getgoods.de-Gründer nach über 10 Jahren verurteilt: Betrug in Frankfurt (Oder)

Das Urteil im Getgoods-Prozess: Zwei Jahre auf Bewährung für Markus R.

Zwölf Jahre nach der spektakulären Insolvenz der getgoods.de AG wurde am 17. Juli 2025 am Landgericht Frankfurt (Oder) ein Urteil in dieser Causa gesprochen. Der ehemalige CEO und Gründer des E-Commerce-Unternehmens, Markus Rockstädt-Mies, wurde wegen Betrugs in zwei Fällen sowie wegen Untreue mit Bankrott in 63 Fällen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Darüber hinaus muss er 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und 90 Prozent der Kosten des jahrelangen Prozesses tragen.

Ein großer Schaden für die Volkswirtschaft

In der Urteilsbegründung zeichnete der Vorsitzende Richter Dr. Björn Jesse ein vernichtendes Bild: Markus Rockstädt-Mies habe die dramatische finanzielle Lage seines Unternehmens über Jahre hinweg systematisch verschleiert. Bereits 2012 sei die getgoods.de AG zahlungsunfähig gewesen. Statt Insolvenz anzumelden, beschaffte sich Rockstädt-Mies weiterhin Kapital von Anlegern und Investoren, unter anderem durch eine Anleihe und zwei Finanzierungsrunden über je 30 Millionen Euro.

“Sie haben das Risiko nicht selbst getragen, sondern auf andere abgewälzt”, so Jesse. Besonders schwer wog, dass Rockstädt-Mies die Buchhaltung gezielt manipulierte und so vor Wirtschaftsprüfern eine gesunde Bilanz vortäuschte. “Sie haben die Buchhaltung auf die dunkle Seite gezogen”, kommentierte Jesse sarkastisch. Ein teures Gutachten in Höhe von 400.000 Euro war nötig, um die wahre finanzielle Lage zu rekonstruieren.

Der gefallene Visionär

Lange hatte Markus Rockstädt-Mies die Rolle des innovativen Internetunternehmers gepflegt, der aus Frankfurt (Oder) heraus ein deutsches Amazon aufbauen wollte. Zeitweise beschäftigte getgoods.de über 220 Mitarbeitende, erzielte einen Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro und war sogar an der Frankfurter Börse gelistet. Doch das ambitionierte Wachstum war auf Pump gebaut und von Anfang an kaum tragfähig.

Richter Jesse stellte klar: “Viele Menschen in Frankfurt (Oder) haben Hoffnung in Sie gesetzt. Sie haben diese Hoffnungen bewusst enttäuscht.” Obwohl sich Rockstädt-Mies schließlich zu einem umfassenden Geständnis durchrang, sprach das Gericht eine harte Mahnung aus: Er solle sich künftig von jeglicher unternehmerischer Tätigkeit fernhalten, insbesondere bei Unternehmen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. “Die Regeln Ihres Lebens haben sich komplett geändert.”

Ein Ende mit bitterem Nachgeschmack

Die Verteidigung hatte auf Freispruch oder eine mildere Strafe gehofft. Doch angesichts der neunstelligen wirtschaftlichen Schäden und der systematischen Täuschung war das Gericht zu keiner weiteren Milde bereit. Besonders bitter: Noch im letzten Jahr hatte Markus Rockstädt-Mies versucht, das Verfahren hinauszuzögern. Erst durch das belastbare Gutachten und auf Druck der Staatsanwaltschaft legte er ein Geständnis ab.

Der Richter schloss die Urteilsverkündung mit den Worten: “Sie sind kein visionärer CEO, sondern ein Betrüger. Dass Sie das eingesehen haben, rettet Sie vor der Haft.”

Ob Markus Rockstädt-Mies das Urteil akzeptiert oder Revision einlegt, bleibt abzuwarten.


Hintergrund: Die Geschichte von getgoods.de

getgoods.de AG (Frankfurt (Oder))

  • Rechtsform: Aktiengesellschaft
  • Gründung: 2007
  • Mitarbeiter: 220 (2012)
  • Umsatz: 403 Mio. Euro (2012)
  • Branche: E-Commerce
  • Website: ehemals www.ag.getgoods.de

Die getgoods.de AG betrieb ab 2011 mehrere Onlineshops für Elektronik und IT-Produkte. Bekannt wurde das Unternehmen durch aggressive Preisstrategien und die Übernahme des Onlinehändlers HOH (Home of Hardware). Trotz großer Umsätze geriet das Unternehmen 2013 in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Am 15. November 2013 stellte die Gesellschaft Antrag auf Insolvenz. Die Tochterfirma wurde an Conrad Electronic verkauft. 2015 stellte getgoods.de den Betrieb ein. Die Ermittlungen gegen Markus Rockstädt-Mies begannen im selben Jahr und zogen sich über ein Jahrzehnt hin.


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