Haftung von Amazon und Co. für Umsatzsteuer: Aktuelle Entwicklungen

Vor Kurzem hatten wir über den Gesetzesentwurf zur Haftung von Marktplätzen—wie z.B. Amazon und eBay—ab dem 01.01.2019 für nicht gezahlte Umsatzsteuern von Marktplatzhändlern berichtet.

Dieser Entwurf wurde anschließend den Spitzenverbänden zur Stellungnahme übermittelt. Das Bundesfinanzministerium hat das erhaltene Feedback nun teilweise in den Gesetzesentwurf eingearbeitet und hat am 01.08.2018 einen aktualisierten Entwurf präsentiert.

Das Wichtigste vorab: Es gibt zwei wesentliche Änderungen im Vergleich zu dem von uns hier diskutierten ersten Entwurf.

Erste Änderung: Es wird Übergangsfristen geben

Der Kern des ersten Gesetzesentwurfs wurde nicht geändert: Die Marktplätze werden für nicht abgeführte Umsatzsteuer haften, wenn ihnen keine durch das zuständige Finanzamt erstellte Bescheinigung des jeweiligen Händlers über die steuerliche Registrierung vorlag.

Da das Gesetz voraussichtlich erst Mitte Dezember verabschiedet wird, hätten alle Beteiligten—Marktplätze und Händler—nur sehr wenige Wochen, um die erforderlichen Vorkehrungen treffen zu können.

Aus diesem Grund ist das Bundesfinanzministerium der auch
von uns vorgetragenen Forderung nach Übergangsfristen nachgekommen.

Die Haftung wird demnach nicht unmittelbar ab dem 01.01.2019 greifen, sondern zeitlich verzögert.

Der aktuelle Entwurf unterscheidet bei der Übergangsfrist nach Händlern aus dem Drittland—z.B. China—und Händlern aus der EU—z.B. Deutschland—wie die folgende Grafik zeigt.

Zweite Änderung: Bescheinigung über die steuerliche Registrierung

Im ersten Entwurf war noch die Rede von einer Unbedenklichkeitsbescheinigung. Das Finanzamt sollte dem Händler bestätigen, dass er seinen Steuerpflichten bislang immer vollumfänglich nachgekommen ist.

Diese Form der Unbedenklichkeitsbescheinigung entfällt. Nach dem aktuellen Entwurf soll das Finanzamt nur noch die steuerliche Registrierung bestätigen. Der Händler hat also einen Rechtsanspruch auf die Bescheinigung.

Stellt das Finanzamt allerdings fest, dass der Händler seinen steuerlichen Pflichten nicht weitgehend nachkommt, kann es den Marktplatz informieren. Sobald diese Mitteilung beim Finanzamt eingegangen ist, haftet der Marktplatz für die ab diesem Zeitpunkt entstandene und nicht gezahlte Umsatzsteuer.

Bislang ist das Gesetz aber nicht in Stein gemeißelt. Es hat noch seinen Weg durch die Instanzen vor sich, wo immer Änderungen möglich sind.

Wie geht es mit dem Gesetzesentwurf weiter?

Das Gesetz ist noch nicht endgültig verabschiedet. Der Zeitplan dafür sieht aktuell wie folgt aus.

  • 10.08.2018 Zuleitung zum Bundesrat
  • 21.09.2018 Befassung durch den Bundesrat
  • 11.10.2018 Erste Lesung im Bundestag
  • 30.11.2018 Zweite und dritte Lesung im Bundestag
  • 14.12.2018 Zustimmung des Bundesrates (damit Verabschiedung des Gesetzes)
  • 01.01.2019 Inkrafttreten des Gesetzes

Bescheinigung: Erst auf Papier, später digital

Zu Beginn wird es die Bescheinigung der steuerlichen Registrierung nur in Papierform geben, welche der Händler dann auch selbst an den Marktplatz übermitteln muss.

Sobald die Finanzverwaltung die erforderlichen IT-Strukturen geschaffen hat, wird dieser Prozess vollautomatisiert ablaufen, wie es die folgende Grafik verdeutlicht.

Fazit

Die verhältnismäßig lange Übergangsfrist bis zur vollen Entfaltung der neuen Haftungsregelungen für Händler aus der EU bis zum 01.10.2019 ist zu begrüßen.

