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Fair Commerce Initiative ohne Wirkung im Rechtsstreit

FairCommerce Initiative von Händlerbund ohne Wirkung

Erneute Schlappe gegen den Anbieter einer Initiative die eine Fairness im Handel bieten soll. Diesmal hält die Fair Commerce Initiative vom Händlerbund einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Bereits im Juni wurde bekannt, dass eine ähnliche Initiative von der IT-Recht Kanzlei nicht greift.

FairCommerce Initiative von Händlerbund ohne Wirkung im rechtsstreit

Zur Eindämmung von Abmahnungen hatte der Händlerbund mit Unterstützung durch die IT-Recht Kanzlei eine Initiative „FairCommerce“ (www.fair-commerce.de) ins Leben gerufen. Ziel ist es u. a., dass sich Teilnehmer der Initiative zunächst kostenneutral auf Marken-, Wettbewerbs- und Urheberverstöße hinweisen, bevor dann nach fruchtlosem Ablauf einer sog. „Anstandsfrist“ kostenpflichtig abgemahnt wird. Erst nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist soll dann die Abmahnung möglich sein. Um Teil der Initiative zu werden, muss ein Händler allerdings erst ein Abonnement für ein Mitgliedschaftspaket beim Händlerbund abschließen (zwischen 9,90 EUR bis 39,90 EUR zzgl. MwSt., Stand: 27.07.2018). Das Programm „FairCommerce“ beschränkt sich damit auf Händlerbund-Mitglieder. Zur äußeren Erkennbarkeit der Teilnehmer wurde ein Logo (Grafik eines Handschlages mit dem Slogan „Fairness im Handel“) entwickelt und zur Verfügung gestellt.

In einem Rechtsfall, der beim LG und nachfolgend beim OLG Hamburg anhängig war, waren beide Parteien Teilnehmer von „FairCommerce“. Der Abmahner beachtete die Verhaltenspflichten der Teilnahmebedingungen nicht und mahnte sogleich in vollem Umfange ab. Der Abgemahnte reklamierte die Verletzung der gemeinsam akzeptierten „FairCommerce“-Teilnahmebedingungen. Dort heißt es in § 4 Abs. 2 b):

„Im Falle einer Rechtsverletzung wird der feststellende Teilnehmer den anderen Teilnehmer vor Einleitung kostenpflichtiger außergerichtlicher oder gerichtlicher Maßnahmen zunächst auf die Rechtsverletzung hinweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. Beseitigung binnen 7 Tagen geben. Der Hinweis ist an die im Impressum des Teilnehmers angegebene Email-Adresse zu richten. Etwaig entstehende Kosten für diese Anzeige machen die Teilnehmer untereinander nicht geltend. 

Ein Verzicht auf die im Zusammenhang mit der Rechtsverletzung gegebenenfalls bestehenden sonstigen Ansprüche (Unterlassungs-, Beseitigungs-, Auskunfts- oder Schadenersatzansprüche) ist mit dieser Verfahrensweise nicht verbunden.“

Da der Abmahner sich nicht an die vorstehenden Regeln gehalten habe, sei seine Abmahnung rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG, argumentierte der Abgemahnte. Das OLG Hamburg (Beschluss vom 29.05.2018, Az. 3 W 39/18) sah das ganz anders. Die „FairCommerce“-Regeln seien insofern rechtlich für den Fall nicht relevant. Insbesondere sei damit kein Verzicht auf einen Unterlassungsanspruch verbunden. Auf die Frage, wo und wie auf der Webseite des Abgemahnten auf „FairCommerce“ aufmerksam gemacht wurde, kam es für das Gericht nicht mehr an:

„Die Mitgliedschaft beider Parteien in der Fair-Commerce-Initiative steht der Geltendmachung des vorliegenden Unterlassungsanspruchs nicht entgegen. Denn gemäß § 4 Abs. 2 lit b) Abs. 2 der Teilnahmeregeln sind die in § 4 der Teilnahmeregeln enthaltenen Verhaltenspflichten im Hinblick auf die Abmahnung anderer Mitglieder der Initiative schon nicht mit einem Verzicht auf die mit der Rechtsverletzung verbundenen Unterlassungsansprüche verbunden (Anlage 8). Auf die Frage, ob die Antragsgegner auf ihrer Internetseite hinreichend auf ihre Mitgliedschaft in der Fair-Commerce-Initiative hingewiesen haben, kommt es danach nicht mehr an.“

