Wer seine Immobilie deutlich erweitern will, überlässt die Planung und Ausführung niemandem, der nur mal erfolgreich eine Sandburg gebaut hat. Für die Erweiterung der digitalen Vertriebskanäle gilt das Gleiche: man muss genug Erfahrung haben, um die Komplexität dahinter zu verstehen.

Der digitale Handel ist kein statisches Gebilde. Im Gegenteil: Kontinuierlich tauchen neue Anbieter, Marktplätze und Kanäle wie Social Commerce auf, die neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen oder neue Regeln aufstellen, ohne dass sich zum Start immer absehen lässt, wie erfolgreich diese werden.

Nehmen wir als Beispiel das Marktplatzgeschäft: Die Spielarten reichen von simplen Produkt-Uploads bis hin zur eigenen Markenpräsenz. Dabei fragt jeder Marktplatz unterschiedliche Produktfelder und Produktdaten an oder benötigt unterschiedlichen Marketing-Content. Und nicht selten ändern die Marktplätze ihre Anforderungen an Schnittstellen und Daten in einer Geschwindigkeit, die Händler aus ihren eigenen Online-Shops nicht gewohnt sind.

Parallel dazu erfordern erfolgreiche Social Media und Social Commerce Aktivitäten auf LinkedIn, Instagram oder TikTok andere Schwerpunkte der Marken- und Produktarbeit. Diese sind eher storytelling-geprägt und funktionieren nach ganz anderen Mechaniken als die klassischen Marktplätze und benötigen daher anderen Marken- und Produkt-Content. Und wer sein Online-Business über Marktplätze, Social Commerce oder den eigenen Online-Shop internationalisieren will, steht vor den nächsten Herausforderungen, seine Produktdaten, den eigenen Content und Logistik, Payment und Kundenservice länderspezifisch anzupassen.

Beim Hausbau muss mehr bedacht werden als die Statik

Im Klartext heißt das: Die vielfältigen Datenstrukturen für dieselben Artikel erfordern bei mehreren Vertriebskanälen eine sehr hohe Kompetenz und Flexibilität im Umgang und in der Verarbeitung von Daten und Informationen. Mit der Komplexität eines solchen Projekts sollten sich Händler im Idealfall schon im Vorfeld auseinandersetzen. Denn im Prinzip lässt sich der Ausbau des eigenen Digitalkanals zum Multichannel-Geschäft vergleichen mit der Erweiterung eines Mehrfamilienhauses zu einem Appartementkomplex mit 30 Einheiten. Wahrscheinlich denkt jeder daran, vorab zu prüfen, ob für die Statik zusätzliche Säulen und Träger eingebaut werden müssen, Zutrittssysteme erneuert oder die Kabelinfrastruktur erweitert werden muss.

Doch wenn übersehen wird, dass der zentrale 4-Personen-Aufzug, der bislang auf vier Stockwerke ausgelegt war, dann zwölf Stockwerke abfahren muss und deutlich mehr Personen je Vorgang und mehr Aktionen je Tag, so mag das eventuell technisch lösbar sein, aber die User Experience der Bewohner wird massiv beeinträchtigt. Eine nachträgliche Nachbesserung nach Fertigstellung verursacht unverhältnismäßig hohen Aufwand.

Kein Bauherr dieser Welt würde einen solchen Umbau seinen Kindern als Versuchsprojekt geben, nur weil diese im Sandkasten schon einmal erfolgreich eine Sandburg gebaut haben. Im digitalen Handel aber ist genau das häufig der Fall: Das durchschnittliche Marktplatz-Team umfasst (frei nach E-Commerce-Berater Stefan Wenzel) „eine Halbtagskraft, einen Praktikanten und einen Bürohund“. Und die müssen im täglichen Doing dann ausbaden, dass im Vorfeld des Erweiterungsbaus eben keine Pläne erstellt wurden, wie lange ein solches Projekt dauert, was es kostet und wo die Stolperstellen und Bottlenecks sind. So wird sich der Erfolg der neuen Initiativen im digitalen Handel wenn überhaupt nur sehr langsam und sehr holprig einstellen, während digitale Profis ihren Vorsprung weiter ausbauen.

Wer zu Beginn eines Erweiterungsbaus die Transportkapazität des Fahrstuhls übersieht, den Durchmesser der Ablaufkanäle falsch kalkuliert oder andere Infrastrukturfragen nicht gut genug durchleuchtet, muss hinterher tief in die Tasche greifen, um diese Fehler zu korrigieren. Mit einer sorgfältigen Planung lassen sich solche Pannen vermeiden. Und im Idealfall leben die bisherigen Bewohner des Mehrfamilienhauses normal ihr Leben weiter und halten auf ihren Balkonen das Gesicht in die Sonne, während um sie herum die Handwerker hämmern.

Den Überblick im Marktplatz-Dschungel behalten

Hilfe im täglichen Marktplatzgeschäft bieten verschiedene Tools und Dienstleister, welche nachfolgende Grafik aus unserer Studie „DIE MARKTPLATZWELT 2022“ exemplarisch darstellt. Wer das Marktplatzgeschäft von Anfang an richtig aufsetzen will, setzt nicht nur auf geschultes Personal, sondern auch auf passende Tools z.B. für Finanzen oder Marketing sowie ggf. auf externe Dienstleister für Logistik und Fulfillment.