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Herrschaftszeiten! Wo sind wir denn, dass das „Wo“ so wichtig ist?

Im Versandhandel, denn hier spielt der „Ort der Lieferung“ eine wichtige Rolle. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird als Ort der Lieferung jener Ort bezeichnet, an dem Ware physisch in Empfang genommen wird – wenn also der Postmann klingelt.

Erfahrene Versandhändler*innen wissen, dass im Versandhandel der Ort der Lieferung gleichbedeutend ist mit der „Verschaffung der Verfügungsmacht“.

Aber, Herrschaftszeiten, warum ist das wichtig?

Versandhändler*innen müssen zwischen Lieferung und Warenbewegung unterscheiden, um festzustellen in welchem Land die Mehrwertsteuer zu zahlen ist. Lieferung ist die Verschaffung der Verfügungsmacht, eine tatsächlich physische Warenbewegung ist hier unerheblich.

Daraus folgt, dass Mehrwertsteuer in dem Land zu bezahlen ist, wo sich der Ort der Lieferung befindet.

Bei grenzüberschreitenden Lieferungen (Cross-border) in der EU gilt aber das Bestimmungslandprinzip, welches festlegt, dass sich der Ort der Lieferung dort befindet, wo die Warenbewegung endet.

Herrschaftszeiten! Das widerspricht sich doch, weil die Verfügungsmacht im Versandhandel mit Übergabe der Ware an den Logistiker verschafft wird.

Mit dem Bestimmungslandprinzip sollen Wettbewerb und Steuergerechtigkeit in der EU aufrechterhalten werden. Ohne das Bestimmungslandprinzip wäre es nämlich für Versandhändler*innen vorteilhaft, ihre Waren aus jenem EU-Mitgliedsland zu versenden, in dem die Mehrwertsteuer am niedrigsten ist.

Das Bestimmungslandprinzip ist eine gute Sache – aber: keine Regel ohne Ausnahme.

Um innerhalb der EU nicht schon bei kleineren grenzüberschreitenden Versandhandelslieferungen die Umsatzsteuerpflicht auszulösen, sind Lieferschwellen definiert – auch bekannt als Versandhandelsregelung.

EU-Mitgliedsländer definieren eine bestimmte Nettoumsatzhöhe pro Jahr, die es Versandhändler\*innen erlaubt, die Mehrwertsteuer in dem Land, wo die Warenbewegung beginnt, zu bezahlen.

Damit werden alle Lieferungen, in Bezug auf die Mehrwertsteuer, in ein anderes EU-Mitgliedsland wie Inlandslieferungen behandelt – bis die Lieferschwelle im Lieferland überschritten wird.

Deshalb müssen Versandhändler*innen ihre Versanddaten im Griff haben und sicherstellen, dass Warenbewegungen und Warenwerte vollständig erfasst werden.

Mit der Lieferung, mit der die Lieferschwelle überschritten wird, verlagert sich der Ort der Lieferung automatisch in das Land, wo die Warenbewegung endet, und die Mehrwertsteuer zu dieser Lieferung ist im Empfängerland zu versteuern.

Versandhändler*innen haben allerdings die Möglichkeit, auf die Anwendung der Lieferschwellenregelung zu verzichten – auch bekannt als „Optierung“. Dabei handelt es sich um eine Mitteilung an die zuständigen Behörden, dass auf die Anwendung der Lieferschwelle verzichtet wird.

Diese Mitteilung ist in jenem Land vorzunehmen, wo die Warenbewegungen beginnt (Lagerland), und auch in jenem Land, wo die Warenbewegungen endet (Lieferland). Die Form der Mitteilung sowie die einzuhaltenden Fristen unterscheiden sich von Land zu Land.

Wichtig: Die Optierung ist für jede Länderkombination durchzuführen!