Als Fazit bleibt festzustellen, dass die Teilnahme an der „FairCommerce“-Initiative (gerichtlich) nicht zu dem gewünschten Erfolg führt. Sie scheint eher das Konstrukt einer Werbung zu sein. Die Initiative beschränkt sich zudem auf Händlerbund-Mitglieder. Sie dient jedenfalls auch der Steigerung des Umsatzes betreffend Schutzpakete des Händlerbundes. Rechtliche Wirkung hat sie nach der oben dargestellten Rechtsprechung nicht einmal dann, wenn sich zufälliger Weise zwei Händlerbund-Mitglieder wettbewerbsrechtlich gegenüberstehen. Ob die Initiatoren der „FairCommerce“-Initiative als Konsequenz aus dem Beschluss des OLG Hamburg nun beim Verkauf ihrer Schutzpakete darauf verweisen werden, dass sie die Hoffnungen der Händler, von Abmahnungen (teilweise) verschont zu bleiben, leider nicht erfüllen zu können, muss abgewartet werden. (Quelle: IDO Informationsdienst 07-18)

Was ihr jetzt wissen müsst und wie ihr euch jetzt verhalten solltet

Wenn ihr Teilnehmer solcher Initiativen seid, dann vergesst bitte ganz schnell, dass sie euch absichern, wenn ihr von einem Mit-Teilnehmer kostenpflichtig abgemahnt werdet. Den ultimativen Schutz, den euch die beiden initiativen ›Faircommerce‹ und ›Fairness im Handel‹ vom Händlerbund und von der IT Recht Kanzlei versprechen, gibt es nicht.

Erhaltet ihr also eine Abmahnung, lasst euch nicht wegen beidseitiger Teilnahme an der Initiative auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ein. Die Chancen zu unterliegen sind wahrscheinlich sehr groß.

Ich glaube nicht, dass es nötig ist, eure Teilnahme zu kündigen. De facto ist eure Teilnahme nicht schädlich.

Von solchen Initiativen geht eine Gefahr aus

In meinen Augen handelt der Händlerbund und die IT Recht Kanzlei München verantwortungslos. Sie versprechen Sicherheit und Schutz vor Abmahnungen. Dieser ist jedoch nicht gegeben.

Die Initiative zielt darauf ab, dass von den Teilnehmern der Initiative untereinander festgestellte Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrechtsverletzungen schnell, mit geringem Aufwand und ohne Kosten beseitigt werden. ( Quelle: haendlerbund.de)

Händler, die sich auf die Werbeaussagen verlassen und denken, dass sie sich erfolgreich gegen Abmahnungen wehren können, verlieren möglicherweise viel Geld, wenn ein Gericht die Rechtmäßigkeit der Vereinbarung nicht anerkennt. Genau so, wie im aktuellen Fall vor dem OLG Hamburg geschehen. Und die beiden großen Rechtstexte-Dienstleister sind ja nicht gerade bekannt für ihr kulantes Handeln.

OLG Hamburg: ‘Fairer Handeln’-Initiativen greifen nicht

Langsam wird die Vermutung, dass sämtliche ›Fairness im Handel‹-Initiativen als Schutz gegen Abmahnungen nichts bringen klar. Das bestätigen nach und nach Urteile verschiedener LG und OLG. Aktuell hat das OLG Hamburg entschieden, dass die Geltendmachung eines gerichtlichen Anspruchs trotz Teilnahme an einer Initiative möglich sei.

Die Initiativen waren schön gedacht, helfen in der Praxis aber nicht

Die Grundidee dieser Konstrukte war es, dass teilnehmende Mitglieder sich nicht mehr gegenseitig abmahnen können. Hierdurch sollte die Abmahnwut vieler Händler untereinander eingedämmt werden. In der Praxis kann sich diese Idee nicht durchsetzen. (OLG Hamburg, Beschl. v. 26.04.2018 – Az.: 3 W 39/18)

Händlerbund & IT Recht Kanzlei München betroffen

Beide Rechtstextedienstleister haben sich stark für das Thema engagiert und diese Initiativen versucht, zu etablieren: FairCommerce nennt es der Händlerbund und ‘Fairness im Handel‘ die IT Recht Kanzlei aus München von Rechtsanwalt Max-Lion Keller.

