Englisch als Allerweltsprache bietet sich an, wenn man außerhalb des deutschsprachigen Raums expandieren will. UK gehört zu den etablierten E-Commerce Märkten in der EU. Die Besonderheiten des Inselstaates und nun auch die Unsicherheiten, die der Brexit mit sich bringt, erleichtern den Markteintritt derzeit zwar nicht, dennoch lohnt es sich eine genaue Abwägung vorzunehmen.
Daten und Fakten
Der E-Commerce Markt in UK gehört zu den größten in Europa. 71,2 Millarde Euro macht der E-Commerce Marktwert in Deutschland aus, in UK sind es 143,9 Millarden. Bei einer Bevölkerungsanzahl von fast 65 Millionen Einwohnern, zählen 41 Millionen zu Online-Shoppern. Dies bietet viel Potenzial, aber auch starke Konkurrenz.
Anspruchsvolle Zielgruppe
Englische Verbraucher kennen sich aus, was das Online-Shopping betrifft. Entsprechend hoch sind ihre Erwartungen an den Service eines Online-Shops. „Next day delivery“ gehört bei vielen größeren Shops bereits zum Standard. Immer mehr wird die schnelle und verlässliche Lieferung ein Merkmal der Differenzierung. Für solche Zusatzleistungen sind Verbraucher auch bereit zu zahlen. Freundlichkeit wird überall auf der Welt groß geschrieben, wenn es um den Kundenservice geht. Die „Englische Art“ sollte dabei beachtet werden. Gerade hierzulande tendieren wir schnell dazu, uns auf Regeln und Vorschriften zu berufen und ein „nein“ geradewegs heraus zu kommunizieren. Das kommt bei Engländern nicht so gut an. Hier ist mehr Feingefühl gefragt- auch ein „Nein, es geht nicht.“ sollte nett verpackt werden.
Wichtig ist es, nur das zu versprechen, was gehalten werden kann. Unzufriedenheit aufgrund falsche Versprechen wird schnell mittels schlechter Bewertungen bestraft. Gerade für ausländische Shops erschweren schlechte Bewertungen das Wachstum, da sie anderen Kunden vom Kauf abhalten.
Was wird am meisten online gekauft?
Betrachtet man die verschiedenen Kategorien, die online verkauft werden, so lässt sich feststellen, dass die Mode-und Bekleidungsindustrie an erster Stelle steht, gefolgt von Elektronik, der Reiseindustrie und der Schönheits-und Gesundheitsbranche.
Kreditkarte ist unerlässlich
Die beliebteste Zahlungsart ist die Kreditkartenzahlung, gefolgt von Zahlung per Debitkarte und PayPal. Anders als in Deutschland ist daher ein vielfältiges Angebot an Zahlungsarten im Online-Shop nicht erforderlich. Wichtig ist aber, die gängigsten Zahlungsarten anzubieten.
Wie in Deutschland, wird ab 13. Januar 2018 ein Verbot von Zahlartgebühren für die Nutzung von Kredit- und Debitkarten, sowie andere Online Direktzahlarten in UK gelten.
Marktplatz oder Shop?
Der Einstieg über Marktplätze, insbesondere Amazon bietet sich an. Langfristigen Erfolg wird jedoch ein „echter UK Shop“ finden. Wer also richtig Fuß auf dem englischen E-Commerce Markt fassen will, sollte sich die Mühe machen, einen landespezifischen Shop aufzusetzen.
Unterschiedliche Rechtssysteme
Das Rechtssystem in UK unterscheidet sich von dem in Deutschland und so auch die Rechtsdurchsetzung. Im E-Commerce kommt in UK Gerichten eine untergeordnete Rolle zu, weil so gut wie keine Fälle vor Gericht kommen. Grundsätzlich handelt es sich bei dem britischen Rechtssystem jedoch um ein common law System, d.h. es gibt wenig kodifiziertes Recht, vielmehr baut das System auf gerichtlichen Präzedenzentscheidungen.
