"eBay neu erleben" - auf Kosten der Verkäufer
eBay muss etwas tun: Viele nehmen den Marktplatz vor allem als Tummelplatz für Abmahnabzocker, Markenfälscher, Betrüger und Pleitekandidaten wahr.
Früher galt eBay als sympathischer Flohmarkt mit Flirt- und Kontaktmöglichkeit. Heute wird eBay hauptsächlich von gewerblichen Anbietern nüchtern als einer von mehreren Vertriebskanälen gesehen.
Früher war eBay vor allem eine neue Idee: Jedermann-Auktionen im Internet. Heute kennen die meisten eBay schon lange und der Anteil der Festpreisverkäufe liegt bei 42 Prozent. Aus dem Online-Auktionshaus wurde ein Onlinemarktplatz.
Früher war eBay eines der weltweit am schnellsten wachsenden Unternehmen, heute stagnieren die Mitgliederzahlen und der halbierte Aktienkurs dümpelt im Keller weit unter 30 Dollar.
Früher machte eBay mit Milliarden-Käufen wie PayPal und Skype von sich reden, heute gilt eBay selbst als Übernahmekandidat.
Daraus zog eBay Deutschland Konsequenzen und verkündete im September letzten Jahres verschiedene Maßnahmen, um wieder attraktiver zu werden.
Das Motto dabei: eBay neu erleben!
Die meisten dieser Maßnahmen kosteten eBay Geld: So wurde beispielsweise die Telefonhotline für die Anrufer günstiger und mit mehr Personal ausgestattet, außerdem wurden spezielle noch weiter verbilligte Hotlines für Top-Käufer und Top-Verkäufer eingerichtet. eBay-Mitglieder, die dank ihrer Bewertungspunkte einen neuen Stern erreichen, bekommen nette Post von eBay und erhalten als Geschenk so nette Sachen wie eBay-Kühlschrank-Magneten. eBay ließ für teures Geld neue Community-Funktionen programmieren - die sich aber als großer Flop erwiesen.
Reform auf Kosten der Verkäufer
Nachdem also die erste Reformstufe auf Kosten eBays ging, sollen nun bei der vorgestern verkündeten zweiten Stufe überwiegend die Verkäufer die Lasten tragen.
So wirkt sich die Preisänderung zum 20. Februar nach Angaben eBays zwar nur für 20 Prozent der Verkäufer als Erhöhung aus, unterm Strich bleibt es aber eine Erhöhung. Immerhin nehme ich eBay ab, dass es diesmal nicht einfach nur darum ging, den Verkäufern mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. Im Vordergrund steht tatsächlich eine Attraktivitätssteigerung: Wer bei eBay nach einem iPod sucht, der wird heute hauptsächlich mit Angeboten von Taschen und Ladegeräten dafür zugemüllt. Zukunftig wird er das tatsächlich gesuchte eigentliche Gerät besser finden: Einmal, weil die Suche verbessert wird. Und zum andern, weil eBay die Preise ändert: Die Verkäufer von billigen Taschen und Ladegeräten müssen künftig mehr zahlen, die Verkäufer des eigentlichen teuren Geräts zahlen künftig weniger eBay-Gebühren.
Die Volksauktion
Durch die neue kostenlose private Volksauktion mit Galeriebild ab 1 Euro fördert eBay das, was eBay früher so beliebt machte: Viele Käufer wünschen sich eben mehr solcher Angebote. Das geht allerdings zu Lasten der gewerblichen Verkäufer, deren Produkte nun weniger im Fokus stehen und die vermehrt mit der Konkurrenz durch eigentlich gewerbliche Pseudo-Privatverkäufer rechnen müssen.
Alle (Bewertungs-)Macht dem Käufer
Die bei Verkäufern unbeliebteste Änderung ist aber, dass künftig keine neutralen oder negativen Bewertungen der Käufer mehr abgegeben werden können. Ich halte diese Änderung für richtig, weil sie zwei Ziele erreicht: Die Käufer fühlen sich wohler, weil jeder eben lieber gelobt, als gescholten wird. Und auf die Käufer kommt es an! Außerdem wird dadurch die wichtigste Grundlage eBays gestärkt: Das Bewertungssystem. In letzter Zeit konnte man immer weniger auf die Bewertungsprofile der Verkäufer vertrauen, weil die meisten Käufer aus Angst vor Rachebewertungen keine neutralen oder negativen Bewertungen mehr abgaben. Wenn ein Käufer ausnahmsweise doch den Mut dazu hatte, dann bekam er postwendend seine Rachebewertung und das nette Angebot, beide Bewertungen "einvernehmlich" zurückzuziehen.