Nutzen Versandhändler*innen mehrere Fulfillment-Lager in der EU, wie das z. B. beim Programm „Fulfillment by Amazon“ (FBA) der Fall ist, sind für die Nutzung dieses Angebots steuerliche Registrierungen in den Lagerländern zwingend notwendig. Hierbei muss aber beachtet werden, dass eine steuerliche Registrierung nicht automatisch den Verzicht auf die Lieferschwellenregelung bedeutet (siehe auch: https://wortfilter.de/falsche-bestimmung-des-ortes-der-lieferung-kann-zu-schweren-problemen-fuehren/ ).

Unsere Mission

Sämtliche Informationen und Tools für die Einhaltung von Rechten und Pflichten aus dem grenzüberschreitenden Leistungsaustausch zugänglich und nutzbar zu machen!

DutyPay ist überzeugt, dass ein fairer internationaler Handel zu einem nachhaltigen globalen Wirtschaftswachstum führt. Der internationale Leistungsaustausch führt zu Wohlstand, Innovation und einer friedlicheren Welt, geprägt von Respekt und Verständnis.

Jede wirtschaftliche Handlung, jeder Leistungsaustausch von Personen und Unternehmen führt nicht nur beiderseits zu Rechten und Pflichten, sondern auch zu Pflichten gegenüber der Gemeinschaft in Form von Zoll-, Finanz- und sonstigen Aufsichtsbehörden.

Die Kenntnis und Einhaltung von Rechten und Pflichten im grenzüberschreitenden Warenverkehr ist daher nicht nur Voraussetzung für nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen, sie ist zunehmend auch ein Wettbewerbsvorteil im Kampf um internationale Absatzmärkte.

Lieferung in die Schweiz mit Fulfillment by Amazon

Amazon ermöglicht wieder Lieferungen in die Schweiz für Versandhändler*innen, die das Fulfillment by Amazon (FBA) nutzen. Amazon hat verstanden, dass der Onlinekauf für Schweizer Kunden*innen ohne zusätzlichen Aufwand für Zoll und Einfuhrumsatzsteuer ablaufen sollte.


Häufig überlassen EU-Versandhändler*innen ohne Schweizer Mehrwertsteuer ihren Kunden*innen die Abführung gesetzlicher Abgaben. 


Im Gegensatz dazu bieten Versandhändler*innen mit Schweizer Mehrwertsteuer den Vorteil, dass die Bestellung für die Kund*innen ohne Aufwand für Zoll und Einfuhrumsatzsteuer abläuft. Dies stellt ein essenzielles Kaufkriterium für Kund*innen in der Schweiz und einen Wettbewerbsvorteil für Versandhändler*innen dar.

„Amazon wird die Schweizer Zollgebühren und die Einfuhrumsatzsteuer vom Kunden einziehen und deren korrekte Zahlung an die Schweizer Steuerbehörden bei der Einfuhr des Pakets sicherstellen. Für Verkaufspartner, die FBA nicht nutzen, ändert sich nichts und sie können ihr Geschäft wie bisher weiterführen.“ (Quelle: https://www.internetworld.de/plattformen/amazon/amazon-fba-export-in-schweiz-oeffnen-2581949.html, 09.11.2020)

Damit öffnet Amazon den Zugang zum lukrativen Schweizer Markt für FBA-Versandhändler*innen.

Für Versandhändler*innen in der Europäischen Union (EU) ist die Schweiz ein sogenanntes Drittland, also KEIN Mitgliedsland der EU. Damit unterliegen Warenbewegungen zwischen der EU sowie der Schweiz dem Zollrecht.  

Dieser Umstand hat zur Folge, dass beim Versand in die Schweiz die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) und ggf. Zollgebühren anfallen. Ausgenommen hiervon sind Kleinsendungen (= Warensendung mit Steuerbetrag kleiner 5 CHF) von Versandhändler*innen, die nicht steuerpflichtig (= Jahresumsatz kleiner 100.000 CHF mit Kleinsendungen) sind. 

Warensendungen, deren Mehrwertsteuerbetrag größer als 5 CHF ist, unterliegen grundsätzlich der Einfuhrumsatzbesteuerung.

