Post als Verkaufsagent - ein Erfolg?
Knapp 3 Monate nach dem Start des eBay-Auktionsservices der Post, ist es an der Zeit Bilanz zu ziehen.
Wir erinnern uns: am 1. Oktober 2004 startete die Post/DHL mit einem Pilotprojekt in Berlin. 26 ausgewählte Postfilialen sind Annahmestelle für die eBay-Produkte. Von dort aus wird die Auktionsware weitergeleitet und von der Firma SE.LL entsprechend bei eBay eingestellt. SE.LL ist Vertragspartner und Verkäufer bei eBay (eBay-Account sell*service), der Versand wird dann mit DHL abgewickelt.
Wir hatten damals unter anderem kritisiert:
- mangelnder Service
- Startpreis immer 1 Euro
- hohe Kosten
Insgesamt hat sell*service bis heute 423 Auktionen durchgeführt Bei eBay hat SE.LL (Stand 30.12.04) mittlerweile 230 Bewertungen. Schauen wir uns diese Auktionen einmal näher an:
29 Auktionen liefen ohne Gebote aus.
50 Auktionen liefen für 1 Euro aus.
78 Auktionen liefen zum Preis von 1,50 - 10 Euro aus
71 Auktionen liefen zum Preis von > 10 - 20 Euro aus
99 Auktionen liefen zum Preis von > 20 - 50 Euro aus
62 Auktionen liefen zum Preis von > 50 - 100 Euro aus
34 Auktionen liefen zum Preis von > 100 Euro aus
= 423 Auktionen
Der Gesamtumsatz vom 11.10.-30.12.04 beträgt 18.061,96 Euro. Der durchschnittliche Verkaufspreis beträgt 45,84 Euro. Allerdings muss man berücksichtigen, dass 1 Artikel zum Preis von 2.325,51 Euro verkauft wurde. Ohne diesen Ausnahmeartikel liegt der durchschnittliche Verkaufspreis niedriger.
Diese Zahlen wurden aus SellersBestFriends entnommen, für den Zeitraum 11.10.-30.12.04 = ca. 7 Wochen.
Teilt man den Umsatz durch die 26 teilnehmenden Postfilialen, so kommt man auf einen durchschnittlichen Umsatz pro Postfiliale in Höhe von 696,69 Euro. Geteilt durch 7 Wochen sind dies 99,24 Euro pro Woche pro Postfiliale.
Berechnet auf die Menge der Produkte, bedeutet dies: 423 Artikel geteilt durch 26 Postfilialen sind 16,269 Produkte pro Postfiliale. Geteilt durch 7 Wochen = 2,32 Produkte pro Filiale pro Woche.
Bei solch geringen Zahlen fällt es schwer, von einem Erfolg des Postprojektes zu sprechen.
Betrachtet man die Verkäuferseite, so ist das Ergebnis geradezu erschreckend.
50 Auktionen liefen zu einem Preis von 1 Euro aus. Für den Verkäufer sind jedoch folgende Kosten entstanden: Servicepauschale: 11,50 Euro + Erfolgprovision 20% = 0,20 Euro + eBay-Verkaufsprovision 0,05 Euro = 11,75 Euro Gebühr abzüglich Verkaufserlös 1 Euro = 10,75 Euro Verlust. 50 Verkäufer zahlten also drauf, weil ihr Artikel für nur 1 Euro verkauft wurde. Bei einem besser gewählten Startpreis wäre manche Enttäuschung vermeidbar gewesen. Allerdings: schaut man sich die Artikel an, die für einen Euro weggegangen sind, stellt man leicht fest: ein "richtiger" Verkaufsagent hätte seine Kunden beraten und einige von diesen Artikeln gar nicht erst angenommen. Dem Verkäufer wäre es erspart geblieben auch noch draufzahlen zu müssen.
In der Kategorie bis 10 Euro sieht es auch nicht viel besser aus. Immerhin 78 Verkäufer sind davon betroffen. Für einen 10 Euro-Artikel kann man folgende Rechnung aufstellen: Servicepauschale: 11,50 Euro + Erfolgprovision 20% = 2,00 Euro + eBay-Verkaufsprovision 0,50 Euro = 14 Euro Gebühr abzüglich Verkaufserlös 10 Euro = 4 Euro Verlust.
Erst ab ca. 16 Euro Verkaufspreis kommt der Verkäufer in die "Gewinnzone". Von den 423 Auktionen liegen nur 218 Auktionen in diesem Bereich (=51,55%). Das bedeute: bei knapp der Hälfte der Auktionen, mussten die Verkäufer draufzahlen. Bei solch einem Ergebnis braucht man sich nicht zu wundern, wenn das Vertrauen in eBay und in Verkaufsagenten verloren geht. Dabei ist es ja gar nicht die Schuld von eBay sondern es ist vielmehr eine Frage des Konzeptes, Ein System ohne Beratung und mit 1-Euro-Startpreisen funktioniert einfach nicht. Hochgradige Unzufriedenheit der Verkäufer ist vorprogrammiert.
Über die nicht verkauften Artikel kann keine Aussage gemacht werden. Bei einigen Artikeln ist festzustellen, dass sie wiederholt eingestellt wurden. Möglicherweise werden ja auch die aktuell nicht verkauften Artikel noch einmal eingestellt und dann erfolgreich verkauft. Wie SE.LL allerdings nach dem zweiten Verkaufsversuch verfährt, ist nicht bekannt.
Positiv anzumerken ist die Abwicklung und der Service von SE.LL. Als Profi hat das Unternehmen den Bogen raus. Mit 100 % positiven Bewertungen und überaus freundlichen Bewertungs-Kommentaren, einer professionellen Produktbeschreibung, ausführlicher Belehrungen und Hinweisen zur Kaufabwicklung, dem PowerSellerLogo, etc. macht die Präsentation einen ansprechenden und seriösen Eindruck. Allerdings merkt man, dass die Beschreibungen in der Regel kurz und knapp gehalten sind und "wie vom Fließband" wirken.
Mein Tipp: wer seine Ware nicht selber bei eBay verkaufen möchte, sollte zu einem professionellen Verkaufsagenten gehen. Dort wird er idealerweise vernünftig beraten und geht nicht das Risiko des Totalverlustes ein.
Monika Zehmisch
10.01.2005
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