Laufen künftig alle Zahlungen über eBay?
Vorgestern hatte ich spekuliert, dass eBay künftig für gewerbliche Anbieter PayPal als Zahlungsweg verbindlich vorschreiben könnte. Nun gehe ich eher davon aus, dass eBay ohne diesen Umweg alle Käuferzahlungen über sich selbst laufen lassen möchte.
In einer Umfrage eBays an ausgewählte Mitglieder wird folgendes Szenario geschildert, alle nachfolgenden Fragen bezogen sich dann darauf:
"Stellen Sie sich vor, dass alle Zahlungen (außer Barzahlung bei Abholung) zwischen Käufer und Verkäufer über die Plattform eBay abgewickelt werden würden. Der Käufer könnte zwischen den Zahlungsmethoden Bankeinzug, Kreditkarte oder PayPal sowie einer Überweisung an eBay wählen. Der Verkäufer erhielte den Zahlungsbetrag dann grundsätzlich von eBay und nicht mehr vom Käufer. Für die Zahlungseingänge müsste der Verkäufer deshalb seine Bankdaten hinterlegen. Auf diese Weise würden sowohl 100% Käuferschutz für den Käufer als auch 100% Zahlungssicherheit gegenüber dem Verkäufer gewährleistet. Käufer und Verkäufer könnten sich im Konfliktfall direkt an eBay wenden. Diese neue Zahlungsabwicklung würde alle bisherigen direkten Zahlungen (außer Barzahlung bei Abholung) vom Käufer an den Verkäufer ersetzen."
So ähnlich läuft es heute bei Amazon: Die Käufer zahlen an Amazon und Amazon leitet dann die Gelder abzüglich der eigenen Provision an die Händler weiter.
Das hätte für eBay viele Vorteile:
- eBay würde nie mehr Zahlungsausfälle bei den eigenen Gebühren haben: Die Angebotsgebühren, die Kosten für Zusatzoptionen und die Verkaufsprovisionen würden dabei sofort von den Käuferzahlungen einbehalten.
- eBay müsste kein Geld mehr für den Käuferschutz bezahlen, denn natürlich bekommt der Verkäufer erst dann Geld, wenn der Käufer den Erhalt der einwandfreien Ware bestätigt hat.
- eBay würde riesige Zinsgewinne einstreichen. 2007 wird das Gross Merchandise Volume, also die Summe aller Umsätze der eBay-Verkäufer, bei etwa 60 Milliarden Dollar liegen. Liegen die Käuferzahlungen 15 Tage auf den eBay-Konten, dann würde eBay bei einem Zinssatz von 5 Prozent jährlich etwa 125 Millionen Dollar zusätzlich einnehmen.
Für die gewerblichen Verkäufer wäre das nicht so schön:
- Von "100% Zahlungssicherheit gegenüber dem Verkäufer" kann keine Rede sein, denn das Geld landet ja bei eBay, und nicht mehr beim Verkäufer selbst.
- Was eBay als Zinsgewinn verbuchen kann, ist für die gewerblichen Verkäufer ein riesiger Verlust: Die müssen die Ware nun künftig immer vorfinanzieren und werden dafür sicher mehr als 5 Prozent Jahreszins berappen müssen. Heute bezahlen viele Verkäufer (eBay-AGB-widrig) ihre Lieferanten erst, wenn das Geld des Käufers da ist - dieses Geschäftsmodell würd künftig nicht mehr funktionieren.
- Bei Streitigkeiten mit eBay werden Verkäufer künftig immer den Kürzeren ziehen: Bei strittigen Gebührenforderungen können die jetzt immerhin noch die letzte Lastschrift eBays zurückbuchen lassen, in Zukunft bleibt in solchen Fällen nur noch eine Klage in Luxemburg übrig.
- Das Ungleichgewicht zwischen Verkäufer und Käufer wird noch größer: Schon heute können Käufer die Verkäufer mit den Bewertungen erpressen, künftig auch noch mit Aussagen zum einwandfreien Erhalt der Ware.