Als Fulfillment– und Logistikdienstleister übernimmt Amazon die Aufgaben im Einfuhrverfahren!? 

Amazon möchte den Mehraufwand aufseiten der Kund*innen vermeiden und kündigt an, die korrekte Zahlung an die Schweizer Steuerbehörden bei der Einfuhr des Pakets sicherzustellen. 

Offen ist hier, wie Amazon diesen Service mit Versandhändler*innen abrechnet und wie Belegnachweise bereitgestellt werden.

Eine steuerliche Registrierung in der Schweiz ist ein wichtiger Schlüssel für einen rechtsicheren und kostenoptimierten Versandhandel.

  • Kosten für die steuerliche Registrierung: 499 EUR
  • Monatliche Kosten für Meldungen und Fiskalvertretung: 89 EUR/Monat

Versandhändler*innen mit Schweizer Mehrwertsteuernummer machen die gezahlte Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Ebenso ist bei Retouren eine Korrektur der Steuerzahllast möglich. Ohne steuerliche Registrierung ist die Verrechnung von gezahlter Einfuhrumsatzsteuer jedoch nicht möglich. 

In Zusammenarbeit mit der Schweizer Steuerberatungsgesellschaft cmt ag bietet die DutyPay GmbH die steuerliche Registrierung und die Meldungen für EU-Versandhändler*innen an.

In einem Beratungsgespräch werden alle wichtigen Aspekte für die steuerliche Registrierung geklärt.

Anschließend erhalten Versandhändler*innen die notwendigen Checklisten und Formulare zur Durchführung der steuerlichen Registrierung.

Ein wichtiger Bestandteil dabei ist die Unterstellungserklärung, die im Folgenden kurz erläutert werden soll.

Mit der Unterstellungserklärung wird sichergestellt, dass Versandhändler*innen die Waren im eigenen Namen in die Schweiz importieren können. Sie sind damit subjektiv steuerpflichtig und vorsteuerabzugsberechtigt.

Des Weiteren wird der Lieferort in die Schweiz verlagert. Im Gegensatz dazu wären ohne Unterstellungserklärung Versandhändler*innen Exporteur*innen und Schweizer Kund*innen Importeur*innen mit Lieferort im Versandland der Versandhändler*innen. 

Schweizer Kund*innen erhalten eine Rechnung inkl. Schweizer MwSt. und kennen bereits bei der Bestellung sämtliche Kosten. Dabei handelt es sich um einen Umstand, der für Schweizer Kund*innen bei EU-Versandhändler*innen (noch) nicht selbstverständlich ist..

Ohne Unterstellungserklärung ist grundsätzlich der Schweizer Kunde Importeur und Träger der Zollgebühren und Mehrwertsteuer. 

WICHTIG: Um gezahlte Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend zu machen, ist der Sitz der Fiskalvertretung auf der Veranlagungsverfügung (Vorsteuerbeleg) zu vermerken. Die Veranlagungsverfügung ist elektronisch zu archivieren.

Eine steuerliche Registrierung kann erfahrungsgemäß in zwei bis drei Wochen abgeschlossen werden. 

Mehrwertsteuermeldungen 

Im Rahmen der monatlichen Bereitstellung der Transaktionsdaten im TaxHub durch Versandhändler*innen werden die Meldedaten aufbereitet und für die Mehrwertsteuermeldungen der cmt ag bereitgestellt. 

Ausblick 

Amazon ermöglicht mit Lieferungen in die Schweiz vielen FBA-Versandhändlern*innen großartige Wachstumsmöglichkeiten. Doch wie so oft, schafft Amazon wieder einmal Fakten und erwartet von seinen Partner*innen eine schnelle Anpassung an die Gegebenheiten. 

Wie oben erwähnt, ist in Bezug auf den genauen Ablauf und die Datenverfügbarkeit aus dem Einfuhrverfahren durch Amazon bislang wenig bekannt. Sobald hier neue Erkenntnisse vorliegen, werden wir diesen Artikel aktualisieren.

