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OLG Hamburg: ‘Fairer Handeln’-Initiativen greifen nicht

Langsam wird die Vermutung, dass sämtliche ›Fairness im Handel‹-Initiativen als Schutz gegen Abmahnungen nichts bringen klar. Das bestätigen nach und nach Urteile verschiedener LG und OLG. Aktuell hat das OLG Hamburg entschieden, dass die Geltendmachung eines gerichtlichen Anspruchs trotz Teilnahme an einer Initiative möglich sei.

Die Initiativen waren schön gedacht, helfen in der Praxis aber nicht

Die Grundidee dieser Konstrukte war es, dass teilnehmende Mitglieder sich nicht mehr gegenseitig abmahnen können. Hierdurch sollte die Abmahnwut vieler Händler untereinander eingedämmt werden. In der Praxis kann sich diese Idee nicht durchsetzen. (OLG Hamburg, Beschl. v. 26.04.2018 – Az.: 3 W 39/18)

Händlerbund & IT Recht Kanzlei München betroffen

Beide Rechtstextedienstleister haben sich stark für das Thema engagiert und diese Initiativen versucht, zu etablieren: FairCommerce nennt es der Händlerbund und ‘Fairness im Handel‘ die IT Recht Kanzlei aus München von Rechtsanwalt Max-Lion Keller.

(Quelle: Händlerbund & IT Recht Kanzlei München)

Das aktuelle Urteil des OLG Hamburg, Beschl. v. 26.04.2018 – Az.: 3 W 39/18 betrifft das Angebot der IT Recht Kanzlei. Allerdings dürfte der Inhalt des Beschlusses auch 1 zu 1 auf das Angebot des Händlerbunds übertragbar sein.

Wie sieht es das OLG Hamburg?

Die auf Wettbewerbsrecht spezialisierte Kanzlei Dr. Bahr berichtet in ihrem Newsletter:

Die Beklagten boten auf eBay als Händler entsprechende Waren an. Sie wiesen dabei zwar auf die OS-Schlichtungsplattform hin, gestalteten den Hinweis jedoch nicht als klickbaren Link, sondern nur als reinen Text. Hiergegen ging die Klägerin vor.

Die Beklagten wandten ein, dass das Verhalten der Klägerin rechtsmissbräuchlich sei. Denn beide Parteien seien Mitglied der eCommerce-Initiative “Fairness im Handel”. Nach § 4 der Satzung hätten sich beide verpflichtet, vor einer außergerichtlichen Abmahnung unentgeltlich und informell auf die Rechtsverletzung hinzuweisen.

§ 4 Abs.2 der Satzung lautet:

“Kommt es gleichwohl einmal zu einer Rechtsverletzung, so verpflichten sich die Teilnehmer wechselseitig, denjenigen Teilnehmer, der die Rechtsverletzung begangen hat bzw. der für die Rechtsverletzung haftet, vor Einleitung kostenpflichtiger außergerichtlicher oder gerichtlicher Maßnahmen zunächst unentgeltlich und informell auf die bestehende Rechtsverletzung hinzuweisen und diesem binnen einer Frist von sieben Tagen Gelegenheit zur Beseitigung des festgestellten Verstoßes zu geben.”Das OLG Hamburg bejahte den Unterlassungsanspruch der Klägerin.

[…]

Auch der Umstand, dass beide Parteien Mitglieder in der Initiative “Fairness im Handel” seien, führe zu keiner Änderung.

Denn die Teilnahme an der Initiative stehe der Geltendmachung des gerichtlichen Unterlassungsanspruchs nicht entgegen. Denn in der Satzung werde klargestellt, dass mit der Mitgliedschaft kein Verzicht auf den Unterlassungsanspruch verbunden sei. Insofern sei der Einwand unerheblich.

Ausser Spesen nix gewesen? Doch, Kosten!

Da beide Angebote sich in der Praxis wenig bis gar nicht bewähren und den Händlern mehr Arbeit als Nutzen bringen, ist dem so. Bereits in der Vergangenheit wurde ja schon von verschiedenen Herausforderungen mit solchen Initiativen berichtet. Als Beispiel nenne ich hier die nicht grundsatzkonforme Linksetzung in eBay Listings. Ausgebadet wurde das meist auf den Rücken der Händler.

Wie auch in o. g. Fall haben sich Händler auf die Rechtmäßigkeit dieser Initiativen verlassen und sich gewehrt, leider aber verloren. Die Kosten tragen vermutlich nicht die initiativen Anbieter, sondern Händler. In einem weiteren mir bekannten Fall hat der Rechtstexteanbieter von vorneherein versucht, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Der Händler blieb auf einem Schaden von über 4.500 € sitzen.

Verantwortungsloses Handeln

In meinen Augen handeln Dienstleister verantwortungslos gegenüber den Händlern. Sie versprechen Sicherheit und Schutz vor Abmahnungen. Dieser ist jedoch nicht gegeben.