(Quelle: Händlerbund & IT Recht Kanzlei München)

Das aktuelle Urteil des OLG Hamburg, Beschl. v. 26.04.2018 – Az.: 3 W 39/18 betrifft das Angebot der IT Recht Kanzlei. Allerdings dürfte der Inhalt des Beschlusses auch 1 zu 1 auf das Angebot des Händlerbunds übertragbar sein.

Wie sieht es das OLG Hamburg?

Die auf Wettbewerbsrecht spezialisierte Kanzlei Dr. Bahr berichtet in ihrem Newsletter:

Die Beklagten boten auf eBay als Händler entsprechende Waren an. Sie wiesen dabei zwar auf die OS-Schlichtungsplattform hin, gestalteten den Hinweis jedoch nicht als klickbaren Link, sondern nur als reinen Text. Hiergegen ging die Klägerin vor.

Die Beklagten wandten ein, dass das Verhalten der Klägerin rechtsmissbräuchlich sei. Denn beide Parteien seien Mitglied der eCommerce-Initiative “Fairness im Handel”. Nach § 4 der Satzung hätten sich beide verpflichtet, vor einer außergerichtlichen Abmahnung unentgeltlich und informell auf die Rechtsverletzung hinzuweisen.

§ 4 Abs.2 der Satzung lautet:

“Kommt es gleichwohl einmal zu einer Rechtsverletzung, so verpflichten sich die Teilnehmer wechselseitig, denjenigen Teilnehmer, der die Rechtsverletzung begangen hat bzw. der für die Rechtsverletzung haftet, vor Einleitung kostenpflichtiger außergerichtlicher oder gerichtlicher Maßnahmen zunächst unentgeltlich und informell auf die bestehende Rechtsverletzung hinzuweisen und diesem binnen einer Frist von sieben Tagen Gelegenheit zur Beseitigung des festgestellten Verstoßes zu geben.”Das OLG Hamburg bejahte den Unterlassungsanspruch der Klägerin.

[…]

Auch der Umstand, dass beide Parteien Mitglieder in der Initiative “Fairness im Handel” seien, führe zu keiner Änderung.

Denn die Teilnahme an der Initiative stehe der Geltendmachung des gerichtlichen Unterlassungsanspruchs nicht entgegen. Denn in der Satzung werde klargestellt, dass mit der Mitgliedschaft kein Verzicht auf den Unterlassungsanspruch verbunden sei. Insofern sei der Einwand unerheblich.

Ausser Spesen nix gewesen? Doch, Kosten!

Da beide Angebote sich in der Praxis wenig bis gar nicht bewähren und den Händlern mehr Arbeit als Nutzen bringen, ist dem so. Bereits in der Vergangenheit wurde ja schon von verschiedenen Herausforderungen mit solchen Initiativen berichtet. Als Beispiel nenne ich hier die nicht grundsatzkonforme Linksetzung in eBay Listings. Ausgebadet wurde das meist auf den Rücken der Händler.

Wie auch in o. g. Fall haben sich Händler auf die Rechtmäßigkeit dieser Initiativen verlassen und sich gewehrt, leider aber verloren. Die Kosten tragen vermutlich nicht die initiativen Anbieter, sondern Händler. In einem weiteren mir bekannten Fall hat der Rechtstexteanbieter von vorneherein versucht, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Der Händler blieb auf einem Schaden von über 4.500 € sitzen.

Verantwortungsloses Handeln

In meinen Augen handeln Dienstleister verantwortungslos gegenüber den Händlern. Sie versprechen Sicherheit und Schutz vor Abmahnungen. Dieser ist jedoch nicht gegeben.

Die Initiative zielt darauf ab, dass von den Teilnehmern der Initiative untereinander festgestellte Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrechtsverletzungen schnell, mit geringem Aufwand und ohne Kosten beseitigt werden. ( Quelle: haendlerbund.de)

Händler, die sich auf die Werbeaussagen verlassen und denken, dass sie sich erfolgreich gegen Abmahnungen wehren können, verlieren viel Geld, wenn ein Gericht die Rechtmäßigkeit der Vereinbarung nicht anerkennt. Genau so, wie im aktuellen Fall vor dem OLG Hamburg geschehen.