Dennoch möchten wir Versandhändler*innen, welche die Schweiz als gewinnbringenden Absatzmarkt erkennen, dazu ermutigen, sich rechtzeitig um eine steuerliche Registrierung und die Umsetzung der Anforderungen zu bemühen.

Unsere Mission 

Sämtliche Informationen und Tools für die Einhaltung von Rechten und Pflichten aus dem grenzüberschreitenden Leistungsaustausch zugänglich und nutzbar zu machen!


DutyPay ist überzeugt, dass ein fairer internationaler Handel zu einem nachhaltigen globalen Wirtschaftswachstum führt. Der internationale Leistungsaustausch führt zu Wohlstand, Innovation und durch Respekt und Verständnis zu einer friedlicheren Welt.

Jede wirtschaftliche Handlung, jeder Leistungsaustausch von Personen und Unternehmen führt nicht nur beiderseits zu Rechten und Pflichten, sondern auch zu Pflichten gegenüber der Gemeinschaft in Form von Zoll-, Finanz- und sonstigen Aufsichtsbehörden.

Die Kenntnis und Einhaltung von Rechten und Pflichten im grenzüberschreitenden Warenverkehr ist daher nicht nur Voraussetzung für nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen, sie ist zunehmend auch ein Wettbewerbsvorteil im Kampf um internationale Absatzmärkte.

Ressourcen

Falsche Bestimmung des „Ortes der Lieferung (=Steuerland)“ kann zu schweren Problemen führen

E-Commerce-Händler in der EU, die nach Großbritannien verkaufen, nutzen Fulfillment-Services, um Kunden in Großbritannien wie Amazon FBA zu beliefern. Um den MwSt.-Vorschriften zu entsprechen, registrieren sich diese EU-E-Commerce-Händler im Vereinigten Königreich.

Bei grenzüberschreitenden Versandhandelslieferungen bestimmt der „Ort der Lieferung“ , in welchem ​​Land Mehrwertsteuer erhoben und ausgewiesen werden muss. Wenn der E-Commerce-Händler nicht formell auf die Anwendung der Lieferschwellenregelung (Optierung) verzichtet oder die Lieferschwelle nicht überschritten wurde, ist der „Ort der Lieferung“ das Land, in dem die Lieferung beginnt.

In Deutschland und anderen EU-Ländern haben möglicherweise Tausende E-Commerce-Händler die britischen Mehrwertsteuerregeln falsch interpretiert. Mit Beginn der VAT-Registrierung in Großbritannien wurde die britische Mehrwertsteuer auf alle Versandhandelslieferungen an Endkunden (non-taxable person) mit Sitz im Vereinigten Königreich angewendet. Damit haben diese Händler ihre Mehrwertsteuerpflichten in Deutschland und anderen EU-Ländern nicht erfüllt. Sie schulden diesen Ländern noch die Mehrwersteuer, die fälschlicherweise in UK gezahlt wurde.

Die Zahlung der nicht-geschuldeten Mehrwertsteuer an Großbritannien führt NICHT zu einer Befreiung der zu zahlenden Mehrwertsteuer im Ursprungsland. Zudem ist eine Rückzahlung der nicht-geschuldeten Mehrwersteuer in Großbritannien nicht garantiert und könnte abgelehnt werden.

Im Rahmen einer Prüfung bei einem deutschen E-Commerce-Händler hat die britische Steuerbehörde (HMRC) zunächst verlangt, dass für alle Lieferungen seit Beginn der steuerlichen Registrierung in UK auch britische Mehrwertsteuer zu entrichten sind. Gegen diese Entscheidung wurde Einspruch eingelegt, welche vom HMRC dahingehend gewürdigt wurde, dass keine britische Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Versandhandelslieferungen an Endkunden aus anderen EU-Staaten zu entrichten sind. Diese Regelung gilt für den Zeitraum, in dem der E-Commerce-Händler: a) die Lieferschwelle nicht überschreiten hat und b) nicht auf die Anwendung der Lieferschwellenregelung (Optierung) formell verzichtet hat.

