Abmahnung für Deutsche Bahn wegen eBay-Ticket-Aktion
Die Verbraucherzentrale Berlin hat die Deutsche Bahn wegen ihrer eBay-Ticket-Aktion abgemahnt: Nach Auffassung der Verbraucherschützer müsse eBay bei den Verkäufen ein Widerrufsrecht einräumen. Die Tickets seien nicht für eine bestimmte Fahrt konkretisiert und ließen sich mit Kinogutscheinen vergleichen. Für diese gebe es einschlägige Urteile. Legt man diese zugrunde, sei auch die Gültigkeitsdauer der über eBay verkauften Bahn-Tickets zu kurz.
Ich sehe das eher wie die Bahn und hatte das auch geschrieben.
In BGB §312b Absatz 3 Nummer 6 heißt es:
Die Vorschriften über Fernabsatzverträge finden keine Anwendung auf Verträge...
... über die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Unterbringung, Beförderung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Freizeitgestaltung, wenn sich der Unternehmer bei Vertragsschluss verpflichtet, die Dienstleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums zu erbringen,
Nach diesem Wortlaut fallen die Bahn-Tickets eindeutig in die Ausnahmeregelung. Und eine Ausnahme vom Widerrufsrecht scheint mir auch vom Sinn her einleuchtend: Schließlich soll das Widerrufsrecht im Versandhandel den Verbraucher in die Lage versetzen, eine Ware so zu prüfen, wie es auch im Ladengeschäft möglich wäre. Bei einem Kleid bespielsweise soll die Käuferin es anprobieren und den Kauf widerrufen können, wenn es nicht passt. Bei Bahn-Tickets dagegen gibt es zu Hause nichts zu prüfen: Da macht es keinen Unterschied, ob man die am Bahnschalter kauft oder im Versandhandel. Es wäre daher nicht sinnvoll, den Versandkäufern mehr Rechte einzuräumen.
Ich habe dazu auch mal die IT-Recht-Kanzlei befragt und bekam das folgende Mini-Gutachten:
Es wird davon ausgegangen, dass die Deutsche Bahn über eBay Tickets
verkauft, die für einen bestimmten Zeitraum gültig sind und bei denen
ggf. selbst Start- und Zielort sowie der konkrete Reisetag eingetragen
werden können (ähnlich wie bei den „Lidl-Tickets“, die die Deutsche Bahn
vor einiger Zeit beim Lebensmitteldiscounter Lidl verkauft hatte).
In Frage steht, ob die Bahn bei einem derartigen Verkauf dem Käufer ein
Widerrufsrecht gemäß §§ 355 iVm. 312b und 312d BGB einräumen muss.
Das ist dann der Fall, wenn der Verkauf dieser Tickets nicht vom
Ausnahmetatbestand des § 312 b Abs. 3 Nr. 6 Var. 2 BGB erfasst wird, auf
ihn also die Vorschriften bzgl. der Fernabsatzverträge Anwendung finden.
Die grammatikalische Auslegung ergibt, dass ein derartiger Ticketverkauf
vom oben genannten Ausnahmetatbestand erfasst wird.
Im Gesetz, § 312 b Abs. 3, heißt es: Die Vorschriften über
Fernabsatzverträge finden keine Anwendung auf Verträge […] über die
Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen […] Beförderung […],
wenn sich der Unternehmer bei Vertragsschluss verpflichtet, die
Dienstleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines
genau angegebenen Zeitraums zu erbringen […].
Der Verkauf von Bahntickets ist ein Dienstleistungsvertrag iSd. § 312b,
da hier alle Verträge gemeint sind, die nicht die Lieferung von Waren
zum Gegenstand haben (vgl. Staudinger/Thüsing, Kommentar zum BGB,
Neubearbeitung 2005, § 312b Rn. 80).
Unstrittig geht es hier auch um einen Vertrag im Bereich „Beförderung“.
Vorliegend hat sich der Unternehmer (= die Deutsche Bahn AG) zwar nicht
verpflichtet, die Dienstleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu
erbringen, wohl aber innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums.
Damit lässt sich der Bahnticketverkauf über eBay einwandfrei unter den
Ausnahmetatbestand des § 312 b Abs. 3 Nr. 6 Var. 2 BGB subsumieren.
Bezweifelt werden kann jedoch, ob eine Ausnahme von den
Fernabsatzvorschriften, hier dem Widerrufsrecht, im Falle des
Bahnticketverkaufs über eBay dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht.
Aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz über
Fernabsatzverträge (BT-Drucksache 14/2658) geht als Grund für den oben
genannten Ausnahmetatbestand hervor, dass „hier weder die in der
Fernabsatzrichtlinie vorgesehenen Informationspflichten noch das
Widerrufsrecht zweckmäßig sind […]“ (S. 33).
