Dr. Kai Hudetz vom Wirtschaftsforschungsinstitut IFH in Köln prognostizierte vor Jahren, dass bald 95 % der Onlinehändler vom Markt verschwinden werden. Eine steile These, die in der Branche heftig diskutiert wurde. Ja, es sind eine Menge Händler verschwunden, aber auch viele nachgewachsen. Jedoch hat sich eines nicht geändert: Die meisten kleineren Onlinehändler haben einen gemeinsamen Feind. Das ist allerdings nicht Amazon, auch nicht eBay. Es ist der Kunde. Gewagt? Sicher. Aber mitunter kann man das so sehen, wenn man sie genauer betrachtet. Was also läuft schief bei vielen Händlern?

Ein einfacher Servicefall oder doch nicht?

Was passiert, wenn ein Kunde sich die eigene Kleidung kaputt macht, weil eine Verpackung des Händlers beschädigt ist? Wer haftet? Wie agiert der Kunde? Wie reagiert der Händler?

Tatsächlich ein sehr einfacher Fall: Der Kunde möchte seine defekte Kleidung ersetzt haben. Der Händler sollte sich – sofern er professionell aufgestellt ist – dem Anliegen des Kunden gegenüber offen zeigen. Verständnis und eine kooperative Kommunikation wirken Wunder. Was er aber auf gar keinen Fall machen sollte: den Kunden versuchen abzuwiegeln. Das geht in die Hose.

(Diesem Händler ist gar nicht bewusst, dass sich die Haftungen B2B und B2C unterscheiden. Basics des Onlinehandel.)

Grundsätzlich ist der Händler sowohl für Verpackung als auch für Versand an den Endkunden verantwortlich. „In erster Linie muss die Ware so verpackt werden, dass sie heil beim Kunden ankommt. Der Verkäufer muss also bedenken, dass die Versanddienstleister teilweise nicht gerade zimperlich mit Sendungen umgehen und daher entsprechende Vorkehrungen treffen“, so eine Juristin des Händlerbunds. Im konkreten Fall hätte es vermutlich geholfen, wenn entweder Schutzecken oder Gewebeband zusätzlich verwendet worden wären. Besser noch: ganz auf die Metallklammern verzichten. Der Händler trifft seine Wahl, wie er die Ware schützt, muss dann aber auch das Risiko tragen.

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Beispielhaft passieren solche Ereignisse täglich und lassen leider eine Menge an unzufriedenen und frustrierten Kunden zurück. Dazu aber später. Tatsächlich ist es so, dass der Händler für die meisten Schäden haften muss.

Die Dickschiffe machen vor, wie es geht

Bei Zalando, Amazon und Co. wäre diese Reklamation schnell bearbeitet worden. Ohne Meckern und ohne Murren hätte es schnell eine Kulanzlösung gegeben. Jeder Servicemitarbeiter verfügt über ein Budget, innerhalb dessen er frei entscheiden kann. Nicht umsonst verzeichnen sowohl Amazon, Zalando wie auch andere stark kundenorientierte Unternehmen hohe zweistellige Wachstumsraten.

Ein berechtigter Einwand

Die >Großen< sind meistens fremdfinanziert und verfügen über viel, sehr viel Kapital, mit dem sie sich die Kunden erkaufen können. Uns kleinen stehen aber nur begrenzte Mittel zur Verfügung.

Ja, das ist richtig, stimmt und kann unwidersprochen stehen bleiben. Jedoch gibt es zwischen schwarz und weiß auch Grautöne. Und genau diese Sichtweise scheint gerade die kleineren Händler maßlos zu überfordern.

Die Mitte ist die Lösung

Der Kunde, den ihr nach einer solchen Erfahrung am Hörer habt, ist erst einmal aufgeregt, denn er erkennt (zu Recht) keine Schuld bei sich. Soll er denn jedes Mal um sein ungeöffnetes Paket rumlaufen, es auf alles mögliche prüfen? Rappelt was? Ist irgendwo etwas beschädigt? Und, und, und? Nein, muss er nicht! Da gibt ihm der Gesetzgeber auch Recht, indem Schäden – gerade im B2C – zwar unverzüglich, aber auch noch zeitverzögert gemeldet werden können.