E-Commerce-Händler, welche den „Ort der Lieferung“ falsch bestimmt haben, stehen damit vor den folgenden Herausforderung:

a) die in Großbritannien fälschlicherweise gezahlte Mehrwertsteuer zurückfordern,

b) alle Rechnungen mit falsch ausgewieser Mehrwertsteuer korrigieren,

c) alle betroffenen VAT-Meldungen in allen betroffenen Ländern (Großbritannien und allen Ursprungsländern, aus denen versendet wurde) korrigieren,

d) die korrekte Mehrwertsteuer in den betroffenen Ländern zahlen und schließlich

e) hoffen, dass in Bezug auf die Verzugszahlungen ein Antrag auf Erlass genehmigt wird.

Aufgrund der unterschiedlichen Steuersätze pro Land führen die Mehrwertsteuerdifferenzen ggf. noch zu notwendigen steuerlichen Auswirkungen in der Ertragsbesteuerungen.

Hinweis: Dieser Text wurde sorgfältig und nach bestem Gewissen erstellt und ersetzt nicht die individuelle steuerliche und/oder rechtliche Beratung. Für die Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit wird keine Gewähr übernommen.

Umsatzsteuerreform in der EU: Was bedeutet das für euch?

Die Europäische Union (EU) steht vor der größten Steuerreform seit ihrer Gründung – mit grundlegenden Änderungen für den Onlinehandel. Wir erklären euch, welche Änderungen in den nächsten Jahren auf euch als Onlinehändler zukommen könnten.

Es handelt sich derzeit nur im Vorschläge der EU-Kommission, welche alle Mitgliedstaaten noch einstimmig genehmigen müssen. Eine Tendenz ist aber definitiv unumkehrbar. Für die Umsatzsteuer-Compliance im grenzüberschreitenden Handel braucht ihr zwingend einen automatisierten Prozess, der von der Datentziehung, der laufenden umsatzsteuerlichen Überwachung, den Meldungen im Ausland und der Überführung in die Finanzbuchhaltung reichen muss.

Quelle: Taxdoo-Prozess

Der Grund für die umfassenden Reformvorschläge lässt sich in einer Zahl ausdrücken: Mehr als 150 Milliarden Euro an Umsatzsteuer entgehen den Mitgliedstaaten der EU pro Kalenderjahr. Die Ursachen dafür liegen zum Großteil in einem veralteten und betrugsanfälligen Umsatzsteuerrecht.

Status Quo: ein schlechter Kompromiss

In allen Mitgliedstaaten der EU herrscht ein seit 1993 weitgehend einheitliches (harmonisiertes) Umsatzsteuerrecht. Dieses mittlerweile fast 25 Jahre alte System sollte von Beginn an nur übergangsweise gelten.

Warum?

Eigentlich sollen in der EU alle Dienstleistungen und Warenlieferungen dort besteuert werden, wo sie verbraucht bzw. konsumiert werden, um einen Steuersatzwettbewerb (“Race to the Bottom”) zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden. Dahinter steht das Bestimmungslandprinzip. Das wurde allerdings im bestehenden System nicht konsequent umgesetzt.

Grenzüberschreitende Warenlieferungen an Endverbraucher in der EU (B2C) werden derzeit z.B. erst ab Überschreiten der sogenannten Lieferschwelle im Bestimmungsland versteuert.

Quelle: Taxdoo-Seminar “Steuerliches Controlling im Onlinehandel für Steuerberater”

Grenzüberschreitende Warenlieferungen an Unternehmer in der EU (B2B) sind im Ursprungsland steuerfrei und unterliegen im Bestimmungsland der sogenannten Erwerbsbesteuerung durch den Käufer.

Zu komplex und zu aufwändig

Diese Regelungen laden entweder zum Umsatzsteuerbetrug ein (B2B) oder stellen sehr hohe administrative Hürden dar (B2C).

