Amazons Pressemitteilung liest sich ja zunächst beeindruckend: “Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus Deutschland erzielten 2017 über den Amazon Marketplace Exportumsätze von mehr als 2,1 Milliarden Euro.” Aber wer ein wenig über die Zahl nachdenkt, der wird enttäuscht sein.
Deutsche KMU erzielten 2017 Rekord-Exportumsätze über Amazon
Amazon gab heute bekannt, dass deutsche KMU, die ihre Produkte über den Amazon Marketplace verkaufen, im Jahr 2017 Rekordumsätze im Export in Höhe von mehr als 2,1 Milliarden Euro erzielt haben. Zehntausende deutsche KMU nutzen den Amazon Marketplace, mehr als 70 Prozent exportieren ihre Produkte bereits an Kunden in aller Welt.
Amazon bietet eine Reihe von Tools, mit denen KMU ihre Produkte ins Ausland exportieren können. Dazu gehören zum Beispiel weltweite Vertriebs-, Vermarktungs- und Lieferlösungen. Insbesondere bei der Nutzung der Amazon Logistik beinhaltet das auch den Kundenservice in der jeweiligen Landessprache. Zudem übersetzt Amazon jährlich hunderte Millionen Produktseiten für KMU auf Amazon Marketplace und verschafft ihnen so die Möglichkeit, ohne oder mit geringem Mehraufwand in den internationalen Handel einzusteigen.
KMU aus Deutschland haben somit über den Amazon Marketplace im letzten Jahr Exportumsätze von mehr als 2,1 Milliarden Euro erzielt. Sie verkauften ihre Produkte weltweit auf elf Amazon Webseiten und in sieben verschiedenen Sprachen. So konnten sie Millionen potentieller neuer Kunden erreichen. Weltweit stehen KMU für die Hälfte der verkauften Produkte auf den globalen Amazon Webseiten – mit Exporten an Kunden in Europa, Nordamerika, Japan und Indien.
„Es sind rekordverdächtig viele deutsche KMU, die ihre Produkte innerhalb Europas oder weltweit anbieten. Das Internet macht es möglich, mit nur wenigen Mausklicks neue Kunden über Ländergrenzen hinweg zu gewinnen,“ sagt Dr. Markus Schöberl, Director und verantwortlich für Amazon Verkäufer Services in Deutschland. „Wir wollen mit Tools und Services noch mehr Unternehmen auf dem Amazon Marketplace dabei unterstützen, ihre Produkte zu exportieren. So können die Unternehmen ihr Geschäft erweitern, neue Arbeitsplätze schaffen und die deutsche Wirtschaft ankurbeln.“
Eines dieser Unternehmen ist die Wendt Schreibwaren GmbH aus Mülheim in Hessen. Sie verkauft seit 2011 Büromaterialien über den Amazon Marketplace. „Im Jahr 2017 haben wir über 9.000 Bestellungen an Kunden im Ausland versendet. Von China über Australien bis hin zur Elfenbeinküste. Wir sind weltweit aktiv, dadurch ist unser Exportumsatz in den vergangenen drei Jahren um 30% gestiegen“, sagt Geschäftsführer Benjamin Wendt.
Ein weiterer Verkäufer auf dem Amazon Marketplace ist Spielwaren Carl Loebner aus Torgau, das älteste Spielwarengeschäft Deutschlands mit über 300-jähriger Tradition. Das Unternehmen hat sich vom stationären Fachhandel in der Torgauer Innenstadt zu einem erfolgreichen E-Commerce-Exporteur entwickelt: „Wir bieten unseren Kunden in über 150 Ländern mehr als 100.000 Produkte online an – vom Teddybär über Brettspiele bis hin zu Babykleidung. Der Export über Amazon macht aktuell rund ein Drittel unseres gesamten Jahresumsatzes aus, Tendenz steigend“, sagt Inhaber Joerg Loebner. (Quelle: Amazon Pressemitteilung)
Ein Hinweis: Auf Grund des PAN EU-Angebotes wäre es möglich, dass die Exportumsätze verfälscht werden. Ohne zu wissen, wie Amazon zählt, lässt sich leider nicht feststellen, wie genau die Zahlen sind. Wer seine Ware z.B. in Polen lagert und nach Deutschland verkauft, könnte mit seinem Umsatz in die Export-Sales fallen.
