Was passiert eigentlich mit uns Onlinehändlern, wenn wir keine Ware mehr nachordern und produzieren können? Was geschieht mit unseren Unternehmen, wenn wir die Ware durch Unterbrechungen der Lieferketten nicht mehr zu unseren Kunden bringen?
Es ist allen klar, die aktuelle Corona-Krise wird unsere Wirtschaft zutiefst erschüttern. Selbst solide aufgestellte Unternehmen sind nicht davor gefeit, in finanzielle Nöte zu geraten. Mit einen nahezu kompletten Shutdown musste nicht gerechnet werden. Das findet sich so in keinem BWL-Lehrbuch. Zumindest bisher nicht.
Wenn es aus medizinischer Sicht notwendig ist, dass wir uns isolieren, dann hat dies höchste Priorität und Vorrang.
Wichtig ist, dass wir gesund bleiben. Für alles andere gibt es eine Lösung.
Jedoch, ohne staatliche Entgegenkommen und Hilfen geht es nicht.
Gerne wird in der Presse jetzt schon kolportiert, dass die Onlinehändler die Gewinnern dieser Krise sind. Erste Postings wabern durch die sozialen Netzwerke, man solle nicht bei Onlinehändlern kaufen, da diese nun unendlich viel Geld verdienen, aber dieses besser beim lokalen Handel nach der Krise ausgegeben werden soll.
Unsinniges Gerede und überflüssige Stimmungsmache. Das Problem daran ist, viele Entscheider in der Politik sind für solche simplen tendenziösen Stimmen empfänglich. Gerade in Situationen der kompletten Reizüberflutung dringen die einfachsten Botschaften am besten durch. Wahrheiten sind meist komplexer.
Dass Taxifahrer, Airlines, Restaurants, Hotels und viele weitere Teile der Wirtschaft Hilfe benötigen, das ist nicht so schwer zu verstehen. Aber Onlinehändler? Wieso sollten Onlinehändler nun auch Hilfe benötigen, wo diese doch weiterhin ihrer Arbeit ohne Publikumsverkehr nachgehen können und die Kunden untätig zu Hause sitzend, vermehrt die Onlineshops stürmen.
Gerne wird dabei verkannt, dass die potentiellen Kunden nun weit größere Sorgen haben, als nach einer neuen Jeans oder Thermoskanne zu schauen. Wie sicher ist der Arbeitsplatz, reicht das durch Kurzarbeit reduzierte Einkommen für die laufenden Kosten und was ist mit der bereits geleisteten Anzahlung für den Sommerurlaub? Wer jetzt davon ausgeht, dass die Nation voller Frohsinn über eine Art Zusatzurlaub in Kaufrausch gerät, der ist entweder verblendet oder hat eine bestimmte Meinungsmache im Sinn.
Auch wird übersehen, dass Onlinehändler keine Gelddruckmaschine im Lager stehen haben, sondern Ware. Ware, die entwickelt, produziert und vorfinanziert werden muss. In Hallen, die nicht vom Himmel gefallen sind, sondern mit meist von Banken geliehenem Geld gebaut wurden. Bewirtschaftet von Personal, welches jeden Monat eine Entlohnung auf dem Konto erwarten darf. In einem Land, welches zurecht allerlei Abgaben und Steuern erhebt. Auch Produktpräsentation, Werbung, Logistik und Kundenservice sind für Onlienhändler nicht gratis, sondern gewaltige Kostenblöcke.
Kurzum, auch Onlinehändler sind in der Corona-Krise der enorm großen Gefahr ausgesetzt, das Unternehmen zu verlieren und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit zu entlassen.
Der Onlinehandel darf bei den nun anstehenden Hilfen nicht übersehen und übergangen werden!
Deshalb müssen die verantwortlichen Politiker über die Situation der Branche informiert werden.