Die Initiative zielt darauf ab, dass von den Teilnehmern der Initiative untereinander festgestellte Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrechtsverletzungen schnell, mit geringem Aufwand und ohne Kosten beseitigt werden. ( Quelle: haendlerbund.de)

Händler, die sich auf die Werbeaussagen verlassen und denken, dass sie sich erfolgreich gegen Abmahnungen wehren können, verlieren viel Geld, wenn ein Gericht die Rechtmäßigkeit der Vereinbarung nicht anerkennt. Genau so, wie im aktuellen Fall vor dem OLG Hamburg geschehen.

(Quelle hanedlerbund.de | Das hier getätigte Versprechen ist in meinen Augen irreführend und falsch)

Aus Anwaltskreisen war bereits kurz nach dem Start solcher Angebote zu hören, sie erwarten nicht, dass diese Vereinbarungen bei gerichtlicher Prüfung Bestand habe. Ein Rechtsanwalt einer größeren Kanzlei äußerte sich gegenüber Wortfilter: »Solche Urteile waren eigentlich zu erwarten. Schade, dass es die Händler nun ausbaden müssen und es nicht die Dienstanbieter trifft«.

2.) Mehr Sorglosigkeit

Der gegenseitige Verzicht auf sofortige kostenpflichtige Abmahnungen trägt zu einer Auflösung der bestehenden Spannungs- und Angstlage bei, die derzeit mit einer gewerblichen Tätigkeit im E-Commerce verbunden ist. Kann sich der Online-Händler nämlich sicher sein, bei etwaigen Rechtsverstößen zunächst einen kostenfreien Hinweis zu erhalten, muss er sich nicht mehr der stetigen Erwartung ausgesetzt sehen, hierfür unmittelbar zur finanziell belastenden Rechenschaft gezogen zu werden. Dies relativiert gleichsam die Furcht vor der geltenden Rechtslage, weil das Bewusstsein gestärkt wird, bei Umsetzungsfehlern auf mildere rechtliche Konsequenzen hoffen zu können und zunächst mit einer Schonfrist zur Nachbesserung bedacht zu werden.

Die „Fairness im Handel“-Initiative trägt so dazu bei, dass Online-Händler ihrer Tätigkeit wieder sorgloser nachgehen können und konkurrierende Unternehmen nicht als kampflustige Feinde wahrnehmen müssen, sondern sie als Spieler im eigenen Team des fairen Wettbewerbs wissen dürfen. (Quelle: it-recht-kanzlei.de)

All about PR

Unglücklicherweise scheint sich bei den Anbietern solcher Initiativen weniger der juristische Sachverstand als eher der Gedanke an geile PR durchgesetzt zu haben. Wieder mal haben hier die Händler das Nachsehen. Schade.

Was ihr jetzt wissen müsst und wie ihr euch jetzt verhalten solltet

Wenn ihr Teilnehmer solcher Initiativen seid, dann vergesst bitte ganz schnell, dass sie euch absichern, wenn ihr von einem Mit-Teilnehmer kostenpflichtig abgemahnt werdet. Den ultimativen Schutz, den euch die beiden initiativen ›Faircommerce‹ und ›Fairness im Handel‹ vom Händlerbund und von der IT Recht Kanzlei versprechen, gibt es nicht.

Erhaltet ihr also eine Abmahnung, lasst euch nicht wegen beidseitiger Teilnahme an der Initiative auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ein. Die Chancen zu unterliegen sind wahrscheinlich sehr groß.

Ich glaube nicht, dass es nötig ist, eure Teilnahme zu kündigen. De facto ist eure Teilnahme nicht schädlich.

Fazit und was ich mir wünschen würde

Liebe Dienstleister, handelt bitte verantwortungsvoll. So smart und PR-mäßig sexy auch eure Versprechen waren, im Fokus steht die Sicherheit der Händler, nicht der Erfolg eurer PR-Aktionen. Wenn die Möglichkeit besteht, dass Händler auf eure Aussagen vertrauen und sich deswegen auf einen Prozess einlassen in dem sie schlussendlich unterlegen sind, dann übernehmt bitte die Kosten oder stampft ganz schnell diese Angebote ein.

Selbst wenn einige Gerichte eure Initiativen stützen. Das ist zwar schön, aber das löst nicht die Risikoumgebung auf in der sich Händler begeben, wenn sie versuchen, sich juristisch zu wehren.

Fazit: Eure Angebote schaden den Händlern mehr als sie nutzen. Sie stellen eine zusätzliche Gefahr dar und wiegen die Teilnehmer in nicht vorhandener Sicherheit. Bitte stampft sie endlich ein.

