Deutschlands große Supermarktketten hinken bei der Digitalisierung ihrer Vertriebskanäle und Einkaufsservices hinterher. Die digitalen Services sind aus Kundensicht nicht zu Ende gedacht und öffnen zusammen mit mangelnder Kanalvernetzung neuen Wettbewerbern unnötigerweise Tür und Tor.

Wie digital-affin sind Deutschlands Supermärkte? Wir haben die digitalen Services von zehn führenden deutschen Lebensmittelhändlern genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Nur Rewe schneidet in der Ausgestaltung von kanalübergreifenden digitalen Services verhältnismäßig gut ab und ist mit seinem Angebot auch im Vergleich mit Anbietern anderer Branchen wettbewerbsfähig. Doch der Check bei Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Globus, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und selbst Rewe zeigt: Es geht noch mehr.

Filialfinder, Handzettel, Rezepte und Einkaufslisten sind Standard

Die gute Nachricht: Die Mindestanforderungen an das Online-Angebot der Supermärkte werden von allen Ketten erfüllt: Filialfinder und Handzettel bzw. Wochenangebote sind bei allen Händlern auf der Website integriert. Auch Rezeptvorschläge gehören mittlerweile bei allen untersuchten Märkten zum Standard des Online-Auftritts. Und immerhin neun von zehn Anbietern haben auch einen Einkaufszettel in ihre Website integriert.

Während die Supermärkte bei der Online-Recherche vergleichsweise gut aufgestellt sind, haben die meisten beim tatsächlichen Online-Einkauf noch viel Luft nach oben: Nur drei der zehn untersuchten Supermarktketten bieten ihren Kunden die Möglichkeit, Lebensmittel online zu bestellen. Neun Händler konzentrieren sich in Sachen E-Commerce auf exklusive Online-Sortimente, sieben lassen ihre Kunden immerhin Aktionsware bestellen und vier ermöglichen zumindest teilweise Bestellungen aus dem Marktsortiment.

Kanalverknüpfung: Supermarkt-Apps lassen große Chancen ungenutzt

Neben den Online-Sortimenten sind auch die Omnichannel-Services zwischen Filiale und Online-Shop noch ausbaufähig. Zwar bieten bereits sieben der zehn untersuchten Märkte ein einheitliches Kundenkonto online und offline an. Rabatt- und Bonussysteme funktionieren jedoch nur bei jeder zweiten Kette kanalübergreifend. Noch schlechter sieht es bei klassischen Kanalverknüpfungs-Services wie dem Abholservice für online bestellte Produkte aus: Click & Reserve war nur in zwei untersuchten Märkten möglich. Auch holpert es bei  der Online-Rückgabe in der Filiale, was nur in einem untersuchten Markt möglich war. Darüber hinaus fanden wir nur in einem stationären Supermarkt eine “digitale Regalverlängerung”, also Werbung für ergänzende Sortimente im Online-Shop.

Eine besondere Rolle bei der Verknüpfung der Kundenkontaktpunkte spielt die Händler-App. Hier zeigt die Analyse: Alle Händler haben Wochenangebote, Handzettel und eine Merkliste in ihre Apps integriert und bieten die Möglichkeit, die App im Markt zu nutzen. Kundenbindungsprogramme finden sich jedoch nur bei sechs der zehn Anbieter in der App, einen digitalen Kassenbon gibt es nur bei insgesamt vier Händlern und eine Filialbestandsabfrage ist nur bei zwei Händler-Apps möglich. Auch auf die naheliegende Idee, den Pfandbon, den Kundinnen und Kunden gerne auf dem Weg vom Pfandautomaten zur Kasse verlieren, digital in die App zu integrieren, ist noch keiner der untersuchten Supermärkte gekommen.

Supermärkte haben sicher gute Gründe, Lebensmittel nicht online verkaufen zu wollen. Das sollte sie jedoch nicht daran hindern, digitale Services in ihr Leistungsangebot bestmöglich zu integrieren. Es gibt an vielen Stellen großes Potenzial, sich mit solchen digitalen Services und insbesondere einer Top-Händler-App im Alltag ihrer Kunden unverzichtbar zu machen. Aber kein deutscher Supermarkt nutzt diese Chance wirklich voll aus. Damit bieten sie neuen Wettbewerbern wie Picnic, Knuspr.de oder Flink unnötig eine offene Flanke, die diese nutzen, um Marktanteile zu gewinnen.