Quo Vadis, eBay?
2006 war ein schlechtes Jahr für eBay - und ich fürchte, 2007 wird für den Konzern noch schlimmer.
Ich habe eBay immer für deren Erfolge bewundert und recht wohlwollend darüber berichtet. Aber in den letzten Monaten und Jahren habe ich die meisten der eBay-Entscheidungen nur noch mit einem Kopfschütteln quittiert - und beobachte, wie sich die Fehler und Misserfolge häufen.
Die eBay-Aktie im Tiefflug
Im Januar 2006 war die eBay-Aktie noch über 46 Dollar wert, nun dümpelt sie um die 30 Dollar, hat also 2006 rund ein Drittel ihres Werts verloren. Das zeigt, dass auch die Analysten eBays Kurs mit Sorge und Skepsis begleiten und an den Entscheidungen des eBay-Managements zweifeln. Für fast alle IT-Firmen war 2006 ein Boom-Jahr - für eBay ein Desaster.
eBay verliert in Asien
eBay verliert das Rennen um die asiatischen Wachstumsmärkte, in denen nach eigener Einschätzung eigentlich die Zukunft liegen sollte. In Japan, Taiwan und vor allem in China musste eBay die eigenen Plattformen schließen, trotz aller Investitionen kommt eBay da auf keinen grünen Zweig.
Milliarden-Grab Skype
eBay hat für die Übernahme des Internet-Telefonie-Spezialisten Skype bis zu 4,2 Milliarden Dollar bezahlt - viel zu viel, wie viele meinen. Zwar steigen die Nutzerzahlen weltweit weiter an, aber ich vermisse ein überzeugendes Konzept, wie eBay damit je Geld verdienen will. Skype liegt weit außerhalb von eBays Kerngeschäft, die vielbeschworenen "Synergie-Effekte" sind kaum erkennbar. Große Unternehmen haben wegen des proprietären Übertragungprotokolls von Skype Sicherheitsbedenken.
Und in Deutschland ist der Zug für Skype ohnehin abgefahren: Alle großen DSL-Anbieter machen auch attraktive Angebote für Internet-Telefonie - ohne Skype. Auf der eBay Live! in Düsseldorf Ende Mai 2006 hatte ich dem Deutschland-Chef von Skype Tim von Törne im Interview einige kritische Fragen zur Zukunft von Skype gestellt. So richtig überzeugend fand ich die Antworten nicht - und er wohl auch nicht: Vor einigen Wochen verliess er Skype und wechselte zur cellity AG, die Software für Mobilfunker entwickelt.
eBay in Deutschland: Kalt und unpersönlich
In Deutschland wird eBay immer kälter und unpersönlicher. Das zeigte sich vor allem auf der eBay Live! in Düsseldorf: Während im Jahr zuvor im kalifonischen San Jose eBay regelrecht zelebriert und die eBay-Manager wie Popstars gefeiert wurden, ähnelte die Veranstaltung in Düsseldorf eher einer müden Hausmesse. Einziger Unterschied zu den Hausmessen anderer Unternehmen: Die nehmen normalerweise keine Eintrittsgelder für derartige Eigenpräsentationen.
Früher hatte ich einen sehr guten Draht zu eBay Deutschland: Ich habe mit vielen Mitarbeitern Mails ausgetauscht und telefoniert, manche Anliegen waren in Minuten abgehakt. Die meisten dieser Mitarbeiter haben eBay inzwischen verlassen, stellvertretend für andere nenne ich da den früheren Geschäftsführer Jörg Rheinboldt und den Pressechef Joachim M. Guentert.
Heute findet ein Informationsaustausch zwischen eBay und mir faktisch gar nicht mehr statt. Natürlich gehört wortfilter.de auch bei eBay für viele zur Pflichtlektüre - aber mein persönlicher Kontakt z.B. zum Geschäftsführer Groß-Selbeck beschränkt sich auf einen kurzen Händedruck letztes Jahr in San Jose. Wenn etwas Wichtiges anliegt, muss ich einen offenen Brief schreiben, normale Mails bleiben meistens unbeantwortet.
Dass eBay nicht mehr mit mir reden will, ist durchaus hinnehmbar - dort ist man auch konstruktiven Kritikern gegenüber eben sehr dünnhäutig geworden. Viel schlimmer ist aber, dass eBay auch nicht mit den eigenen Kunden redet! Die oft unpassenden und unsinnigen Textbausteinantworten aus dem eBay-Support sind geradezu legendär.
eBays schlechtes Image
Leider gibt es keine belastbaren Zahlen oder Umfragen zu eBays Image in Deutschland. Aber eines ist klar: eBay gilt als Marktplatz für Betrüger, Markenfälscher, Hehler und Pleite-Kandidaten. Zwar ist beispielsweise die Zahl der Betrugsversuche in Relation zur Anzahl der Angebote sehr gering - aber die Wahrnehmung ist eine andere: Sie kennen vermutlich auch jemanden persönlich, der mal bei eBay abgezockt wurde - oder waren vielleicht sogar selbst Opfer. Und es wird nunmal nicht über die 100 ordentlich verlaufenden Transaktionen geredet, sondern immer über die eine, bei der etwas schief gelaufen ist.
