Nach der Insolvenz: Heise übernimmt Mindfactory – ein Paukenschlag mit Risiken

Es ist ein Deal, der die deutsche Tech- und Medienlandschaft gleichermaßen aufhorchen lässt: Das Medienhaus Heise will den insolventen Hardware-Händler Mindfactory übernehmen. Der Vertrag ist bereits unterzeichnet, es fehlt nur noch die Zustimmung des Bundeskartellamts. Damit wechselt einer der größten deutschen Online-Shops für PC-Komponenten den Besitzer. Und mit ihm verschwindet auch ein Stück Unabhängigkeit im IT-Journalismus.


Die Fakten: Insolvenz, Asset-Deal, Weiterbetrieb

Mindfactory hatte Anfang 2025 Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Es war von plötzlichen Millionenforderungen durch angebliche steuerliche Unregelmäßigkeiten die Rede. Die Zahlungsunfähigkeit kam unerwartet, der Markt spekulierte wild. In den Monaten danach beruhigte sich die Lage sichtbar: Lieferengpässe verschwanden, das Sortiment wuchs wieder. Neue CPUs und GPUs sind gelistet, Preisvergleiche listen Mindfactory wieder ganz oben.

Am 30. Juni 2025 erfolgte die Unterzeichnung eines sogenannten Asset-Deals: Heise übernimmt den Geschäftsbetrieb inklusive Standort Wilhelmshaven, Mitarbeiter und Kundenverbindungen. Die bekannten Handelskanäle sollen bestehen bleiben.


Ein Medienhaus wird zum Hardware-Händler

Heise ist bislang bekannt für Medienmarken wie c’t, heise online, t3n oder Technology Review. Die Redaktion genießt große Glaubwürdigkeit – vor allem wegen ihrer journalistischen Unabhängigkeit und kritischen Produkttests. Mit dem Einstieg in den Hardwarehandel stellt sich die Frage: Wie objektiv kann Heise in Zukunft noch sein?

Offiziell bleibt die Redaktion von der Handelsaktivität getrennt. Geschäftsführer Ansgar Heise betont, dass man die “Unabhängigkeit der Redaktionen” wahre. Doch die Erfahrung zeigt: Voraus eilender Gehorsam ist real. Wenn ein Medienhaus ein wirtschaftliches Interesse an bestimmten Produkten hat, werden kritische Berichte unwahrscheinlicher.


Die Glaubwürdigkeitsfalle

Das Beispiel Amazon zeigt, wohin so etwas führen kann: Nachdem Jeff Bezos die Washington Post kaufte, wurde bekannt, dass regierungskritische Artikel, insbesondere zu Trump, unterdrückt oder abgeschwächt wurden, weil Amazon wirtschaftlich unter Druck stand. Auch wenn Heise betont, dass die redaktionelle Unabhängigkeit gewahrt bleibe, der Interessenkonflikt bleibt bestehen.

Denn: Wird c’t noch einen klar negativen Test über eine Grafikkarte veröffentlichen, die Mindfactory aktuell bewirbt? Wird heise online noch über Probleme bei Rücksendungen oder Beschwerden berichten, wenn der eigene Konzern betroffen ist? Selbst ohne direkte Einflussnahme entsteht ein Klima der Zurückhaltung – aus Loyalität, aus Druck oder aus Angst, die neue “Konzerneinheit” zu schädigen.


Wirtschaftlich clever, journalistisch fragwürdig

Natürlich ist der Schritt wirtschaftlich klug: Mindfactory bringt Reichweite, Stammkundschaft und Logistikstruktur. Für Heise bedeutet die Übernahme einen neuen Umsatzpfeiler. In Zeiten von Anzeigenkrisen und sinkenden Printauflagen ist Diversifizierung nachvollziehbar.

Aber: Journalismus lebt von Vertrauen. Und Vertrauen basiert auf kritischer Distanz. Wer auf beiden Seiten des Marktes steht, verliert an Glaubwürdigkeit. Selbst wenn redaktionelle Trennung intern funktioniert – in der Außenwirkung leidet das journalistische Profil.


Die Perspektive der Branche

Für die E-Commerce-Welt bedeutet der Deal ein interessantes Experiment. Wird Heise sich als fairer Händler etablieren? Werden ehemalige Wettbewerber von c’t jetzt weniger wohlwollend behandelt? Oder öffnet Heise den Weg für eine neue Art von technikorientiertem Direktvertrieb?

Was sicher ist: Die Branche wird hinschauen. Und auch die Leser. Denn gerade technikaffine Zielgruppen erkennen Interessenskonflikte schnell. Für Heise wird es ein Balanceakt – zwischen journalistischer Integrität und kommerziellen Interessen. Und das wird nicht gelingen.


Fazit: Ein mutiger Schritt mit einem übelst schalen Beigeschmack

Mit der Übernahme von Mindfactory verlässt Heise das reine Mediengeschäft. Das mag betriebswirtschaftlich sinnvoll sein – journalistisch ist es ein Fail. Denn ein Medium kann nicht glaubwürdig über das berichten, was es gleichzeitig verkauft. Genau diese Trennung braucht es aber in Zeiten von Fake Reviews, Influencer-Marketing und Plattform-Gleichgültigkeit.

Heise sollte deshalb nicht nur die Unabhängigkeit der Redaktion betonen, sondern sie auch institutionell absichern: mit einem Ombudsgremium, mit interner Compliance, mit maximaler Transparenz. Sonst ist die Übernahme von Mindfactory nicht nur ein strategischer Schachzug – sondern auch ein Verlust für den unabhängigen Tech-Journalismus in Deutschland und ein erster Sargnagel.

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