Drei, zwei, eins – krank?
Medikamentenkauf bei Internetauktionen mit Risiken und Nebenwirkungen
Wer in virtuellen Auktionshäusern ein Arzneimittelschnäppchen machen will, ist von gesundheitsgefährdenden Dosierungen und unkalkulierbaren Nebenwirkungen nur einen Mausklick entfernt. Denn obwohl Privatpersonen der Verkauf von Medikamenten grundsätzlich verboten ist, wechseln etwa Antibabypillen die Besitzerin, weil die verhütende Wirkung der Sicherheitssysteme der Online-Marktplätze versagt. Aber auch bei Auktionsangeboten von Apotheken sind alarmierende Befunde zu diagnostizieren: Fehlende Beschränkungen und Kontrolle bei der Bestellung, Rabatte und Zugaben bei Abnahme großer Mengen – und beim Ersteigern nicht verschreibungspflichtiger Schlaf- und Schmerzmittel ist Spielfieber als vermeintliches Risiko injiziert. Diese Ergebnisse hat jetzt eine Stichprobe der Verbraucherzentrale NRW bei vier Internet-Plattformen zutage gebracht. Die Verbraucherschützer fordern daher, dass Medikamente grundsätzlich nicht bei einer Versteigerung unter den Hammer kommen dürfen. Außerdem müssten ebay & Co. lückenlos sicherstellen, dass niemand außer Apothekern überhaupt Medikamente in den Handel bringen kann.
In Online-Auktionshäusern boomt das Medikamentenangebot: So sind beim Marktführer ebay vom Schmerz- übers Schlaf- bis zum Grippemittel via Suchmaschine über 1.000 Präparate zu finden. Rund 130 Apotheken locken von Schlaflosigkeit oder Kopfschmerz Geplagte zu erwerben, was im Rahmen der Selbstmedikation Linderung oder Heilung verspricht. „Mengenbeschränkungen gibt’s beim Online-Medikamentenkauf offenbar nicht“, moniert die Verbraucherzentrale NRW, „das Ordern von 15 Packungen à 20 Schlaftabletten hat ohne Probleme mit einem Mausklick funktioniert“, berichtet Wolfgang Schuldzinski, Leiter des neuen Projekts „Markttransparenz im Gesundheitswesen“ bei der Verbraucherzentrale NRW, vom jüngsten Einkaufstest.
„Gleichwohl die Empfehlung unabhängiger Experten lautet, nur ein bis zwei Tabletten vor dem Schlafengehen und diese auch nicht länger als einige Tage einzunehmen, wurde die Bestellung von 300 Stück ohne Einwände akzeptiert“, fordert der Gesundheitsexperte einheitliche Maßstäbe und Beratungsstandards beim stationären wie beim Onlinekauf ein. „Wenn jemand in einer Apotheke auf einen Schlag 15 Packungen Schlaftabletten kauft, muss jeder Apotheker hellhörig werden. Im World Wide Web als neuem Absatzmarkt macht sich hingegen scheinbar Goldgräbermentalität für einen Medikamentenabsatz um jeden Preis breit, weil die ungenügenden Bestellmodalitäten es erleichtern, sich dieser Verantwortung zu entziehen“, so Schuldzinski, der auf Einhaltung und Kontrolle der gesetzlichen Bestimmungen auch beim Onlineverkauf von Medikamenten pocht.
Darüber hinaus kritisiert die Verbraucherzentrale NRW, dass beim Medikamentenkauf via Internet – wie im Test festgestellt – bei größeren Bestellmengen Rabatte gewährt oder Versandkosten erlassen werden oder auch ein gängiges Schmerzmittel als Zugabe lockt.
Weitere Befürchtung: Apotheken, die über Auktionshäuser nicht verschreibungspflichtige Medikamente versteigern, fördern die Haltung, den Erwerb von Medikamenten als Spiel zu betreiben. „Kein Apotheker kann dafür stehen, dass Verbraucher durch den Reiz des Mitbietens und das Fiebern um den Zuschlag zum Kauf von Arzneimitteln verleitet werden“, diagnostiziert der Leiter des Gesundheitsprojekts bei der Verbraucherzentrale NRW und fordert, dass Medikamente nicht mehr unter den virtuellen Hammer kommen dürfen.
Außerdem fand die Verbraucherzentrale NRW bei ihrer Stichprobe, dass – entgegen der gesetzlichen Vorgaben – auch Privatpersonen bei ebay, atrada und hood verschreibungspflichtige Medikamente feilboten: So gab es im Untersuchungszeitraum zwischen dem 28. April und dem 19. Mai 2005 18-mal eine Antibabypille in privaten Offerten, die wegen Unverträglichkeit oder Sterilisation – in teilweise angebrochenen Packungen – ab einem Euro zum Gebot stand. Während die Sicherheitssysteme wenigstens bei ebay meist nach ein bis zwei Tagen dem erwartungsvollen Zuschlag zuvorkamen und das Angebot verschwand, versagte dessen verhütende Wirkung bei ebay beim Sofortkauf. „Das zeigt, dass es Sicherheitslücken gibt“, fordert Wolfgang Schuldzinski von den Betreibern der Auktionshäuser im Internet, solche Angebote künftig konsequent abzuschalten.
Im Rahmen des neuen Projekts „Markttransparenz im Gesundheitswesen“ – finanziell gefördert durch das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft – arbeitet die Verbraucherzentrale NRW gemeinsam mit den Verbraucherzentralen in Rheinland-Pfalz und Sachsen daran, mehr Transparenz im Dschungel der undurchsichtigen Angebote auf dem Gesundheitsmarkt zu schaffen.
Ein Verbraucherinfo zu „Patiententipps für den Kauf von Medikamenten“ gibt’s für Selbstabholer kostenlos in allen Beratungsstellen der Verbraucherzentrale NRW oder im Internet unter www.verbraucherzentrale-nrw.de.
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