Wir wollen euch heute auf ein weiteres steuerliches Risiko hinweisen, mit dem ihr euch unbedingt befassen solltet, wenn ihr Fulfillment by Amazon (FBA) nutzt. In diesem Fall wird mit großer Wahrscheinlichkeit schon einmal das eine oder andere eurer Produkte in einem Amazon-Warenlager beschädigt worden sein; oder die Ware ging in einem der riesigen Lager verloren. Das kommt regelmäßig vor. Amazon erstattet euch dann in der Regel sehr schnell und effizient den Schaden. Doch hinter dieser Effizienz kann sich für euch ein hohes steuerliches Risiko verbergen.

Schadensersatz durch Amazon

Wird z.B. Ware in einem Amazon-Warenlager beschädigt, ersetzt Amazon grundsätzlich den Wert dieser Ware. Die Bemessungsgrundlage dafür wird anhand der Verkaufshistorie dieses Artikels bestimmt—siehe den untenstehenden Auszug aus der Amazon-Richtline.

(Quelle: https://sellercentral-europe.amazon.com/gp/help/200213130 (Stand 03.10.2017))

Die Abrechnung an den Händler sieht z.B. wie folgt aus:

In dieser Muster-Abrechnung liegen zwei Gründe für eine Erstattung durch Amazon vor.

  • Verloren bei Anlieferung: Dieser Fall ist unstrittig und wird im Folgenden nicht weiter betrachtet.
  • Beschädigt im Lager (im sogenannten Bericht zu Erstattungen heißt es in dem Fall: Damaged_Warehouse). Diesen Fall schauen wir uns im Folgenden etwas genauer an.

Echter vs. unechter Schadensersatz: Leistungsaustausch?

Grundsätzlich könnte man aus umsatzsteuerlicher Sicht zu dem Ergebnis kommen, dass Amazon euch einen Schaden zugefügt hat, der nun erstattet wird.

Aus umsatzsteuerlicher Sicht muss man jedoch zwingend zwischen zwei Formen von Schadensersatz unterscheiden. Davon unterliegt die eine nicht der Umsatzsteuer—die andere jedoch schon. Im Umsatzsteuerrecht gilt der Grundsatz, dass Umsatzsteuer nur dann anfällt, wenn ein Leistungsaustausch vorliegt.

Leistungsaustausch = Einer Leistung (z.B. Lieferung oder Dienstleistung) steht eine Gegenleistung (z.B. Entgelt) gegenüber.

Im Fall der Erstattung durch Amazon sind nun zwei Fälle mit unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Konsequenzen denkbar.

Echter Schadensersatz: Keine Umsatzsteuer

Ist eure Ware derart beschädigt, dass sie nicht mehr verwertbar ist, ist die Sache einfach. Amazon zahlt in dem Fall nicht für eine Gegenleistung. Es wird lediglich ein Schaden beglichen, welcher euch zugefügt worden ist. In dem Fall liegt also ein echter Schadensersatz vor, der nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Unechter Schadensersatz: Umsatzsteuer

Händler berichten uns jedoch immer wieder, dass sie ihre Produkte nach einer solchen Erstattung eindeutig und ab und an als sogenannte Amazon-Warehouse-Deals wiederfinden. Amazon verkauft in diesem Fall (leicht) beschädigte Waren—oftmals ist nur die Verpackung defekt—auf eigene Rechnung weiter. In diesem Fall könnte man argumentieren, dass der Entschädigungsbetrag, welchen Amazon euch vorher gutgeschrieben hat, das Entgelt für den Erhalt der (leicht) beschädigten Ware darstellt. In diesem Fall läge unseres Erachtens ein steuerbarer Leistungsaustausch vor. Ihr müsstet in dem Fall die Umsatzsteuer aus dem Erstattungsbetrag herausrechnen, im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung als normalen Erlös erklären und den Steuerbetrag an euer Finanzamt abführen.

Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen: Die oben abgebildete Abrechnung von Amazon wäre in diesem Fall aus umsatzsteuerlicher Sicht falsch. Liegt ein Leistungsaustausch zwischen zwei Unternehmern in Deutschland vor, muss grds. (von wenigen Ausnahmen abgesehen) immer Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen werden.

Keine hinreichenden Informationen durch Amazon

Anhand der aktuellen Abrechnungsmethodik (= o.g. Abrechnung und Bericht zu Erstattungen) ist für euch oder euren Steuerberater nicht nachvollziehbar, ob ggf. ein echter oder ein unechter Schadensersatz vorliegt. Ihr erfahrt das, wie beschrieben, oftmals erst im Nachgang bzw. durch Zufall.

Warum stellt Amazon nicht mehr Informationen zur Verfügung?

Wir haben im Vorfeld der Recherchen zu diesem Blogpost bereits vor einem halben Jahr mehrfach Kontakt zu Amazon aufgenommen. Eine Antwort steht noch immer aus. Das Problem könnte sein, dass Amazon derzeit einfach nicht über die erforderlichen internen Prozesse verfügt. Es ist eben sehr einfach—und aus Amazon-Sicht wäre das vermutlich effizient—(leicht) beschädigte Waren automatisiert zu erstatten.

Die Unterscheidung ob ein nicht steuerbarer Schadensersatz oder ein steuerbarer Leistungsaustausch vorliegt, könnte vermutlich erst viel später im Nachgang bei einer tiefergehenden Beurteilung zur weiteren Verwertung der beschädigten Waren getroffen werden.

Fazit

Für euch als FBA-Händler ist die Frage, ob echter oder unechter Schadensersatz vorliegt, von grundlegender Bedeutung.

Erklärt ihr einen nicht steuerbaren Schadensersatz, obwohl Amazon die Ware später auf eigene Rechnung verkauft, kann das ein Fall der Steuerhinterziehung bzw. -verkürzung sein.

Amazon sollte diese Vorgehensweise aber auch aus eigenem Interesse überdenken. Wird das Produkt, welches Amazon später als Warehouse-Deal verkauft, z.B. in einem ausländischen Warenlager beschädigt, kann es je nach Staat der Fall sein, dass die Steuerschuld für diesen Leistungsaustausch auf Amazon übergeht (Reverse Charge).

In dem Fall würdet dann aber zumindest nicht ihr die Umsatzsteuer hinterziehen bzw. verkürzen.