„Das Beste oder nichts“, verspricht der Mercedes-Werbeslogan seit 10 Jahren. Ein Kundenversprechen, das Premiumselbstverständnis, Qualität und ein gerütteltes Maß an Markenarroganz ausdrückt – und damit perfekt auf den typischen Mercedes-Fahrer zugeschnitten ist. Das Problem ist nur: Wer so breitbeinig auftritt, der muss auch liefern. Leider klaffen Anspruch und Realität in der Praxis oft meilenweit auseinander. Das durfte ich beim letzten Autokauf am eigenen Leib erfahren.

Reden wir nicht um den heißen Brei herum: Ich bin der Mercedes-Traumkunde: Gut gestellt, premiumorientiert, markenbegeistert, kaum preissensitiv. Ich will nicht einfach nur einen fahrbaren Untersatz, sondern einen Mobilitätstraum. Ich bin bereit, mehr Geld auszugeben, damit auf meiner Motorhaube ein Stern prangt. Und ich bin markentreu: Den ersten Mercedes habe ich vor rund 30 Jahren nach Hause gefahren, seitdem kam mir keine andere Automarke in die Garage (okay, als Zweitwagen schon). Man sollte also meinen, dass sich der typische Mercedes-Autohausbetreiber, gebeutelt von Klimarettern, Tempolimitbefürwortern und Geiz-ist-Geil-Vertretern, über meinen Besuch freut. Stattdessen gibt es aktuell mindestens zwei Mercedes-Häuser in der Südwestpfalz und Köln, die vermutlich dringend in die Mittagspause müssen, sobald sie meine Nummer auf dem Display sehen.

1. Akt: Dreiste Verkäufermaschinen auf Premium

Aber von vorne. Kürzlich suchte ich auf mobile.de eine neue S-Klasse. Ich wurde bei einer Mercedes-Niederlassung fündig, und im folgenden Telefonat teilte mir eine freundliche Mitarbeiterin mit, ich könne das Auto in jeder beliebigen Niederlassung kaufen und liefern lassen. Feiner Kundenservice, dachte ich, und erfreute mich an meiner Markenentscheidung. Oh, ich Ahnungsloser. Ein Besuch bei Mercedes in Köln-Porz, wo ich den Wagen kaufen wollte, ergab: Geht doch nicht. Aber sie hätten eine ganze ähnliche S-Klasse, sagte der Mitarbeiter, Top-Zustand, nur ein bisschen teurer als das Auto auf mobile.de. Gut, dachte ich mir, ich habe ja ein Herz für dreiste Verkäufermaschen, nimmst du halt diese S-Klasse, Hauptsache Stern.

Ein paar Tage später fahre ich mein neues Auto vom Hof der Niederlassung in Köln, gut gelaunt und markentrunken wie sich das für den frisch gebackenen Besitzer einer S-Klasse gehört – als nach ein paar gefahrenen Kilometern eine Warnlampe angeht: der Reifendruck stimmt nicht. Okay, denke ich mir, ein bisschen ärgerlich, aber eine Kleinigkeit. Bis einen Tag später das Auto einen leeren Batterieschlüssel anzeigt. Und die Bremsen quietschen. Und der Schminkspiegel klappert. Und das Lenkrad vibriert. Und sich das Sonnenschutzrollo verklemmt. Und es hinter dem Armaturenbrett klappert. Alles Kleinkram, klar. Aber eben doch nicht das, was man erwartet, wenn man gerade einen höheren fünfstelligen Betrag für ein beinahe fabrikneues Auto bei einem Premiumfachhändler hingeblättert hat. Ein weiterer Anruf beim Mercedes in Köln ergab: Sie reparieren die Mängel auf ihre Kosten, ich solle das Auto vorbeibringen. Nun war ich aber mittlerweile wieder in Zweibrücken angelangt und wenig begeistert von der Aussicht, das Auto ins 270 km entfernte Köln bringen zu müssen, um Kleinigkeiten reparieren zu lassen, die in erster Linie gar nicht hätten defekt sein sollen. Nach einigem Hin und Her verwiesen mich die Kölner letztlich für die Reparatur an ein örtliches Mercedes-Autohaus.