Für private Kleinverkäufer wären über eBay laufende Zahlungen relativ unproblematisch: Die haben die Ware ja rumliegen und die Zinsverluste fallen nicht ins Gewicht. Außerdem müssten die dann nicht mehr ihr Girokonto auf Zahlungseingänge kontrollieren, sondern würden von eBay darüber informiert.
Für die Käufer überwiegen die Vorteile:
- Es gibt fast kein Betrugsrisiko mehr.
- Er kann seine Einkäufe des Tages in einem Vorgang bezahlen, so wie das beim gescheiterten eBay Express funktionieren sollte.
- Er bekommt noch mehr Macht gegenüber dem Verkäufer.
Allerdings wird es auch für Käufer ein Problem geben: Wer schon einmal seine eBay-Gebühren manuell per Überweisung beglichen hat, weiß natürlich, wie oft eBay eingehende Zahlungen nicht richtig zuordnen kann.
Es wird viel davon abhängen, wann und wie eBay letztlich die eingenommenen Gelder an die Verkäufer weiterleitet. Worst case: eBay wartet nach der Bestätigung des Warenerhalts mindestens noch einen Monat ab, der Käufer könnte seinen Kauf ja (bei gewerblichen Anbietern) widerrufen. Best case: eBay leitet die Gelder sofort nach Eingang weiter, das halte ich aber für sehr unwahrscheinlich.
Insgesamt ist eine derartige Systemumstellung für eBay sehr reizvoll: die kommt den von eBay neuerdings hochgeschätzten privaten Anbietern und den Käufern entgegen und steigert auch noch die Einnahmen. Die gewerblichen Anbieter werden natürlich murren, aber sich letztlich in ihr Schicksal fügen - wie immer.
Schreiben Sie mir, wenn ich Aspekte übersehen haben sollte: dann ergänze ich meinen Beitrag.
Einige oft gestellte Fragen:
Was ist, wenn ein Käufer sich nach Wareneingang nicht rührt?
Wenn ein Käufer nach einer gewissen Frist den Erhalt seines Artikels noch nicht bestätigt hat, wird automatisch ein Streitfall über einen nicht erhaltenen Artikel eröffnet. Reagiert der Käufer auch darin nicht, wird der Streitfall geschlossen und die Ware gilt als angekommen.
Was ist, wenn der Käufer beim unversicherten Versand lügt und behauptet, er habe die Ware nicht erhalten?
Dasselbe, wie heute: Dann hat der Verkäufer ein Problem.
Was kostet das? So wie ich eBay kenne, wird eBay wohl kaum die Zahlungsabwicklung kostenlos durchführen.
In diesem Fall hat eBay ohnehin schon sehr viele Vorteile und würde dafür nicht auch noch Gebühren verlangen.
Bei Privatverkäufen muss der Käufer das Versandrisiko tragen, dieses Prinzip würde ausgehebelt.
Stimmt, aber das ist heute auch schon so: Meldet ein Käufer einen nicht erhaltenen Artikel, dann zahlt ihn eBays Käuferschutzprogramm aus und verlangt das Geld vom Verkäufer zurück - auch wenn es ein Privatverkauf war.
Zusätzliche Aspekte:
Durch die Zahlungsabwicklung über eBay ist es nicht mehr nötig, daß Käufer und Verkäufer gegenseitig die Kontaktdaten erhalten. Insbesondere die Mailadressen der Käufer werden den Verkäufern nicht mehr mitgeteilt, den Käufern können keine weiteren Artikel mehr anegboten werden und sie können auch nicht mehr in einen Newsletterverteiler aufgenommen werden.
Nicht nur Betrüger haben es dann schwerer, sondern auch die Schäden durch insolvente Vekäufer sinken: Viele nutzen die Vorkassezahlungen ihrer Kunden, um ihre Insolvenzanmeldung noch ein wenig hinauszuschieben und Gelder auf Seite zu schaffen.
Die Transaktionen auf der türkischen Partnerseite eBays (gittigidiyor.com) werden bereits heute so abgewickelt. Allerdings ist in der Türkei das in Deutschland bevorzugte Banküberweisungssystem nicht sehr alltäglich und auch relativ teuer. Die meisten Zahlungen werden wohl über Kreditkarte abgewickelt.
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