Was, nur 2.1 Mrd Euro? Ist schon ziemlich wenig, oder?
Der deutsche Handel und die Industrie exportierten im Jahr 2016 fette 1203,8 Mrd. Euro. Alleine im Novenber 2016 wurden Waren im Wert von 116,5 Mrd. Euro exportiert. Da wirken dann die Zahlen schon eher wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Zeigen sie doch deutlich, welches Potential der grenzüberschreitende Handel im E-Commerce noch hat (Quelle der Zahlen Statistisches Bundesamt).
Amazon Marketplace im CBT* der Beste der Schlechtesten
Ohne Zweifel sind Amazons Zahlen unfassbar beeindruckend. Das möchte ich auch nicht in Frage stellen. Kein anderer Marktplatz hat es so erfolgreich geschafft, die Händler zum Export ihrer eigenen Produkte zu bewegen. Aber die Zahlen machen auch sehr deutlich, dass die meisten Online-Händler versagen, wenn es darum geht, sich international aufzustellen.
Der Riese aus Seattle hat es geschafft, den Merchants ein einfaches und unkompliziertes Tool- und Feature-Set vor die Füße zu werfen. Ich kenne keinen Marktplatz, der das besser macht. Beim Wettbewerber eBay stehen die Händler da noch vor ganz anderen Herausforderungen: Der uneinheitliche Customer-Service hat schon so manchen Händler zur Verzweiflung getrieben. Wenn es eine Streitigkeit mit Kunden in den USA gibt, ist der deutsche Customer-Support nicht in der Lage, solche Fälle aufzulösen. Und auch der angebotene Übersetzungsservice von Webinterpret steht nicht selten in der Kritik. Sind doch schon Händler wegen Übersetzungsfehlern abgemahnt worden.
Ja, und dann verließen sie ihn auch schon. Es gibt kaum weitere Marktplätze, die die Händler komfortabel beim grenzüberschreitenden Handel unterstützen. Schade.
*CBT = Cross Border Trade
Und auch die Dienstleister liefern nicht ab
Fangen wir einfach einmal bei den Rechtstexten an. Wer kann denn internationale Rechtstexte? Anbieten tun es viele, aber wirklich rechtssicher? Und möchte ich als Händler wirklich auf die Haftungszusage der Anbieter vertrauen? – Ich berichtete erst kürzlich über eine Händlererfahrung. Ich denke, dass es dabei auch auf die Auswahl der Dienstleister ankommt. Trusted Shops und auch die IT-Recht-Kanzlei in München sind bekannt für ihre guten internationalen Rechtstexte.
Und wie sieht es denn mit den Transaktionsabwicklern aus? Noch schlimmer. Welcher bietet denn ein umfassendes CBT-Paket an? KEINER – NIEMAND – NICHTS!
Das ist erschreckend und zeigt einmal wieder, wie sehr doch die Händler von der Leistungsfähigkeit der Dienstleister abhängig sind. Bieten diese keine Lösung, hemmt und hindert das eine ganze KMU-Branche. Die Realität sieht so aus, dass die meisten etwas versucht haben. Einer bietet einen integrierten Übersetzungsservice an, der andere hat ein paar Schnittstellen mehr, aber Steuerthemen, Zoll- und Ausfuhrhilfen sind Fehlanzeige.
Hier versagt die auf die KMU ausgerichtete Dienstleister-Branche total!