(Quelle hanedlerbund.de | Das hier getätigte Versprechen ist in meinen Augen irreführend und falsch)

Aus Anwaltskreisen war bereits kurz nach dem Start solcher Angebote zu hören, sie erwarten nicht, dass diese Vereinbarungen bei gerichtlicher Prüfung Bestand habe. Ein Rechtsanwalt einer größeren Kanzlei äußerte sich gegenüber Wortfilter: »Solche Urteile waren eigentlich zu erwarten. Schade, dass es die Händler nun ausbaden müssen und es nicht die Dienstanbieter trifft«.

2.) Mehr Sorglosigkeit

Der gegenseitige Verzicht auf sofortige kostenpflichtige Abmahnungen trägt zu einer Auflösung der bestehenden Spannungs- und Angstlage bei, die derzeit mit einer gewerblichen Tätigkeit im E-Commerce verbunden ist. Kann sich der Online-Händler nämlich sicher sein, bei etwaigen Rechtsverstößen zunächst einen kostenfreien Hinweis zu erhalten, muss er sich nicht mehr der stetigen Erwartung ausgesetzt sehen, hierfür unmittelbar zur finanziell belastenden Rechenschaft gezogen zu werden. Dies relativiert gleichsam die Furcht vor der geltenden Rechtslage, weil das Bewusstsein gestärkt wird, bei Umsetzungsfehlern auf mildere rechtliche Konsequenzen hoffen zu können und zunächst mit einer Schonfrist zur Nachbesserung bedacht zu werden.

Die „Fairness im Handel“-Initiative trägt so dazu bei, dass Online-Händler ihrer Tätigkeit wieder sorgloser nachgehen können und konkurrierende Unternehmen nicht als kampflustige Feinde wahrnehmen müssen, sondern sie als Spieler im eigenen Team des fairen Wettbewerbs wissen dürfen. (Quelle: it-recht-kanzlei.de)

All about PR

Unglücklicherweise scheint sich bei den Anbietern solcher Initiativen weniger der juristische Sachverstand als eher der Gedanke an geile PR durchgesetzt zu haben. Wieder mal haben hier die Händler das Nachsehen. Schade.

Was ihr jetzt wissen müsst und wie ihr euch jetzt verhalten solltet

Wenn ihr Teilnehmer solcher Initiativen seid, dann vergesst bitte ganz schnell, dass sie euch absichern, wenn ihr von einem Mit-Teilnehmer kostenpflichtig abgemahnt werdet. Den ultimativen Schutz, den euch die beiden initiativen ›Faircommerce‹ und ›Fairness im Handel‹ vom Händlerbund und von der IT Recht Kanzlei versprechen, gibt es nicht.

Erhaltet ihr also eine Abmahnung, lasst euch nicht wegen beidseitiger Teilnahme an der Initiative auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ein. Die Chancen zu unterliegen sind wahrscheinlich sehr groß.

Ich glaube nicht, dass es nötig ist, eure Teilnahme zu kündigen. De facto ist eure Teilnahme nicht schädlich.

Fazit und was ich mir wünschen würde

Liebe Dienstleister, handelt bitte verantwortungsvoll. So smart und PR-mäßig sexy auch eure Versprechen waren, im Fokus steht die Sicherheit der Händler, nicht der Erfolg eurer PR-Aktionen. Wenn die Möglichkeit besteht, dass Händler auf eure Aussagen vertrauen und sich deswegen auf einen Prozess einlassen in dem sie schlussendlich unterlegen sind, dann übernehmt bitte die Kosten oder stampft ganz schnell diese Angebote ein.

Selbst wenn einige Gerichte eure Initiativen stützen. Das ist zwar schön, aber das löst nicht die Risikoumgebung auf in der sich Händler begeben, wenn sie versuchen, sich juristisch zu wehren.

Fazit: Eure Angebote schaden den Händlern mehr als sie nutzen. Sie stellen eine zusätzliche Gefahr dar und wiegen die Teilnehmer in nicht vorhandener Sicherheit. Bitte stampft sie endlich ein.