„Too little, too late“: Warum E-Commerce-Experte Nils Seebach Otto keine Zukunft mehr gibt
Ein Kommentar zur Bilanzpressekonferenz des Hamburger Traditionsunternehmens
Der Hamburger Versandzwerg Otto steckt in schwerem Fahrwasser – das ist bekannt. Doch selten wurde diese Einschätzung so scharf und pointiert formuliert wie jetzt vom E-Commerce-Experten Nils Seebach. In einem LinkedIn-Posting zieht Seebach ein bitteres Fazit nach der jüngsten Bilanzpressekonferenz: „Ich sehe derzeit keinen Grund, warum es Otto in Zukunft noch geben sollte.“ Ein Satz, der sitzt – und eine Diskussion lostritt, die längst überfällig scheint.
Nachhaltigkeit als Nebelkerze? 🌱
Otto möchte sich durch ökologische Verantwortung von der Konkurrenz abheben. Im Zentrum der diesjährigen Pressekonferenz: das Thema Nachhaltigkeit. Doch für Seebach ist genau das Teil des Problems. Während Amazon längst massiv in grüne Logistik investiert, reiche es nicht, bei Otto zehn Minuten über die Rolle von Mooren zu sprechen. „Schwammige Nachhaltigkeits-Claims und Marketingfloskeln sind kein Geschäftsmodell“, so sein Urteil.
Nachhaltigkeit müsse ökonomisch tragfähig und strategisch verankert sein – nicht als Imagepflege, sondern als echter Wettbewerbsvorteil. Sonst bleibt sie ein nettes Feigenblatt, mehr nicht.
400 Millionen Euro Verlust: Der Sparkurs reicht nicht 💸
Für Kopfschütteln sorgt bei Seebach insbesondere die wirtschaftliche Perspektive: 80 Millionen Euro will Otto einsparen – bei einem Verlust von über 400 Millionen Euro im Jahr 2024 (nach Zinsen). Seine Reaktion: „Augenwischerei – oder wie man so schön sagt: Too little, too late.“
Und während das Unternehmen sich in einem 9-prozentigen Wachstum des Marktplatz-GMV sonnt, bleibt unklar, ob unter dem Strich überhaupt ein positiver Deckungsbeitrag erwirtschaftet wird. Eine fundamentale Frage, die bei der Bilanz-PK unbeantwortet blieb.
Strategielosigkeit & Innovationsstillstand 🚫
Auch strategisch scheint Otto derzeit orientierungslos. Der Verkauf von About You, dem wohl einzigen echten Innovationsprojekt innerhalb des Konzerns, zum Bruchteil des Börsenwerts sei laut Seebach ein folgenschwerer Fehler. Statt neue Wachstumsimpulse zu setzen, werde auf alte Konzepte zurückgegriffen.
Die angekündigte Schließung der Callcenter, von denen nur noch ein Prozent des Umsatzes generiert wurde, wird intern als „Innovationsmaßnahme“ gefeiert – für Seebach ein spätes Eingeständnis von Managementversagen.
Händlerpolitik: „Fairer Partner“ oder bloß Fassade? 🧩
Besonders harsch fällt Seebachs Urteil über die aktuelle Marktplatzpolitik aus. Otto inszeniere sich gern als fairer Partner – gleichzeitig komme es zu massenhaften Händlerkündigungen und undurchsichtigen Provisionsanpassungen.
Kritik ist dabei weniger die wirtschaftliche Notwendigkeit solcher Maßnahmen – sondern das Kommunikationsverhalten. Wer Härte zeigt, dürfe nicht gleichzeitig einen Heiligenschein tragen wollen, so Seebach sinngemäß. Dieser Kritik schließt sich sich Autor voller Überzeugung an.
Was jetzt passieren muss: Führung neu denken, Zukunft neu definieren 🧭
Für Nils Seebach ist klar: Otto braucht mehr als ein Sparprogramm. Es brauche klare Worte der Gesellschafter, einen radikalen Neuanfang im Management – und vor allem eine Strategie, die auf profitables Wachstum und nicht auf weichgespülte Marketingbotschaften setzt.
Die Alternativen? Ein Dazwischen gebe es nicht mehr: Zwischen der Übermacht von Amazon und der aggressiven Billig-Konkurrenz durch Temu und Shein drohe Otto zerrieben zu werden. „Dann bleibt vom einst stolzen Hamburger Traditionshaus bald nur noch der Name – in der Regenbogenpresse“, so Seebach.
Fazit: Otto steht an einem Wendepunkt – aber in welche Richtung?
Der Weckruf ist deutlich – und kommt von jemandem, der den Markt kennt. Ob Otto den Mut aufbringt, sich neu zu erfinden? Oder ob der Konzern weiterhin in seiner Trägheit verharrt? Die kommenden Monate werden zeigen, ob das Unternehmen in der Lage ist, sich neu zu positionieren – oder ob Nils Seebach recht behalten wird.
Empfehlungen für Marktplatzhändler:
📌 Behalte die Entwicklungen bei Otto eng im Blick
📌 Diversifiziere deine Vertriebskanäle (z. B. Amazon, Kaufland, Shop-Plattformen)
📌 Achte auf Transparenz & Reaktionszeit bei Provisionsänderungen
📌 Kalkuliere ein mögliches Plattformrisiko – gerade bei strategischer Unklarheit
📌 Zum LinkedIn Post: https://www.linkedin.com/posts/nilsseebach_ich-sehe-derzeit-keinen-grund-warum-es-otto-activity-7310924784672931842-Wy0h
📌 PM der BPK: https://www.otto.de/unternehmen/de/presse/ueber-7-milliarden-euro-otto-steigert-gmv-um-9-prozent