Also fangt doch einen solchen Kunden auf. Zeigt Verständnis, verschafft euch Zeit (damit sich der Kunde emotional beruhigen kann) und kommt dann mit einer konstruktiven Lösung. Diese könnte so aussehen: Fragt den Kunden nach der Rechnung und teilt ihm mit, dass ihr euch bei der Geschäftsführung für einen Ersatz stark macht. Weil ihr es genauso seht. Prima! Schon habt ihr euch verbündet und merkt fast sofort, dass der Kunde ruhiger wird. Wahrscheinlich hat er die Rechnung verlegt und kann sie nicht einreichen. (Genauso wäre es z. B. bei mir und ich bin sicher, ihr kennt das alle.)

„Der Händler hat für eine ordnungsgemäße Verpackung zu sorgen. Wenn da eine Klammer rausguckt, ist es nicht ordnungsgemäß – wann auch immer die Klammer rauswanderte. Und damit haftet der Händler“, so eine Kölner Rechtsanwältin.

Ihr habt jetzt die Gelegenheit den Kunden aufzubauen und ihm mitzuteilen, dass ihr die Herausforderung der Geschäftsleitung oder dem Vorgesetzen mitteilen werdet, um zumindest eine kulante Lösung zu schaffen. Schon seid ihr auf der Zielgeraden und teilt eurem Kunden nach einer Weile mit, dass er zwischen einem Gutschein oder einer Rückzahlung wählen kann. Die Höhe sollte – für euch – angemessen sein. Und siehe da, ihr habt einen zufriedenen Kunden, der gerne – und wahrscheinlich auch wieder – bei euch einkauft. Er hat ein positives, ganzheitliches Einkaufserlebnis mit euch erlebt. So gut! So einfach!

Noch ein kleiner Tipp: Erstellt euch selbst einmal eine Excel-Tabelle und erfasst solche Kulanz- und/oder Haftungsleistungen. Ihr werdet sehen, ihr zahlt weniger, als ihr bisher zu zahlen glaubt.

Händler aus der Hölle

Ja, davon gibt es viele. Sie reagieren wie in unserem leider realen Beispiel oben! Ablehnend und >auf Krawall gebürstet<, rechthaberisch, kurz: unprofessionell. Ihr mögt das nicht glauben? Bitte folgt einmal diesem Link und lest die Händlermeinungen. Wer von euch – Hand aufs Herz – würde da wirklich vertrauen?

Schlimm ist: Es hat Folgen! Folgen für euch und für den gesamten Handel der KMU bis hin zu Konsequenzen für ganze Plattformen. Wer kauft etwas bei eBay ein, wenn er es dringend benötigt? Die meisten nicht, weil sie das Vertrauen in die Händler verloren haben. Es sei angemerkt, dass die meisten jedoch pünktlich und schnell versenden. ABER: Ihr fühlt euch sicherer, wenn ihr über Amazon und am besten direkt bei Amazon bestellt, richtig? Und warum? Genau deshalb, weil einige der >Händler aus der Hölle< vielen Kunden gezeigt haben, dass sie, also die Kunden, der Feind der Händler sind. Schwer asozial. Also von den Händlern.

Und ihr denkt: Quatsch kann so nicht sein?

Ist es aber doch, erschreckenderweise. Aus Kundensicht habe ich mein Posting verfasst. 186 Kommentare und hier ein paar Auszüge:

DAS ist die Realität und das sind viele Händler aus der Hölle. Natürlich hat Wortfilter auch ein paar größere befragt. Unisono kam die Antwort: Wir würden versuchen, uns mit dem Kunden zu einigen. Entweder Rücküberweisung oder Gutschein. – Richtig!

Und jetzt?

Chillt mal und überlegt, ob ihr euch tatsächlich einen Gefallen tut, wenn ihr euch jedes Mal von den Kunden triggern lasst? Nein. Sucht nach Kompromissen und nach tragfähigen Lösungen. Denkt darüber nach, WARUM der Schaden passieren konnte. Wägt ab, ob es etwas bei EUCH zu verbessern gibt. DAS wäre professionell. Und warum wirken so einige Händler völlig überfordert? Weil sie es vielleicht ja sind? Seid ihr überfordert?

Und die Chinesen?

Habt ihr schon einmal deren >Kram< gekauft? Verpacken können sie und Service auch. Egal, was reklamiert wird, es wird erstattet, zumindest anteilig. Woran liegt das? In China herrschen andere Plattformregeln. Ihr müsst z. B. zunächst eine Sicherheitsleistung hinterlegen, um dort zu handeln. Klar, dass die chinesischen Händler einen völlig anderen Umgang mit Kundenbeschwerden haben.

Bild: steampowered.com