eBay wird sich in diesem Punkt von den Protesten der Verkäufer nicht beeindrucken lassen und den Sturm im Wasserglas aussitzen. Tatsache ist aber trotzdem, dass diese nötige Reform ausschließlich zu Lasten der Verkäufer geht: Natürlich wird die Zahl unzuverlässiger Käufer zunehmen und natürlich werden auch immer mehr Verkäufer mit der Drohung negativer Bewertungen zu finanziellen Zugeständnissen erpresst. Ich kann das Ohnmachtsgefühl eines Verkäufers gut verstehen, der den unverschämten Ansprüchen mancher Arschlöcher * hilflos ausgeliefert ist.
Verkäufer sind die Opfer
Gerade gewerbliche Verkäufer werden schon vom Gesetzgeber über alle Maßen benachteiligt, insbesondere das Widerrufsrecht und sein massenhafter Missbrauch belasten den gesamten Onlinehandel und besonders die eBay-Händler. Da schmerzt es natürlich, dass eBay nun in die selbe Kerbe haut und die Machtverhältnisse einseitig zu Gunsten der Käufer verschiebt. Das gilt nicht nur bei den normalen Bewertungen, sondern natürlich auch für die DSRs: Wenn die Versandkosten vorher angegeben wurden und vom Käufer in den Gesamtpreis einkalkuliert werden konnten, dann sollte er nachträglich nicht darüber meckern dürfen. eBay legt aber auch hier die Priorität eindeutig auf das Wohlgefühl des Käufers: Wenn der Versandkosten als unangenehm hoch empfindet, dann schmälert das natürlich seine Zufriedenheit. Dabei interessiert es eBay nicht, ob der Käufer damit im Recht ist - der Kunde ist König und hat immer Recht.
Auch die anderen Maßnahmen eBays gehen zu Lasten der Verkäufer: Weil eBays Standard-Käuferschutz abgeschafft wird, werden mehr Käufer auf PayPal-Zahlung bestehen und damit höhere Kosten verursachen. Das gleiche gilt für die eBay-Kreditkarte: Damit bekommen Käufer bis zu zwei Prozent Rabatt, wenn sie damit über PayPal bezahlen - auch hier zahlen die Verkäufer die Zeche.
eBay verspricht Hilfe
eBay will den Verkäufern entgegenkommen und die negativen Folgen für die Verkäufer abmildern. So sehe ich das neue Prämienprogramm als nettes Bonbon - das aber nur wenige bekommen werden.
Viel entscheidender ist, dass eBay künftig unzuverlässigen Käufern stärker auf die Finger schauen will. Das halte ich allerdings für ein leeres Versprechen, denn das würde mehr Personal voraussetzen - beim derzeitigen eBay-Sparkurs undenkbar.
Eigentlich müsste eBay auch mehr gegen Abmahnabzocker tun und den gewerblichen Verkäufern helfen - dazu ist aber z.B. eBays Muster-Widerrufsbelehrung nicht geeignet.
Und vor allem müsste eBay gegen pseudo-private Schwarzhändler vorgehen - aber auch dafür investiert eBay kein Geld und kein Personal.
Fazit
Die aktuellen eBay-Änderungen sind Reformen, die fast ausschließlich zu Lasten der Verkäufer gehen. eBays Kalkül dabei ist aber leicht nachvollziehbar: Verkäufer gibt es genug, die kann man ruhig weiter belasten und es schmerzt nicht, davon einige zu verlieren. Plattformen wie Hood, auXion und Amprice haben genug Verkäufer, denen nützt es nichts, wenn es noch mehr werden sollten: Dort fehlen die Käufer. eBay hat das erkannt und die Reformen sollen die jetzigen eBay-Käufer halten und sogar neue gewinnen. So lange eBay ein Magnet für die Käufer ist, kommen Verkäufer nicht um diese Plattform herum und müssen auch schmerzhafte Reformen mit zusammen gebissenen Zähnen ertragen.
* Sorry, mir fällt dazu kein weniger anstößiger, aber dennoch passender Begriff ein...
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