Im Zuge der aktuellen Unwetter stellt sich immer dieselbe Frage – wie geht es weiter?
Nachdem der Schlamm und die Schäden beseitigt sind, kommen die Fragen, an die Betroffene im ersten Moment nicht denken. Ein Aspekt sind Folgen für das berufliche Standbein bis hin zum Gesamtverlust des beruflichen Standbeins. Folgend wollen wir die Lage von Online-Händlern näher betrachten.
Was kann dem Online-Händler im Rahmen derartiger Naturkatastrophen verloren gehen? Neben dem Inventar und den Lagerbeständen können die notwendigen Zoll und umsatzsteuerliche Dokumente Buchführungsunterlagen unwiderruflich verloren gehen.
Inventar und Lagerbestand können bei Totalverlust steuerlich gewinnmindernd abgeschrieben werden.
Besonders schwerwiegend kann der Verlust von Dokumenten aus umsatzsteuerlicher oder Zollsicht sein. Wie immer ist in diesem Fall Eile und Dokumentation geboten. Nach einer Bestandsaufnahme, was an Dokumenten verloren gegangen ist, sollte man sich zeitnah an den Rechnungs- oder Dokumentenaussteller wenden, um eine Kopie oder Zweitschrift zu bekommen.
Was geschieht jedoch mit der Buchführung; fehlende Buchhaltungsunterlagen führen in Betriebsprüfungen regelmäßig zu Schätzungen, diese fallen in der Regel eher Zugunsten der Finanzbehörden aus. Um Problemen entgegenzuwirken wollen wir Betroffenen einige Hinweise an die Hand geben, um die Folgen auf dieser Ebene möglichst gering zu halten.
Eine gute Nachricht vorab, die Oberfinanzdirektion NRW hat mit Schreiben vom 16.07.2021 (AZ. 1915 – 6/48 – V A 3) zur Abmilderung unbilliger Härten veröffentlicht, dass aus dem unwetterbedingten Verlust der Buchführungsunterlagen den Steuerpflichtigen keine steuerlichen Nachteile entstehen sollen. In den meisten Fällen ist dies auch “weit” auszulegen, dies haben auch Unwetter in den vergangenen Jahren bereits gezeigt. Onlinehändler haben in diesem Punkt auch einen Vorteil, da sie ausnahmslos elektronische Aufzeichnungsgeräte benutzen, bei denen entweder alle Bewegungsdaten oder zumindest Anfangs- und Enddaten gegeben sind (Bankbestände, PayPal Bestände, Kreditkartenbestände und so weiter). Somit lässt sich zumindest die Buchhaltung „rückwärts“ aufbereiten und nachvollziehen.
Noch einmal zurück zum Schreiben in der Oberfinanzdirektion: Dazu sollen Betroffene schnell reagieren. Neben der Kontaktaufnahme zum Steuerberater und dem Finanzamt, sollten die Schäden dokumentiert werden und die Verluste nach Möglichkeit direkt benannt werden. Unter Umständen können beschädigte Unterlagen von Spezialisten gerettet werden, hierzu kann man sich u. an die örtlichen IHK´s wenden.
Um dem Totalverlust der Buchführungsunterlagen zu entgehen, erkennen Finanzämter in der Regel auch Rechnungskopien und Zweitschriften sowie Eigenbelege an. Diese sollten jedoch zeitnah besorgt werden.
Um für einen ähnlichen Fall gerüstet zu sein, empfiehlt sich die Digitalisierung der Buchführung.
In Fällen von höherer Gewalt, gibt es die Rücklage für Ersatzbeschaffung (R 6.6 EStR) um den Ersatz von Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens zu erleichtern. Um über den Buchwert liegende Kompensationen von Versicherungen nicht noch ertragsteuerlich berücksichtigen zu müssen, kann eine Gewinnrealisierung durch Aufdeckung stiller Reserven vermieden werden, wenn ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen eine Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft wird (BFH, Urteil v. 29.4.1999, IV R 7/98, BStBl 1999 II S. 488).
Voraussetzungen dafür ist neben den bereits erwähnten Punkten des Ausscheidens aufgrund höherer Gewalt, die fristgerechte Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts und das Führen eines besonderen laufenden Verzeichnisses. Die Frist beträgt eigentlich ein Jahr, kann im Einzelfall angemessen auf bis zu vier Jahre verlängert werden. Dazu muss der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass die Ersatzbeschaffung noch ernstlich geplant und zu erwarten ist, aber aus besonderen Gründen noch nicht durchgeführt werden konnte. Zur Verdeutlichung ein kleines Beispiel:
Der im Betriebsvermögen befindliche PKW mit einem Buchwert von 10.000 € wird im Zuge höherer Gewalt zerstört. Die Versicherung erstattet einen Zeitwert von 20.000 €. Um die 10.000 € stillen Reserven, Differenz zum Buchwert, nicht versteuern zu müssen, können diese auf die Anschaffung des Ersatzwirtschaftsgutes übertragen werden. Im Zuge dessen reduziert sich jedoch die Abschreibung für Abnutzung.
Abschließend noch eine Info, wie Sachspenden steuerlich zu behandeln sind.
Bei unentgeltlich Zuwendungen im Zeitraum vom 15.07. – 31.10.2021 aus einem Unternehmen, wird auf eine Besteuerung als Entnahme im Sinne des § 3 Abs. 1b UStG verzichtet, wenn es sich bei den Entnahmen um
- Lebensmittel, Tierfutter
- für den täglichen Bedarf notwendige Güter (insbesondere Hygieneartikel, Reinigungsmittel, Kleidung, Geschirr oder medizinische Produkte)
- zur unmittelbaren Bewältigung des Unwetterereignisses sachdienliche Wirtschaftsgüter (z.B. Pumpen, Werkzeug, Maschinen, usw.)
handelt und diese selbstredend unmittelbar von der Flutkatastrophe Betroffenen zugutekommen.
Sollten Unternehmer zum Zwecke der unentgeltlichen Weitergabe an Menschen in den betroffenen Gebieten derartige Waren kaufen, wird aus Billigkeitsgründen unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug gewährt.
Kurz zusammengefasst; Betroffene sollten sämtliche für die Buchhaltung und Steuern relevante Verluste an Aufzeichnungen und Dokumenten zeitnah dokumentieren und den Kontakt zu den Ausstellenden sowie dem Steuerberater und den zuständigen Behörden suchen. Dieses Vorgehen erhöht die Chancen in den Genuss der Auswirkungen des oben zitierten Schreibens der Oberfinanzdirektion zu kommen und negative Steuerfolgen zu verhindern.