Gerade die für den E-Commerce relevanten Rechtsvorschriften basieren jedoch auch in UK auf EU Richtlinien und Verordnungen. In vielen Aspekten ähneln die Vorschriften daher denen in Deutschland oder sind vollharmonisiert, wie etwa hinsichtlich des Widerrufsrechts oder den harmonisierten Informationspflichten. Als grobe Leitlinie lässt sich jedoch sagen, dass die rechtlichen Anforderungen in Deutschland recht hoch sind, weshalb es für deutsche Händler in Sachen Rechtskonformität in UK einfacher ist, weil sie die Vorgaben meist übererfüllen. So zum Beispiel im Hinblick auf die Preisangaben. Der Hinweis auf zusätzliche Versandkosten und die enthaltene Mehrwertsteuer muss in Deutschland direkt am Preis platziert sein, in UK hingegen reicht ein solcher Hinweis in den AGB. Für beide Länder gilt jedoch, dass die Versandkosten auf der Bestellseite in den zu zahlenden Gesamtpreis eingerechnet werden müssen.
„Spirit of the Law“
Bestimmte Behörden spielen eine wichtige Rolle in UK. Die Datenschutzbehörde ICO oder die Wettbewerbsbehörde CMA sind wichtige Orientierungspunkte, wenn es um die Auslegen von Gesetzen geht. Zu ihren Fachgebieten veröffentlichen Sie Leitlinien, die allgemein als „soft law“ gelten und quasi verbindlichen Charakter haben. Diese Behörden greifen zwar in den Markt ein, verfolgen dabei aber mehr einen erzieherischen Ansatz als einen bestrafenden. Abmahnung wie in Deutschland gibt es nicht. Deutsche Händler, die es gewohnt sind, sich streng an den Gesetzeswortlaut zu halten, werden es einfacher in UK haben. „The spirit of the law“ ist dort Devise und steht über dem Wortlaut des Gesetzes.
Die richtige Lokalisierung
Investieren Sie in Website Texte, die wirklich Englisch sind! Die geringe Sprachbarriere macht die Kommunikation mit Kunden einfacher. Wenn Sie sich für einen lokalisierten Shop entscheiden, sollten Sie in jeden Fall darauf achten, dass Ihre Website Engländer anspricht. Dafür ist wichtig, dass die Texte auf Englisch, wie es vor Ort gesprochen wird, und entsprechend dem Wortgebrauch der Zielgruppe verfasst sind.
AGB sind besonders wichtig
Den AGB kommt ein besonderer Stellenwert zu, da es in UK üblich ist, alle relevanten Dinge in den AGB zu regeln. Bedingt dadurch haben die AGB klassisch einen anderen Aufbau. Sie beginnen üblicherweise mit Definition, die im Streitfall besonders wichtig sind, weil Sie zur Auslegung des Vertrags maßgeblich beitragen. Anders als in Deutschland, werden in UK Online Shops wenige unterschiedliche Informationsseiten verwendet. Alles zentriert sich in den AGB.
Fazit
Die Dynamik des Markts sowie die stetige Neugier auf Neues macht UK zu einem Markt, auf dem Sie sich gut von der Konkurrenz abheben können, wenn Sie innovative und außergewöhnliche Produkte anbieten. Anbieter von Nischenprodukten werden es wahrscheinlich einfacher haben, als allgemeine „Kaufhaus-Shops“.
Über die Autorin
Naveen Aricatt
Legal Expert UK der Trusted Shops GmbH und in dieser Funktion verantwortlich für das britische Recht. Sie studierte International Business Law and Business Management an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Seit 2009 ist sie für Trusted Shops tätig -zunächst als Auditorin für Deutschland, dann auch für Frankreich und Großbritannien. 2013 absolvierte sie einen Master in Law an der Queen Mary University of London. Sie ist Autorin des englischen Trusted Shops handbook for online retailers und schreibt regelmäßig rechtliche Beiträge für den Trusted Shops UK Blog, sowie Fachartikel zum E-Commerce-Recht in Großbritannien.
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