Nun kann in der Tat die Ansicht vertreten werden, dass beim Kauf eines
Bahnticket via Fernkommunikationsmittel ein Widerrufsrecht nicht
zweckmäßig ist. Schließlich ist dem Käufer klar, was er kauft und das
gekaufte Ticket muss auch nicht getestet bzw. ausprobiert werden. Es
kann keinerlei Qualitätsmängeln unterliegen. Ein Widerrufsrecht wäre
eher unzumutbar für die Deutsche Bahn, sollte es etwa nach Gebrauch des
Tickets ausgeübt werden.
Andererseits ist ebenso vertretbar, dass gerade beim Kauf eines
Bahntickets, dass innerhalb eines längeren Zeitraum gültig ist und in
der Regel nicht sofort verwendet wird, ein Widerrufsrecht bestehen muss.
Denn der Käufer ist sich unter Umständen im Unklaren, für welche Züge
das Ticket gilt und für welche Strecken, prüft aber aufgrund der
verlockenden Einfachheit des Internetkaufs („one click“, etc.) nicht
genauer nach, erlebt vielmehr erst bei Erhalt des Tickets die böse
Überraschung. Aus dieser Sicht wäre es nicht nachvollziehbar, weshalb
für einen solchen Ticketverkauf gerade kein Widerrufsrecht eingeräumt
werden müsste.
Über die Zweckmäßigkeit eines Widerrufsrechts kann im vorliegenden Fall
trefflich gestritten werden. Da jedoch die grammatikalische Auslegung
ohne Zweifel eine Zulässigkeit des Verkaufs von Bahntickets über eBay
ohne Einräumung eine Widerrufsrechts erlaubt, ist die IT-Recht-Kanzlei
der Ansicht, dass der Wertung des Gesetzgebers gefolgt werden kann und
vorliegend ein Widerrufsrecht nicht eingeräumt werden muss.
Ähnlich sieht es Rechtsanwalt Rolf Becker von www.versandhandelsrecht.de:
Grundsätzlich erfasst die Ausnahme vom Fernabsatzrecht nach allgemeiner Ansicht auch Beförderungsverträge mit der Bahn. Die Ausnahme gilt aber nach meiner Meinung allgemein nur dann, wenn der Zeitraum der Nutzung selbst festgelegt wurde. Wenn ich also einen Gutschein über eine Autovermietung anbiete, dann ist keine Ausnahme gegeben, auch dann nicht, wenn der Gutschein selbst befristet ist, weil das nicht unmittelbar in dem Vertrag zur Fahrzeugnutzung niederschlägt (so auch AG Hamburg, Urteil vom 7.6.2006, 644 C 100/06). Hier bei der Bahn ist es aber anders. Dort steht unmittelbar auch zur Nutzung der Bahn ein spezifischer Reisezeitraum "Reisezeitraum: 16.08. - 31.10.2008 (keine Freitage, nicht am 02.10.2008)." Damit ist die Ausnahme gegeben.
Allerdings könnte man zumindest die Meinung vertreten, dass mangels Bestimmtheit der konkret genutzten Verbindung der Kunde ohnehin nur die Wahl zwischen den am Reisetag gewählten Zugverbindungen hat und sich erst bei der Wahl der Verbindung und dem Einlösen des Gutscheins das "Veranstaltungsrisiko" für die Bahn konkretisiert. Erst ab diesem Zeitpunkt ist sie so schutzfähig, wie die anderen Angebote, die den Ausnahmetatbeständen zugrundeliegen.
Fazit: Diese beiden renommierten Kanzleien sind ebenso wie die Juristen der Deutschen Bahn eher der Meinung, dass die Bahn bei dieser Aktion kein Widerrufsrecht einräumen musste.
Meiner Meinung nach könnte die Deutsche Bahn aber viel für ihr Image tun, wenn sie ein Widerrufsrecht aus Kulanz einräumen würde. Eine andere schöne Lösung wäre, wenn sie bei den Ticket-Versteigerungen auf den Teil der Erlöse verzichten würde, der die späteren Festpreise übersteigt.
Offenbar hat man sich aber bei eBay und bei der Bahn entschlossen, den Wirbel auszusitzen. Und das funktioniert sogar: Das Bewertungsprofil der Bahn wird immer besser, seitdem die ersten Tickets ausgeliefert wurden. Immerhin liegt die Bahn nun bei einer Bewertungsquote von 94,8 Prozent und sie steigt weiter an. Der Tiefstand positiver Bewertungen lag bei rund 72 Prozent.
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