Urteil: Abmahnung wegen zusammengefasster Bewertungen im Shop

Unter dem Aktenzeichen 33 O 159/16 wurde am 11. Juli 2017 vor dem Landgericht Köln ein spannender Fall verhandelt. Am 1. August gab es das Urteil. Ein Onlinehändler veröffentlichte auf seinem Shop ein Bewertungs-Plug-in, welches die Bewertungen aller seiner Verkaufskanäle zusammenfasst und darstellt. Ein Wettbewerber fand diese Darstellung irreführend und mahnte ab. Er bekam Recht.

Bewertungen sind wichtig. Sie sind das hervorstechende Reputationsinstrument und beeinflussen die Kaufentscheidung der Konsumenten. Viele Händler sammeln Bewertungen über unterschiedliche Absatzkanäle: Amazon, eBay, der eigene Shop oder auch Facebook. Einige Bewertungsportale ermöglichen die zusammengefasste Darstellung der Bewertungen im eigenen Shop. Eigentlich ein guter Ansatz, da im eigenen Shop kaum Bewertungen abgegeben werden. Aber auch nur eigentlich.

Was war passiert, worum geht es?

Ein Händler hat nun wegen dieser zusammengefassten Darstellung eine Abmahnung erhalten. Abgemahnt wurde konkret die Darstellung dieses Widgets von ausgezeichnet.org.

(Quelle: Screenshot ausgezeichnet.org)

Der Marktbegleiter rügte, dass diese Darstellung irreführend sei. Die Richter des Landgericht Köln folgten seiner Argumentation und der Händler verlor das Verfahren. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Formulierung ‘x Bewertungen von mehreren Portalen’ von Konsumenten falsch verstanden werden kann. Dargestellt werden ja nicht ausschließlich Bewertungen dieses Shops, also dieser Website, sondern auch Präsenzen auf eBay und Amazon.

(Quelle: Auszug aus dem Urteil)

Das vollständige Urteil 3 O 159/16 könnt ihr euch hier ansehen und downloaden.

Ist das nun irreführend?

Na ja, die Verkaufsregeln auf Amazon, eBay, dem eigenen Shop und auch Facebook sind ja nun sehr unterschiedlich. Verkaufe ich über Amazon FBA, so kann beispielsweise die Versandleistung erst gar nicht bewertet werden. Bevorzugt ihr eBay beim Service, so ist auch eure Serviceleistung nicht mit der des eigenen Shops vergleichbar. Und seid mal ehrlich: Es ist ja tatsächlich so, dass ihr oft die Zähne zusammenbeißt, wenn Konsumenten mit Bewertungen auf Plattformen drohen. Also ganz krude ist der Gedanke des Abmahners nicht, oder?

Wer ist alles betroffen?

Einfach: Alle Händler die Bewertungs-Plug-ins von Anbietern nutzen, die eine konsolidierte Darstellung der Bewertungen ermöglichen. Überprüft also euer Plug-in und fragt euren Anwalt oder Rechtstextedienstleister, ob eure Darstellung des Kunden-Feedbacks vor dem Hintergrund dieses Urteils neu bewertet werden muss.

Achtung bei: ausgezeichnet.org und shopvote.de

Bei meiner Recherche sind mir diese 2 Anbieter besonders ausgefallen. ausgezeichnet.org ist ja in dem Urteil erwähnt, aber auch shopvote.de kann davon betroffen sein. Pikant, shopvote wird vom Rechtstexteanbieter IT-Recht-Kanzlei empfohlen und selbst eingesetzt.

Quelle: Screenshot it-recht-kanzlei.de | IT-Recht Kanzlei Keller-Stoltenhoff, Keller)

Ob die leicht abgeänderte Formulierung ‘unterschiedl. Präsenzen’ ausreichend ist, den Tatbestand der Irreführung zu umgehen, wage ich zu bezweifeln. Denn auch aus dieser Formulierung wird nicht klar, was denn nun eigentlich gemeint ist. Wird die Seite auf 3 Präsenzen bewertet oder ist es ein unterschiedlicher Auftritt. Fazit: Augen auf beim Käsekauf!

Wenn das mal Schule macht

Bisweilen liegt ja nur ein Landgerichtsurteil vor. Das bedeutet, das Risiko, dass auch andere LG diesem Urteil folgen, kann noch nicht abgeschätzt werden. Setzt sich diese Beurteilung aber durch, dann wären sämtliche Auftritte, die o. g. Widget verwenden, massiv abmahngefährdet. Und auch jetzt ist es nicht ohne: Euer Marktbegleiter braucht ja nur das LG Köln wählen.

Fazit

Die Anbieter solcher zusammenfassender Widgets sollten schnell eine rechtssichere Lösung finden. Auch wenn noch kein Urteil eines OLG vorliegt, so sollte den Händlern zügig eine sichere Verwendung des Widgets angeboten werden. Ich würde mir wünschen, dass shopvote.de und ausgezeichnet.org ihre Kunden proaktiv informieren und warnen würden.