Der Händler-Exodus
Sinkende Umsätze bei steigenden Kosten, das schlechte eBay-Image und die zahlreichen Abmahnwellen zwingen immer mehr eBay-Händler zum Wechsel oder gar zur Aufgabe. Viele Händler fühlen sich von eBay über den Tisch gezogen. Dazu erinnere ich an die unangekündigte Preiserhöhung im April 2006 und die im August 2006.
Viele fanden die Preiserhöhung im Februar 2006 besonders dreist und unverschämt: Die wurde nämlich mit der besseren Auffindbarkeit der Shop-Angebote begründet, die bei den normalen Übersichten mit angezeigt wurden. Tatsächlich freuten sich viele Händler über bessere Abverkäufe aus den Shops. Im Herbst wurde diese Verbesserung wieder rückgängig gemacht - aber die hohen Preise blieben natürlich.
Nach Angaben von bettercom sank die Zahl der Powerseller 2006 von etwa 15.000 auf rund 14.000. Das ist neu: Bisher konnte eBay die zahlreichen Abgänge unter den Powersellern immer mit optimistischen Anfängern ausgleichen, dieses Jahr gingen 1.000 Powerseller netto verloren! Auch bei den Shops zeigt sich, wie dramatisch hoch die Fluktuation ist: Von den rund 40.000 deutschen Shops wurden 2006 14.900 geschlossen, mehr als ein Drittel! Dem gegenüber stehen nur 14.400 neue Shops, auch die Zahl der Shops sinkt also netto.
Am 1.1.2007 erhöht eBay zum vierten Mal innerhalb der letzten 12 Monate die Preise. Das ist keine gute Idee, denn damit überdreht eBay die Schraube: Aus hunderten von Zuschriften weiß ich, dass so ziemlich alle Händler nun den Anteil eBays an den Umsätzen senken wollen, viele geben ganz auf. Die meisten Händler schauen sich nach Alternativen um, davon profitieren die anderen Marktplätze und vor allem Google: Wer einen eigenen Onlineshop betreibt, muss Werbung für den machen - meist mit Google-Ads.
Ryan Hood von www.hood.de berichtete mir, dass sich gerade in den letzten Wochen hunderte Händler bei ihm neu angemeldet haben. Er plant zahlreiche Verbesserungen für seine Plattform und ist optimistisch, eBay einiges an Marktanteil abnehmen zu können. Über seine Pläne werde ich in den nächsten Tagen berichten.
eBay Express: Der Flop des Jahres
eBay Express ist eindeutig der Flop des Jahres, die über 7.000 Händler sind enttäuscht und verkaufen dort fast nichts. Das liegt an einem grundsätzlichen Fehler im Konzept: Es ist zwar nett und bequem, mehrere Artikel in einen Warenkorb zu legen und die dann später mit wenigen Mausklicks und in einem Bezahlvorgang zu kaufen. Blöd nur, dass dabei mehrfache Versandkosten anfallen: Wer beispielsweise für sein neues Haustier einkauft und für eine Hundeleine, einen Fressnapf, Hundeknochen, eine Decke und ein Körbchen für die Nacht fünffache Versandkosten hat und dafür alleine über 30 Euro hinlegen muss, wird sich auf Nimmerwiedersehen verabschieden.
Und auch die Sicherheit ist kein Argument, das eBay bewerben kann: Alle Sicherheits-Argumente für eBay Express sind nämlich gleichzeitig Argumente gegen das "normale" eBay. Die Werbung für eBay Express kommt einfach nicht an: Das liegt schon am Namen. eBay hätte für diese neue Plattform einen unbelasteten Namen wie den der Tochter shopping.com verwenden sollen. Wer jetzt im Radio Werbung für eBay Express hört, nimmt nur eBay als Namen wahr und wird auch nicht direkt eBay Express ansteuern. Wer Vorbehalte gegenüber eBay hat, wird auch kein eBay Express-Fan werden.
Fazit
Ich sehe eBay auf dem absteigenden Ast. Früher habe ich mich nur darüber lustig gemacht, wenn eBay-Händler über eine Preiserhöhung stöhnten und mit Boykott oder dem Wechsel zu anderen Anbietern drohten: Da kam nur heiße Luft. Diesmal wird das anders: Immer mehr Onlinehändler setzen auf ein Leben ohne eBay.
Natürlich wird der Großkonzern eBay nicht von einem Tag auf den anderen vor die Wand fahren. Vermutlich machen die auch weiter Gewinne - wenn auch etwas kleinere. Und in absehbarer Zeit wird eBay mit Abstand Marktführer in Deutschland bleiben. Aber eBay wird sich erstmals auch in Deutschland an einen sinkenden Marktanteil gewöhnen müssen. Das ist die Chance für Hood & Co!
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