Im Bereich B2B wird die Umsatzsteuer im Bestimmungsland oft nicht abgeführt (sogenannte Missing-Trader-Problematik). Der Schaden daraus summiert sich mittlerweile auf fast 50 Milliarden Euro pro Kalenderjahr.

Im Bereich B2C ist die administrative Abwicklung nach der Überschreitung von Lieferschwellen eine sehr große bürokratische Hürde, welche nach Schätzungen der EU-Kommission pro Jahr und EU-Staat im Durchschnitt Kosten von 8.000 Euro mit sich bringt.

Aus diesen Gründen sind ab dem Jahr 2019 schrittweise Gesetzesänderungen geplant, die bis zum Jahr 2022 zu einem neuen EU-weiten Umsatzsteuerrecht führen sollen. DieseVorschläge wollen wir euch nun in Kürze vorstellen.

Das große Ziel bis 2022: Besteuerung aller grenzüberschreitenden Lieferungen im Bestimmungsland

Dieses Ziel für grenzüberschreitende Lieferungen innerhalb der EU soll durch die Einführung eines sogenannten One-Stop-Shop (OSS) in allen Mitgliedstaaten erreicht werden.

Mittels OSS, einer zentralen Meldeplattform in jedem Staat, sollt ihr dann alle im EU-Ausland steuerpflichtigen Erlöse melden und die entsprechenden Steuern dafür zentral in eurem Heimatstaat abführen können.

Beispiel: Ihr liefert am 01.01.2022 eine Wandlampe an:

  • einen französischen Endverbraucher und
  • einen französischen Unternehmer.

Frage: Welchen Steuersatz stellt ihr jeweils in Rechnung?

Lösung: Sollte der Vorschlag der EU-Kommission umgesetzt werden, dann rechnet ihr in beiden Fällen 20 Prozent französische Umsatzsteuer ab.

Die EU-Staaten sollen in einem einheitlichen Clearingverfahren diese Steuergelder untereinander zuteilen können.

Die EU-Kommission erwartet dadurch einen Rückgang des Umsatzsteuerbetruges um bis zu 80 Prozent.

Das klingt nach einer großen technischen sowie politischen Herausforderung. Daher schlägt die EU-Kommission die folgenden schrittweisen Anpassungen vor.

2019: B2B-Lieferungen und das Revival der USt-IdNr.

Ab dem 01.01.2019 sollen in der EU grenzüberschreitende B2B-Lieferungen nur noch dann steuerfrei sein, wenn im Rahmen der Steuererklärungen die gültige UStID-Nr. des Erwerbers aufgeführt ist.

Dazu seid ihr zwar auch schon jetzt verpflichtet. Aber diese Meldung der USt-IdNr. war bislang grundsätzlich keine (materiell-rechtliche) Voraussetzung für die Steuerfreiheit von grenzüberschreitenden B2B-Lieferungen.

Betrachtet man die letzten EuGH-Urteile, welche die Daseinsberechtigung der USt-IdNr. immer mehr in Frage gestellt hatten, kann man quasi von einem Revival der USt-IdNr.sprechen.

2019: Der ehrbare Steuerpflichtige

Es soll zudem die Möglichkeit geben, dass ihr euch durch euer Finanzamt eine Bescheinigung als sogenannter Zertifizierter Steuerpflichtiger ausstellen lassen könnt.

Diese Bescheinigung wird zu zahlreichen Erleichterungen, u.a. bei der Dokumentation von grenzüberschreitenden steuerfreien B2B-Lieferungen, führen.

Voraussetzung für dieses Zertifikat wird insbesondere sein:

  • Keine schwerwiegenden steuerrechtlichen Verstöße und wirtschaftliche Straftaten (Hinweis: Gerade der letzte Punkt dürfte manchem Großkonzern derzeit Kopfzerbrechen bereiten)
  • Nachweis eines funktionierenden internen Kontrollsystems (IKS) wie z.B. Taxdoo, das steuerrechtlich relevante Transaktionen möglichst automatisiert bewertet und kontrolliert
  • Nachweis einer hinreichenden Zahlungsfähigkeit

2021: One-Stop-Shop für grenzüberschreitende B2C-Lieferungen

Ab dem 01.01.2021 soll es für den Bereich Onlinehandel die größten Änderungen geben. Die EU-Kommission hat diese in ihrem sogenannten VAT-Action-Plan vorgeschlagen.