Besonders zwei Fragen sind von Interesse:
– Wie viele Online-Unternehmer haben Angst, dass die Krise ihr Unternehmen in den Abgrund reißt
– Wie lange halten diese Unternehmen finanziell durch, wenn die Lieferketten reißen und vorübergehend keine neue Ware kommt und / oder die Kunden nicht beliefert werden können
Am Mittwoch, den 11. März 2020 habe ich dazu eine Umfrage erstellt und diese auf Facebook kommuniziert. Bereits nach zehn Minuten war die erwartete Gesamtzahl an 100 Teilnehmern überschritten.
Dies zeigt, das Thema ist für uns Onlinehändler von extremer Bedeutung. Vor allem die sich daraus ergebenden Handlungsaufforderungen an den Staat, die Politik und auch die Kreditinstitute. Denn in welche Richtung die Umfrageergebnisse gehen werden, darüber bestand wohl kein Zweifel. Wie drastisch sie dann aber tatsächlich ausfallen, das konnte so in dieser Form nicht erwartet werden.
Insgesamt nahmen von Mittwochabend bis Sonntagvormittag 573 Onlineunternehmer an der Umfrage teil.
Die Verteilung der an der Umfrage beteiligten Unternehmensgrößen:
573 Unternehmer haben teilgenommen. Davon sind 13,3% Einzelkämpfer, 16,9% haben bis zu 5 Mitarbeiter, 26,4% 6-10 Mitarbeiter, 24,7% 11-25 Mitarbeiter, 10,8% 26-50 Mitarbeiter und 6,6% bis zu 100 Mitarbeiter. 1,3% aller Teilnehmer haben über 100 Mitarbeiter.
Diese Größenverteilung trifft die typischen Unternehmensgrößen im deutschen Onlinehandel sehr gut. Einzelkämpfer und Betriebe mit bis zu 25 Mitarbeitern machen in dieser Umfrage mit über 80% den Großteil aus. Das spiegelt meiner über 20 jährigen Erfahrung in der Digitalbranche und der tiefgreifenden Vernetzung in der Händlerszene nach, sehr gut die Realität der Branche wieder.
Zum Thema Angst:
Der Prozentsatz der Unternehmer, die Angst um ihr Unternehmen haben, lag zu Beginn der Umfrage am Mittwochabend bei 28,3%. Am Donnerstag bei 32%.
Ab Freitag mittag, als klar wurde, dass wir immer mehr auf einen Shutdown zulaufen, stieg der Prozentsatz auf 45,7% an.
Zum Ende der Umfrage am Sonntagmittag waren es dann mit 52,1% mehr als die Hälfte der Unternehmer.
Interessant ist, dass diese Angst nicht von der Unternehmensgröße abhängig ist. Ob Einzelkämpfer oder Unternehmer mit vielen Mitarbeitern, die Angst um den Fortbestand des eigenen Unternehmens war über alle Betriebsgrößen hinweg ohne Ausreißer in etwa gleich groß.
Dies liegt sicher auch daran, dass die Liquidität bei den Unternehmensgrößen sehr gleichmäßig verteilt ist.
Für die Frage, ob auch Onlinehändler in Gefahr geraten, Hilfsprogramme in Anspruch nehmen zu müssen, ist die Information wichtig, wie lange sie ohne Umsatz überleben. Daraus lässt sich anhand der aktuellen und kommenden Zahlen über Umsatzeinbußen ableiten, wie schnell und zu welchem Zeitpunkt Hilfspakete verfügbar sein müssen.
Viele Händler machen einen unternehmerisch wunderbaren Job. Jedoch, das schnelles Wachstum und viele neue Produkte, das muss alles vorfinanziert werden. Dazu der Aufbau von Infrastruktur, Personal und Marketing. Wie steht es also um die finanzielle Ausdauer?
Um eine höchstmögliche Ehrlichkeit in den Angaben höchst diskreter Daten zu erhalten, wurde die Umfrage anonym durchgeführt.
21,3 % der Unternehmen halten nur 1 Monat ohne wesentliche Einnahmen durch,
24,4 % bis zu 2 Monaten,
24,9 % bis zu 3 Monaten,
16,9 % bis zu einem halbe Jahr,
9,1 % bis zu einem Jahr und
3,4 % länger als ein Jahr.