Und der Händler bekommt den Hintern nicht um die Kurve
Auch wenn es so ist, dass die Händler von ihren Partnern meistens Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen, so darf das nicht als Generalentschuldigung herhalten.
Der Unternehmer ist selbst für sein Handeln verantwortlich.
Und das uneingeschränkt. Das bedeutet, wenn ihr wachsen wollt, wenn ihr wollt, dass euer Geschäft durch die Decke geht, dann macht eure Hausaufgaben im Heimatland und fangt dann mit dem internationalen Handel an. Ihr werdet das eine oder andere Mal Schmerzen haben, aber ihr lernt und ihr werdet erfolgreich werden.
Alle großen Onlinehändler verkaufen erfolgreich auf internationalen Märkten und Plattformen. Warum wohl?
Das ist enttäuschend
In der Gesamtschau ist es einfach enttäuschend, dass der KMU-Handel noch viel zu wenig Exportanteile an seinem Umsatz hat. Hier ist viel Luft nach oben. Enttäuschend sind auch die Hindernisse, vor denen der E-Commerce steht, vernünftige Angebote dem Handel zur Verfügung zu stellen. Ein Armutszeugnis.
Ihr könnt da schimpfen, wie ihr wollt…
…aber Amazon kann Handel. Und daher finde ich es großartig, wenn ihr die Chancen auf dieser Plattform nutzt. 2.1 Mrd. sind ja schon fett, oder?
Ohne Frage muss ich hier eine Lanze brechen für Mark und die folgende Aussage “die Zahlen machen auch sehr deutlich, dass die meisten Online-Händler versagen, wenn es darum geht, sich international aufzustellen.”
Ich kann dem nur zustimmen, deutsche E-Commerce Händler tun sich sehr schwer wenn es um Internationalisierung geht, unabhängig davon ob über Amazon, eBay oder über den eigenen Shop.
Die Aussage von “Marc” (ohne dir zu nahe treten zu wollen) spiegelt dabei die Denkweise in den Köpfen wieder “wenn dann eine Kundenanfrage auf Französisch reinkommt oder sogar aus Frankreich anruft”.
So what… dann sollte man das Problem lösen. Faktisch gesehen redet fast jeder ständig über “Wachstum“. Hier kann ich nur entgegnen: Es gibt kaum eine bessere Skalierungsmöglichkeit, als “Internationalisierung”.
Ich habe zwei Jahre in London gelebt und habe in dieser Zeit verschieden E-Commerce Projekte betreut. Eines hat mir sabei imponiert: Das Thema Internationalisierung gehen die Engländer extrem zielorientiert und professionell an. So kommt es nicht von ungefähr, dass der englische E-Commerce Markt in Zahlen fast 2/3 größer ist wie der deutsche E-Commerce Markt, obwohl wir über 15 Mio. mehr Einwohner haben als UK (2017: 84 Mrd. UK, 48 Mrd. DE, Statista). Ein wesentlicher Faktor ist dabei die starke internationale Aufstellung vieler Onlinehändler aus UK. Vielleicht sollten sich viele daran ein Beispiel nehmen und es einfach mal anpacken.
Cheers,
Henryk
Wir werden uns hüten, nach IT, FR oder ES zu verkaufen. Unfassbar, was für bekloppte Kunden und Betrüger dort existieren.
Wir würden/könnten theoretisch auch ins Ausland verkaufen, aber warum z.B. nach Frankreich verkaufen wenn dann eine Kundenanfrage auf französisch reinkommt oder er sogar aus Frankreich bei uns anruft und wir niemanden haben der französisch sprechen/schreiben kann?
Sollen wir das etwa alles outsourcen oder mit den Google Translator arbeiten?
Abgesehen davon verkaufen wir zu 90% Bekleidung, also erwartungsgemäß hohe Retouren, sowas aus dem Ausland zu retounieren (vielleicht auch noch auf eigene Kosten) ist halt auch nich so einfach.