2. Akt: Auftritt Mercedes-Händler in Zweibrücken

An einem Montag brachte ich das Auto zum Reparaturtermin in Zweibrücken und gab an, dass ich das Fahrzeug spätestens am Donnerstag zurück bräuchte, um in den Familienurlaub zu fahren. Montag bis Donnerstag, dachte ich in meiner Unschuld. Das sollte doch dicke ausreichen, um die erwähnten Kleinigkeiten zu reparieren. Am Donnerstagnachmittag hole ich den Wagen wie vereinbart ab – und nach ein paar gefahrenen Kilometern flimmert das gesamte Cockpit-Display ein paarmal auf, um dann komplett auszufallen. Überaus beruhigend, vor allem wenn man 800 km Fahrt vor sich hat. Also wieder zurück zum Autohaus in Zweibrücken – wann ist nochmal Murmeltiertag? Der Werkstattmeister kann leider nichts machen („da müsse mir ja des ganze Cockpit aufschraube, da isch jetzt aber keiner mehr da, der des no mache kött“) und bietet mir großzügig einen Leihwagen als Ersatz. Eine A-Klasse. Und ich so: Hallo? Familienurlaub? Gepäck? Komfort? Und überhaupt: Sehe ich aus wie ein A-Klasse-Fahrer? Und er so: „Na wisset Sie, mir ham hier halt so selten S-Klasche-Fahrer.“ Einen Mietwagen in passender Größe eines externen Autovermieters will er aber auch nicht zahlen. „Na, des machet mer net.“

Wer mich kennt, kann sich denken, wie das Gespräch weiterging. Machen wir deshalb einen beherzten Sprung zum gleichen Abend. Gegen halb 9  ist der Werkstattmeister endlich damit fertig, neue Software aufzuspielen, das Auto funktioniert, wie es soll und ich starte in den mittlerweile wohlverdienten Urlaub. Und denke, die Sache ist damit ausgestanden. Oh, ich Ahnungsloser.

3. Akt: Das Reparaturauftragskarussell

Zurück aus dem Urlaub finde ich eine E-Mail des Autohauses Zweibrücken: Ich soll einen Reparaturauftrag unterschreiben. Das Klappern im Armaturenbrett war ja noch nicht behoben. Ein Blick auf den Auftrag zeigt: Wenn ich das unterschreibe, bin ich Auftraggeber und muss damit die Kosten für die Reparatur bezahlen. Nein, antworte ich also, der Reparaturauftrag kam ja von der Mercedes-Niederlassung in Köln, wo ich das Fahrzeug mitsamt seinen Mängeln gekauft habe. Antwort aus Zweibrücken: Mag ja sein, aber die Kölner haben uns noch nicht bezahlt, das müssen Sie mit Köln ausmachen. Ein Anruf in Köln ergibt: Nein, die Reparatur fand in Zweibrücken statt, das müssen Sie mit denen ausmachen.

Der Ausgang der Buchbinder-Wanninger-Satire mit Stern obendrauf ist offen (Disclaimer: Ich unterschreibe natürlich nichts). Bereits komplett versaut ist allerdings das stationäre Einkaufserlebnis eines bisher überzeugten Mercedes-Kunden. Der Austausch unter den zwar voneinander unabhängigen, aber allesamt unter einem Markendach operierenden Mercedes-Händlern und -Niederlassungen funktionierte überhaupt nicht, die Servicequalität war mangelhaft, sogar das Produkt selbst hat enttäuscht. „Mercedes-Benz bietet seinen Kunden und Interessenten längst schon mehr als nur Premiumfahrzeuge“, schrieb Bernd Stegmann, Director Brand & Marketing Strategy bei Mercedes-Benz, vor zwei Jahren im Daimler-Blog. „Umfangreiche und vielfältige Service-, Mobilitäts-, Finanzierungs- und Versicherungsangebote sowie spannende Lifestyle- und Erlebnisangebote erweitern das Produkt- und Markenerlebnis zu einer ganzheitlichen Mercedes-Welt.“ Aha.

Wozu aber brauche ich als Kunde eine „ganzheitliche Mercedes-Welt“, wenn sich die Serviceerfahrung nicht deutlich vom normalen Hinterhof-Werkstatt-Flair abgrenzt (und damit wir uns nicht falsch verstehen, es gibt tolle freie Werkstätten, bei denen ich mit der ganzen Geschichte sicher besser aufgehoben gewesen wäre)? Wozu brauche ich überhaupt Vertragswerkstätten und Junge-Sterne-Garantien und Markenclubs, wenn das die Kundenerfahrung unterm Strich nicht im Geringsten verbessert – und Mercedes offenbar nicht kontrolliert, wie die Markenerfahrung an den verschiedenen Touchpoints für den Kunden aussieht? Wozu brauche ich eine Premium-Automarke, wenn mir nach dem ganzen Drama meine Frau sagen kann: „Hättest Du Dir für das ganze Geld mal lieber einen schönen A6 gekauft!“ – und mir keine passende Antwort mehr einfällt?

Ich geh jetzt meinen Stern polieren. Auf der Straße vorm Haus. Damit der ganze Mist wenigstens zu irgendwas gut war.