Sie ist aber auch zwingend erforderlich. Nun ist die Finanzverwaltung gefordert, die entsprechenden Strukturen zu schaffen. Das Handling der Bescheinigungen in Papierform darf kein Dauerzustand werden. Dieses Verfahren ist fehler- und betrugsanfällig sowie für alle Beteiligten unnötig kostenintensiv.

Taxdoo

Taxdoo ist die automatisierte Umsatzsteuer-Engine für den Onlinehandel. Wir stehen euch unter www.taxdoo.com jederzeit gerne zur Verfügung.

Dieser Beitrag wurde am von unter Gastartikel veröffentlicht.

Über Roger Gothmann

Roger Gothmann ist Geschäftsführer und Co-Founder bei Taxdoo. Er schreibt regelmäßig in Fachzeitschriften und Onlinemedien zum Thema Umsatzsteuer & E-Commerce. Zudem arbeitet er als Dozent in diesem Bereich und führt Seminare sowohl für Onlinehändler als auch Steuerberater durch.

16 Gedanken zu „Haftung von Amazon und Co. für Umsatzsteuer: Aktuelle Entwicklungen

  1. Markus

    Kurze Frage: verstehe ich es richtig, dass hiervon lediglich nicht EU-Händler betroffen sind, die ihre Waren per FBA oder anderer Dienstleister aus der EU heraus versenden? Denn bei Versand aus China dürfte doch weiterhin keine USt. abzuführen sein; hier fällt ja die Einfuhr-USt. beim Import an – was häufig aufgrund der Geringwertigkeitsgrenze wegfällt. Liege ich da richtig oder falsch? Danke für eine Info.

    Antworten
    1. Roger Gothmann Beitragsautor

      Hi Markus,

      von der Marktplatzhaftung wird jeder Händler betroffen sein. Die Händler aus Nicht-EU-Staaten früher – ab dem 01.03.2019 – Händler aus der EU später – ab dem 01.10.2019. Auch für Lieferungen aus China heraus kann unter bestimmten Voraussetzungen und ab gewissen Grenzwerten Umsatzsteuer in Deutschland anfallen.

      Gruß

      Roger

      Antworten
      1. Marc T.

        Hallo,
        können Sie diese “bestimmten Voraussetzungen oder Grenzwerte” nochmal genau bennen oder auf einen Artikel verlinken wo diese beschrieben sind?
        Oder gelten für China-Händler mit Versand aus China auch die EU-Lieferschwellen (Deutschland 100.000€) also ab diesem Grenzwert muss eine umsatzsteuerliche Registrierung in Deutschland vorgenommen werden?
        Und wenn nun der China Händler mit Sitz und Versand aus China deutsche Umsatzsteuer auf die Waren zahlen muss, wie verhält es sich dann mit der Einfuhrumsatzsteuer?
        Vielen Dank!

  2. Christian Peter

    Du Sagst : ” ein Schritt in die absolut richtige Richtung – aus zwei Gründen: 1.) Ein Großteil der Händler aus China braucht m.E. nur einen relativ kleinen Nudge, damit das Bewusstsein, in DE auch Steuern abzuführen, wächst. Das kann man aktuell sehr gut beobachten. ”

    Die Wirklichkeit sieht total anders aus. Fast immer stimmt bei diesen Händlern schon gar nicht das Impressum. An die ” Tatsächlichen Firmen ” zu kommen ist fast gar nicht möglich. Diese betreiben eine Art von Dreiecksgeschäften – ob nun ein Land ihre Gesetze ändert oder nicht , dafür haben ” solche Firmen ” nur ein sehr müdes lächeln übrig. An eine Steuernummer zu kommen ist hier nicht das Thema….

    Antworten
    1. Roger Gothmann Beitragsautor

      Hallo Christian,

      natürlich gibt es eine Gruppe in diesem Segment, deren Antrieb es ist, Steuern zu hinterziehen (siehe oben: Hase und Igel). Betrachtet man allerdings die stark steigenden Zahlen der Registrierungen chinesischer Händler und das damit tatsächlich einhergehende steigende Umsatzsteueraufkommen, dann wirken bereits sowohl aktuelle Maßnahmen (Auskunftsersuchen der Finanzämter) und die Vorausläufer der Marktplatzhaftung.

