Unter der Annahme, dass alle Drittlandhändler ordnungsgemäß Zölle und Einfuhrumsatzsteuern entrichten und nur konforme Produkte versenden, sollten diese Verkäufer mit uns europäischen Verkäufern in einem fairen Umfeld Handel treiben. Das sollte so sein, ist es aber nicht. Es gibt das Widerrufsrecht und das verschafft allen Drittlandhändlern einen unfairen Wettbewerbsvorteil von bis zu 45%. Verbraucher werden daran gehindert ihre Gewährleistungsrechte wahrzunehmen.
Eine echte Herausforderung für Verbraucher
Grundsätzlich ist der Widerruf in Europa gut geregelt, aber es gibt Ausnahmen für Drittlandhändler. Darunter leidet der Verbraucher. Denn sein Widerrufsrecht wird ihm faktisch unmöglich gemacht. Welcher Käufer schickt schon sein 20 Euro teures Produkt für 30 Euro nach China zurück? Für den Verbraucher bedeutet der Kauf bei Händlern aus Drittländern den totalen Verlust seiner Verbraucherrechte.
Europäische Händler können nicht mithalten
Während europäische Händler je nach Vertical mit Retourenquoten von bis zu 45% zu kämpfen haben, machen es sich chinesische Händler einfach. Sie geben gesetzeskonform eine chinesische Rücksendeadresse an und sind damit völlig legal aus dem Schneider. Kaum ein Konsument schickt seine Retoure ins Reich der Mitte. Europäische Händler können da nicht mithalten.
Was bedeutet das in Geld?
Geht man konservativ von einem E-Commerce-Handelsvolumen in Deutschland von 60 Milliarden Euro und einer durchschnittlichen Retourenquote von 9 Prozent aus, werden Waren im Wert von 5,4 Milliarden Euro zurückgeschickt.
Dies entspricht nach Forschungsergebnissen der Universität Bamberg sehr konservativ gerundet ca. 400 Mio. Retouren. Bei Kosten von 6 Euro pro Retoure wären das also Kosten für den europäischen Handel von mindestens 2,4 Milliarden Euro.
Nehmen wir nun an, dass Händler aus Drittländern einen Anteil von 25% am gesamten deutschen Onlinehandel haben, dann werden diese um rund 576 Mio. Euro entlastet.
Gewährleistung & Garantie, was ist damit?
Eine einfache Frage: Wer hat schon einmal eine Garantie in einem Drittland geltend gemacht und was ist dann passiert? Der Verkäufer verlangte die Rücksendung der Ware in sein Heimatland. Aber wer macht das? Selbst bei offensichtlichen Fehlern des Händlers, wie z.B. Falschlieferung, ist es kaum möglich, sein Gewährleistungsrecht durchzusetzen.
Bei einer angenommenen Garantierate von 3% entspricht das unter den oben genannten Daten auch 450 Millionen Euro Entlastung.
So kann der chinesische Händler kalkulieren
Während europäische Händler ca. 9 % Retouren und ca. 3 % Gewährleistung in ihre Preiskalkulation einbeziehen müssen, entfallen diese Zahlen komplett. Dieser Kalkulationsvorteil ist für europäische Händler nicht kompensierbar.
Fazit: In der Gemengelage, dass natürlich nicht alle Importe ordnungsgemäß verzollt werden, dass auch nicht alle Einfuhrumsatzsteuern vollständig abgeführt werden und dass die Produkte häufig nicht konform sind, bedeutet dies in der Summe Handelsvorteile, die niemals einen fairen Wettbewerb schaffen.
Was muss sich ändern?
Die Verbraucher müssen ihre gesetzlich verbrieften Rechte wahrnehmen können und es muss ein faires Umfeld für den europäischen Wettbewerb geschaffen werden. Dazu müssen diese Aspekte diskutiert werden:
- Eine europäische Rücksendeadresse muss für alle Händler verpflichtend werden.
- Ein gesetzlicher Vertreter, bei dem Verbraucher ihre Gewährleistungsrechte wahrnehmen können, muss verpflichtend werden.
- Regelungen müssen einfach durchsetzbar sein, z.B. durch Plattformhaftung und/oder Sperrung der Shop-URL
- Leistungsfähige Institution, die die Überwachungsaufgaben übernimmt
Nicht die Verbraucher als ahnungslose Opfer abtun! Ich denke diese Problematik ist den meisten Käufern bewusst. China-Plattformen gibt’s ja nicht erst seit gestern. Deswegen bestellt man direkt in China ja auch nur im unteren Preissegment, wo ein “Reinfall” zur Not vertretbar ist. Es ist eine Abwägung zwischen Verlustrisiko und günstigem Preis, wobei diese Rechnung in den meisten Fällen offenbar aufgeht – sonst wären Temu & Co nicht so erfolgreich. Und höherpreisige Chinaware kann man auch von deutsche Resellern wie z. B. Vevor kaufen. Dann hat man für einen geringen Aufpreis auch die Rücksendemöglichkeit.
Die Aussage “Kosten für Gewährleistung und Retouren entfallen komplett” ist so pauschal auch nicht richtig. Bei beschädigten / defekten Waren werden die Kosten in den meisten Fällen vom Händler erstattet. Das regelt die Plattform über ihre Treuhand Funktion. Denn die hat ein Interesse an einem “positiven Einkaufserlebnis” so wie die Händler ein Interesse an guten Bewertungen haben. Ich habe nach mehreren tausend Bestellungen in den letzten 10 Jahren fast ausschließlich gute Erfahrungen gemacht.
Entfallen tut aus meiner Sicht lediglich die Möglichkeit “ich sende es zurück weil es mir nicht gefällt”. Da ist man dann schon selber schuld.
Ich halte es praktisch für einen Bluff, wenn Händler die Rücksendung von Retouren nach China verlangen, zumal die Chinesen dann die Einfuhrabwicklung in China am Hals haben. Das liegt nicht in ihrem Interesse.
Wenn Rückversand nach China gefordert wird, ist die Rolle der T-Plattform hochproblematisch, schließlich hat die Plattform das Geschäft vermittelt.
Allgemein besteht ein unfairer Wettbewerb zwischen Händlern auf der T-Plattform und Händlern, die über andere Plattformen verkaufen. Dieser unfaire Wettbewerb geht auch zu Lasten von chinesischen Händlern, die zum Beispiel auf der A-Plattform verkaufen und akribisch alle rechtlichen Vorgaben und die AGB von Amazon einhalten müssen. Auf meiner letzten China Reise im November haben mich mehrere Händler in Shenzhen auf dieses Problem angesprochen.
Jörg, du brauchst nur einmal die Widerrufsbelehrungen zu analysieren. Die meisten China-Händler verlangen den Versand nach CN. Und wg. der Kosten senden viele Verbraucher nicht zurück.