Quelle: http://bit.ly/2gYq2EM

Es soll dann grds. nur noch eine EU-weite Lieferschwelle (bzw. Geringfügigkeitsgrenze) in Höhe von 10.000 Euro geben. Wird dieser Schwellenwert überschritten, müssen alle Umsätze in den entsprechenden Bestimmungsländern gemeldet werden.

Diese Meldungen und die damit einhergehenden Steuerzahlungen sollen aber in eurem Heimatstaat (z.B. Deutschland) möglich sein. Technisch nennt sich das dann One-Stop-Shop und wird in Deutschland über das Bundeszentralamt für Steuern abgebildet.

Das klingt zunächst gut. Aber bislang handelt es sich lediglich um einen Vorschlag, dem alleEU-Staaten zustimmen müssen

Damit diese Einstimmigkeit erreicht wird, ist die EU-Kommission zu zahlreichen Zugeständnissen bereit. Das sind insbesondere:

  • Abschaffung der steuer- und zollbefreiten Einfuhr von Waren aus dem Drittland (Hinweis: Dies ist bislang ein Einfallstor für Steuerhinterziehung durch vor allem Händler aus China.)
  • Mehr Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Festlegung reduzierter Steuersätze. Die Kommission schlägt dafür zwei Optionen vor – siehe Grafik

Quelle: EU Kommission (http://bit.ly/2gLGO7a)

Beide Optionen würden vermutlich zu deutlich mehr Steuersätzen in der EU führen, als dies jetzt schon der Fall ist.

2022: One-Stop-Shop für grenzüberschreitende B2B-Lieferungen

Ab dem 01.01.2022 sollen dann auch grenzüberschreitende B2B-Lieferungen nicht mehr im Ursprungsland steuerbefreit sein. Vielmehr sollen sie mit dem Steuersatz das Bestimmungslandes versteuert werden. Die Anmeldung und Abführung der Steuern soll dann ebenfalls mittels One-Stop-Shop möglich sein.

Aussicht auf Erfolg dieser Reformvorschläge?

Grundsätzlich müssen alle Mitgliedstaaten diesen Reformvorschlägen zustimmen, da das Prinzip der Einstimmigkeit gilt.

In der Vergangenheit sind selbst viele kleinere geplante Änderungen im Umsatzsteuerrecht immer wieder am Veto einzelner Mitgliedstaaten gescheitert.

Deutschland hat zudem große Bedenken bei den Reformen, welche in 2021 (B2C-Lieferungen) und 2022 (B2B-Lieferungen) geplant sind. Der dafür erforderliche One-Stop-Shop in allen Mitgliedstaaten ist nach Ansicht der Bundesregierung bzw. des Bundesfinanzministeriums derzeit technisch noch nicht ausgereift.

Unterhält man sich mit in der Sache vertrauten Personen, dann liegt das insbesondere an einigen Mitgliedstaaten, deren Steuer-Infrastruktur dafür auf absehbare Zeit nicht ausgelegt ist. Die folgende Stellungnahme der Bundesregierung vom 08.11.2016 formuliert das etwas diplomatischer.

Quelle: Antwort der Bundesregierung vom 08.11.2016 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen (http://bit.ly/2xEcqHs)

Fazit

Inwieweit die endgültigen Ziele für 2021 und 2022 erreicht werden, ist mehr als fraglich. Derzeit scheinen die Verhandlungen zu stocken, da insbesondere Deutschland der Auffassung ist, dass ein EU-weites Clearing aufgrund der unzureichenden Infrastruktur einiger EU-Staaten auf absehbare Zeit kaum umsetzbar ist.

Andere Reformvorschläge, wie z.B. jene ab 2019, dürften mehr Aussicht auf Erfolg haben.