      Kein Instrument ist perfekt aus technischer Sicht – erst recht nicht, wenn so viele Interessensgruppen Einfluss nehmen können auf ein Gesetzgebungsverfahren. Es werden sicher noch Anpassungen erforderlich sein. Aber es bewegt sich eindeutig etwas – m.E. in die richtige Richtung.

      Viele Grüße

      Roger

      Antworten
  3. juergen

    Hallo Roger,

    zunaechst einmal vielen Dank fuer diesen Artikel. Allerdings ist mir nicht ganz klar, wie denn die praktische Umsetzung des neuen Gesetzes aussehen soll.

    Wird nun z.B. eBay von ALLEN Haendlern entsprechende Nachweise im vornherein anfordern (das ist ja wohl schon eine aufwaendige Angelegenheit) oder wird nur auf Anfrage des Finanzamts reagiert?

    In ersterem Fall wird das naemlich eher problematisch. Bekanntermassen sind manche Finanzaemter (und gerade das fuer auslaendische Haendler zustaendige Amt in Neukoelln uebrigens) schon jetzt chronisch unterbesetzt ist, sodass es unter Umstaenden sehr lange dauern wird, von dort das so dringend benoetigte Dokument zu erhalten.

    Ansonsten halte ich das ganze Prozedere schon fuer ein wenig uebertrieben angesichts der Tatsache, dass Haendler ja jetzt schon Ihre Steuernummer angeben muessen, und diese von Seiten des Finanzamts sicherlich leicht verifiziert werden kann.

    Insofern halte ich eine Bestaetigung der steuerlichen Registrierung (wieder mal) nur fuer eine Verschwndung von Steuergeldern, weil eigentlich unnoetig.

    Ich will nicht unken, aber ich stimme mit Frank weiter oben ueberein: Es wird sicherlich immer noch genuegend Schlupfloecher geben, keine Sorge. Das von Frank beschriebene Modell kann im uebrigen auch auf Deutschland uebertragen werden: Firma anmelden, erstmal verkaufen, was geht und dann wieder zumachen, wenn die Steuerschulden bedrohlich werden. Und dann mit Strohmann flugs die naechste Firma aufgemacht…

    Viele Gruesse,

    Juergen

    Antworten
    1. Roger Gothmann Beitragsautor

      Hallo Jürgen,

      ja, nach dem aktuellsten Entwurf (Stand 1. August 2018) werden die Marktplätze diese Bescheinigung anfordern. Daher gibt es nun auch eine relativ lange Übergangsfrist. So ganz überflüssig ist die Bestätigung auch nicht. Einige Händler haben z.B. keine UStID-Nr. hinterlegt. Darüber hinaus ist es mit einer einfachen Abfrage des Marktplatzes der UStID auch nicht getan, da diese Nummern z.B. auch oft gehijackt werden.

      Selbstverständlich wird es immer Schlupflöcher geben. Es war schon immer ein Hase-und-Igel-Rennen zwischen Steuerhinterziehern und dem Gesetzgeber. Aber, der Entwurf ist aus meiner Sicht – trotz einiger baulicher Mängel – ein Schritt in die absolut richtige Richtung – aus zwei Gründen: 1.) Ein Großteil der Händler aus China braucht m.E. nur einen relativ kleinen Nudge, damit das Bewusstsein, in DE auch Steuern abzuführen, wächst. Das kann man aktuell sehr gut beobachten. Nicht nur die Zahl der Registrierungen in DE steigt aktuell deutlich, auch das Umsatzsteueraufkommen durch Händler aus China zieht an. 2.) Für den Rest, der auch danach keine Umsatzsteuer abführen will, wird es deutlich schwieriger. Klar, man kann Firmen nach einer gewissen Zeit wieder schließen. Aber die meisten von euch wissen doch selbst, wie schwierig es ist, beim Amazon einen Umfirmierung bzw. einen Accountwechsel vorzunehmen – oder wieviel Geld und Mühe es braucht, sich einen Platz auf der ersten Seite bzw. die Buybox zu erarbeiten. Es wird also deutlich schwieriger und unangenehmer für diese Gruppe.