Das bedeutet, dass fast 50%, fast jeder 2. Onlinehändler bereits nach lediglich zwei Monaten Gefahr läuft, den Betrieb einstellen zu müssen!
Mit über 70%, halten mehr als zwei Drittel aller befragten Onlinehändlern nicht länger als drei Monate durch.
Diese Ergebnisse machen noch einmal in aller Brisanz deutlich, dass auch Onlinehändler nicht unverwundbar sind und in den Hilfspaketen für die Wirtschaft berücksichtigt werden müssen.
Über den Autor
Andreas Frank ist Werbekaufmann, Marketing- & Kommunikationswirt und studierte Wirtschaftsrecht.
Als selbständiger Unternehmer und Marketingexperte hat er in den letzten 20 Jahren mehrere hundert Firmen auf dem Wege ihrer Digitalisierung beraten – vom Freiberufler über KMU, bis hin zu börsennotierten Großunternehmen.
Aktuell arbeitet Andreas Frank unter anderem am Aufbau einer europaweiten Plattform für Onlinehändler, Steuerberater und Toolanbieter.
Ich könnte auch so argumentieren, dass nun genau die Händler staatlich unterstützt werden sollen, die mir das Leben schwer machen, weil sie mit Dumping-Preisen unterwegs sind und nicht nachhaltig wirtschaften. Tut mir leid, ein Unternehmen, dass nicht einmal in der Lage ist, bei Störungen drei Monate zu überleben, macht einiges falsch.
Wir wollen unternehmerische Freiheit und rufen bei jeder Gelegenheit nach dem Staat. Wenn wir das wollen, sollten wir hier das Experiment mit der sozialen Marktwirtschaft möglich schnell zu den Akten legen und den Sozialismus einführen. Aber dann bitte keine Beschwerden, wenn dann Klopapier tatsächlich knapp wird.
Persönlich tut mir natürlich jedes Unternehmen leid, dass nun in Schieflage gerät. Mit ist auch klar, dass dahinter Menschen und Familien hängen, die ernährt werden müssen.
Besser kann man es nicht darstellen. Es wird leider zu häufig gerade mal auf Sicht gefahren.
Allerdings dazu ein Gedanke, den wir zuhause bei einer Diskussion, die in etwa diese Richtung ging, hatten: das Thema Reserven bilden, das man allgemein Sparen nennen könnte, ist durch diverse politisch motivierte ktionen z.B. der EZB doch etwas ins Hintertreffen gekommen. Und zu Zeiten der Lehmannkrise sind Firmen am Leben erhalten worden, die auch ohne diese Krise Proboleme hatten. Ich erinnere mich noch gut: wir waren auf einer Messe, sind nachts gefahren nd die Beträge, die die berühmte Hypo Real Estate benötigte, sind fast stündlich um einige Mrd. gestiegen. Und die haben das bekommen. Dem Chef ist auch nichts passiert.
So wirklich motivieren in Richtung Sparen ist das alles nicht.
Aber vielleicht hilft es wirklich mal, diejenigen zur Vernunft zu bringen, die nur meinen, der Preis sei das einige Kaufargumenet und oftmals ohne Not die Preise runterprügeln.
Naja, wenn man auf Wachstumskurs für sein Unternehmen ist, kann ich gut verstehen, dass Sparen nicht wirklich realistisch ist. Darüber hinaus gibt es zahlreiche (bekannte und unbekannte) Beispiele von Aufträgen / Projekten, die gestartet und später storniert werden und deswegen unbezahlt bleiben, obwohl ein Teil der Arbeit / Leistung schon erbracht wurde…. Niemand ist perfekt und “Expert” nennen sich mehr als viele in jeder Branche. Aber für Klein- oder Mittelunternehmen (bis zu 100 Mitarbeiter) Liquiditäten für mehr als 3 Monate zu schaffen, ist m. M. n. wenigstens nicht üblich (wenn auch nicht wirklich realistisch)….