goldene Uhr am Postschalter (für einen Euro) ab, wenn noch andere 20 Kunden in der Schlange zuhören und zusehen. Außerdem kann eine Wertschätzung der Ware vermutlich nicht direkt am Schalter vorgenommen werden, so dass der Kunde schon klare Vorstellungen über den Wert der Ware bei eBay mitbringen muss - oder sich gehörig wundern wird, wenn der Artikel für nur ein paar Euros verkauft wird.
Problem 3: Startpreis 1 Euro
Hochwertige Produkte und eine Standardeinstellgebühr von 1 Euro - das beißt sich gehörig. Wer sich bei eBay auskennt, der kennt das Risiko. Hier sind Enttäuschungen und Ärger vorprogrammiert, da den Kunden nicht wirklich bewusst ist, dass Ihr Artikel dann auch tatsächlich für einen Euro verkauft werden kann. Der Kunde zahlt dann mit seiner Servicegebühr von 11,50 Euro sogar noch drauf. Bei der hohen Erfolgsprovision (20%) ist auch überhaupt nicht einzusehen, dass die Artikel nur für 1 Euro Startpreis eingestellt werden und noch nicht mal ein Galeriebild als Zusatzoption gewählt wird. SE.LL entstehen auf diese Weise nur 0,25 Euro eBay-Einstellgebühren und der Kunde hat den Nachteil. Dazu DHL in seinen Informationen: "Dabei beträgt der Startpreis immer 1,- EUR. Höhere Startpreise erhöhen erfahrungsgemäß die Hemmschwelle bei den Bietern." Ich halte diese Aussage für schlichtweg falsch und vor allem verantwortungslos.
Problem 4: Maße und Gewichte
Es werden nur Artikel in der Größe 60 x 60 x 40 cm angenommen und bis zu 20 kg Gewicht. Kunden nehmen aber gerade gerne die Dienstleistungen von Verkaufsagenten für Produkte in Anspruch, die sie nicht so einfach versenden können, die groß, schwer und unhandlich sind. Hier spielt DHL seinen Vorteil als Logistikdienstleister leider gar nicht aus.
Problem 5: Gewährleistung
Aus den AGB der SE.LL, §4.1 Haftung des Kunden:
"Macht der Käufer Mängelansprüche geltend, kann SE.LL die Wer entweder zurücknehmen oder einem eventuellen Minderungsverlangen nachkommen und den Kaufpreis ganz oder teilweise an den Käufer zurückzahlen, die Ware im Falle der Rücknahme an den Kunden zurücksenden und den an den Käufer zurückzuerstattenden Kaufpreis oder Kaufpreisteil vom Kunden einziehen."
Diese Formulierung klingt recht wischiwaschi. Außerdem geht daraus überhaupt nicht hervor, dass der Kunde ein ganzes Jahr (bei Gebrauchware) Gewährleistung für seinen Artikel geben muss. Stattdessen ist vage formuliert: "Der Kunde weiß, das SE.LL als gewerblicher Anbieter strengeren Haftungsvorschriften unterliegt als der Kunde dies tun würde, wenn er selbst verkaufen würde."
Problem 6: Widerrufsrecht
Interessanterweise gibt SE.LL sowohl seinen Kunden als auch den eBay-Käufern ein Widerrufsrecht von 4 Wochen. Handelt es sich hier um rechtliche Unkenntnis, um einen Servicevorteil für eBay-Käufer oder - was man am ehesten vermuten kann - um einen Zinsvorteil, den man sich verschaffen möchte? Das Geld wird nämlich erst nach 4 Wochen und 5 Tagen Sicherheitsfrist von 5 Werktagen nach Versand des Artikels an den Kunden überwiesen. Völlig ungeklärt ist, wer die Rücksendekosten, bei Inanspruchnahme des Widerrufsrechtes oder Rückgeberechts, zahlt: SE.LL oder der Kunde? In den AGB´s ist darüber keine Aussage getroffen.
Außerdem wird im Fall eines Widerrufs der Artikel erneut eingestellt und (bei Verkauf) die eBay-Verkaufsprovision ebenfalls berechnet. SE.LL kassiert also zweimal. Weiß SE.LL nicht, dass eBay die Kosten bei Widerruf/Rückgabe eines Artikels zurückerstattet oder nutzt SE.LL die Unkenntnis des Kunden um doppelt zu kassieren?
Problem 7: Rechtlich nicht transparent
Der Kunde liest auf der Seite von DHL: " Bitte beachten Sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post Paket/ Express National, für den Auktionsservice der SE.LL-Service GmbH & Co. KG sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der DHL Fulfilment GmbH in der jeweils aktuellen Fassung." Drei AGB für eine Auktion? Wie soll da Otto-Normalverbraucher noch durchblicken?
Und die anderen Verkaufsagenten?
Wenn die Post ihr Konzept tatsächlich erfolgreich installieren sollte, was wird dann aus den derzeit über 11.000 Verkaufsagenten? Wie verträgt es sich, dass eBay zur Zeit das Verkaufsagenten-Programm komplett umstellt, attraktiver macht und deutlich bewirbt? Was kann der kleine Verkaufsagent der übermächtigen Post entgegensetzen? Wird dadurch nicht wieder ein Markt für Schwarzanbieter gefördert?
Links zum Thema
Wer sich noch weiter informieren möchte, der kann dies unter folgenden Links tun:
Bei eBay
eBay-Name für den Auktionsservice der Post/SE.LL: sell*service
Shops von SE.LL:
http://stores.ebay.de/SE-Shopping
http://stores.ebay.de/SELL-Shopping
http://stores.ebay.de/SELLMA-Shopping
http://stores.ebay.de/SE-Collectables
http://stores.ebay.de/Smart-Shopping24
http://stores.ebay.de/SELL-Clothing
http://stores.ebay.de/SELL-DoIt
http://stores.ebay.de/SELL-Office
http://stores.ebay.de/SELL-Franca
eBay-Benutzername: smart-shopping24
Diskussionsforum bei eBay
Bei der Post/DHL
Informationen und AGB´s zum Download als PDF
Monika Zehmisch
13.10.2004
Vorherige Meldung
|