      Viele Grüße

      Roger

      Antworten
    1. Roger Gothmann Beitragsautor

      Hi Tom,

      so einfach wird das auch nicht. Die Marktplätze haften auch für die Umsatzsteuer eines sogenannten Scheinprivaten, wenn anhand der Menge, der Art und der Höhe der Umsätze für den Marktplatz erkennbar war, dass es sich um einen gewerblichen Verkäufer handelt.

      Viele Grüße

      Roger

      Antworten
  4. Frank

    Tja, ich wuerde das eher als “fail” bezeichnen.
    Den Chinesen mit englischer UID wird also ein weiteres Jahr Aufschub gewaehrt. Nicht, dass sie in England Steuern zahlen wuerden, aber in Deutschland erst recht nicht.

    Antworten
    1. Roger Gothmann Beitragsautor

      Hallo Frank,

      die lange Übergangsfrist (9 Monate) greift nur für Händler mit Sitz in der EU. Für den Händler aus China, auch wenn er eine britische UStID hat, greift die verkürzte Frist von nur zwei Monaten.

      Viele Grüße

      Roger

      Antworten
      1. Frank

        Inzwischen gibt es in den UK zahllose Firmen mit chinesischem Hintergrund, die mutmasslich ausschliesslich zur Steuerhinterziehung gegruendet wurden. Dieses laesst sich anhand der angebotenen Produkte, die exklusiv von einem Anbieter bei Amazon angeboten werden, ganz gut verfolgen. Dieser eine Anbieter wechselt in regelmaessigen Abstaenden, die vorherigen Firmen werden von Amts wegen geloescht (d.h. es wurden keine Bilanzen eingereicht und somit sicherlich auch keine Steuern gezahlt).
        Der Trend der Firmengruendung hat mittlerweile auch auf Deutschland uebergegriffen, man muss sich nur mal anschauen, wie viele neue GmbHs mit chinesisch-klingenden Geschaeftsfuehrern es ploetzlich gibt. Auch hier ganz gut verfolgbar, da die Artikel immer exklusiv von einem bis maximal zwei Anbietern (vermutlich bereits die follow-up-Firma) angeboten werden. Da sich die Preise nicht geaendert haben, werden wohl nach wie vor keine 19% einkalkuliert. Mangelnde Sorgfalt, wie z.B. kein Impressum, keine WBR usw. lassen nicht gerade sonderlich grosse Sorgfalt vermuten.

        Wenn jetzt die Bescheinigung vom FA ueber die “Steuerehrlichkeit” wegfaellt, ist das gesamte Gesetz fuer die Tonne, sofern nicht ab dem ersten Monat die monatliche Meldung/Vorauszahlung festgelegt wird.
        Ich denke, dass die einzige Moeglichkeit wohl sein wird, Artikel zu kaufen, eine Rechnung anzufordern und diese dann pruefen zu lassen. Wird keine ordentliche Rechnung ausgestellt -> Meldung an FA.

      2. Roger Gothmann Beitragsautor

        Hallo Frank,

        in der Tat wurde der Gesetzesentwurf an einer entscheidenden Stelle entschärft. Da das Gesetz aber auch für Händler aus dem Inland greifen wird, erfolgte das wohl eher im Hinblick auf den inländischen Händler, der ab und an seine Voranmeldung verspätet abgibt und damit rechnen musste, vom Marktplatzhandel aufgrund seiner Schlampigkeit ausgeschlossen zu werden.

        Das Gesetz an sich wird den Betrug – insbesondere von Händlern aus China – nicht unmittelbar unterbinden können. Das Gesetz schafft jetzt aber die Voraussetzungen dafür, dass die Finanzverwaltung diesen Betrug eindämmen kann, indem es jederzeit Informationen abrufen kann und im Zweifel den Marktplatz in Haftung nimmt. Das wird mit Sicherheit nicht unmittelbar geschehen, da auf dieser Seite noch die Strukturen (IT, Prozesse und geschultes Personal) dafür fehlen. Es ist aber ein Schritt in die richtige Richtung.

        Viele Grüße

        Roger

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