So mutmaßt jedenfalls der Gründer und Geschäftsführer vom Repricer SellerLogic gestern in einem Post auf dem Blog des Unternehmens. Er veröffentlicht eine umfangreiche Auswertung seiner Kundendaten.
SellerLogic-Kunden verkaufen ihre Produkte mit Verlust
Igor Branopolski wertete 583.891 Kundenprodukte und -daten branchenübergreifend aus seinem Datenbestand aus. Er kommt zu dem Schluss:
“Die durchschnittliche Nettomarge eines Amazon Verkäufers liegt bei 12,5% bei 80% der angebotenen Produkte. 20% der Produkte werden dabei mit Verlust verkauft. Die meisten der angebotenen Produkte werden mit einer Marge von 10-75% gehandelt. Auf den ersten Blick ist der Anteil der Produkte mit einer negativen Marge mit 20,15% sehr groß.” (Quelle: SellerLogic-Blog)
Wie Peter Höschl auf shopanbieter.de feststellt, sieht die tatsächliche Situation bei den Kunden des Repricer-Anbieters noch dramatischer aus:
Erläuterung zum Chart: Händler haben in SellerLogic die Möglichkeit, ihre Einkaufspreise und Kosten zu hinterlegen. Anhand dieser Angaben kann SellerLogic die Marge nach Abzug aller Amazon-Gebühren, Versandkosten und sonstigen unmittelbar mit dem Verkauf entstehenden Kosten ermitteln. Zu beachten ist ggf. noch, dass SellerLogic die Marge als Aufschlag auf den Einkaufspreis ermittelt. Bei der üblichen Vorgehensweise, die Marge auf den Verkaufspreis zu ermitteln, würde der prozentuale Wert noch deutlich niedriger liegen. (Quelle: shopanbieter.de)
Erschreckende Zahlen
Peter Höschl schreibt dann auch deutlich: “Geht man davon aus, dass solide Onlinehändler eigentlich mindestens fünf Prozent Gewinn erzielen sollten, ist dies mit den Margen nicht zu erreichen.” Legt man also die Messlatte so an, dass nachhaltig positive Unternehmensergebnisse dargestellt werden sollen, so zeigt die Auswertung der Kundendaten, dass keine vom Repricer unterstützen Unternehmen Geld verdienen. Das legt den Schluss nahe: Kein SellerLogic-Kunde verdient etwas oder führt ein nachhaltig aufgestelltes Unternehmen. Diesen Einblick in die Kundenstruktur des Anbieters halte ich aus mehreren Gründen für problematisch.
Droht eine Pleitewelle? Sind die Zahlen allgemeingültig?
Das ist ja nun eine sehr wichtige Frage. Nach diesen Zahlen würden KEINE Marketplace-Händler ein nachhaltig und gesund agierendes Unternehmen betreiben. Oder bestenfalls: Über 20% der Marketplace-Händler Produkte würden Verlust machen und können nicht existieren. Es wäre mit einer großen Pleitewelle zu rechnen.
Die Zahlen sind nicht allgemeingültig. Sie wurden aus den Kundendaten dieses Repricers gewonnen. SellerLogic-Kunden haben ihre Einkaufspreise selbst in das Tool eingegeben. Es ist also nicht überprüfbar, ob diese Angaben auch valide sind. Und natürlich konnten auch nur die Daten ausgewertet werden, bei denen SellerLogic-Kunden ihre Einkaufpreise freiwillig Angaben.
Ob nun eine allgemeine Pleitewelle unter den Amazon-Händlern droht, kann man sicher verneinen, ob aber nun die Kunden von SellerLogic in Schwierigkeiten geraten, lässt sich nicht sicher ausschließen.
Diese Kundendaten hätten nie veröffentlicht werden dürfen
Welcher Kunde möchte schon von seinem Dienstleister öffentlich lesen, dass er eigentlich kein Geld verdient? Keiner vermute ich. Daher ist es schon aus reinen Loyalitätsgründen problematisch, einen solch tiefen Einblick in so brisante Zahlen zu gewähren.
Aber auch juristisch ist das nicht ohne. In den AGB des Unternehmens findet sich unter Punkt 4.2 folgende Vereinbarung:
4.2.
Der Kunde verpflichtet sich, SellerLogic Auskunft über die Gesamtzahl der verkauften Artikel zu erteilen. Diese Erhebung erfolgt durch das Programm und der Kunde stimmt der Erhebung zu. Die erlangten Verkaufsdaten werden ausschließlich für die Durchführung der jeweiligen Preisanpassungsstrategien innerhalb dieses Vertragsverhältnisses verwendet. Eine wie auch immer geartete Weitergabe an Dritte oder sonstige Verwendung der Daten durch SellerLogic ist ausgeschlossen.
Meine Vermutung, dass das Unternehmen gegen die eigenen AGB verstößt, habe ich seitens eines Anwaltes prüfen lassen. Er schloss sich meinen Bedenken an und fügte noch hinzu: “Für die Erhebung der Daten und jede Nutzung außerhalb des konkreten Auftrages dürfte es schon an einer wirksamen Einwilligung fehlen.”
Peter Höschl schrieb zu dem grundsätzlichen Datenschutzproblem eine großartige und lesenswerte Artikelserie. In Teil 2 z. B.: “Außerdem kann die Offenlegung der internen Preisinformationen durch eine Repricer den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellen. Auch hier steht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe im Raum.”
Die Frage, die ich mir stelle: Was ist nun, wenn ein interessierter Banker oder Warenfinanzier die Zahlen liest und darüber informiert ist, dass mein Unternehmen Kunde bei SellerLogic ist?
Haben Amazon-Händler Margenprobleme?
Die Kundendatenauswertung von SellerLogic ist jedenfalls ein Indiz hierfür. Mangels Kenntnis über weitere Parameter lässt sich das Ergebnis nicht ohne Weiteres verallgemeinern. Hierzu wäre eine Untersuchung der Unternehmenszahlen einer relevanten Händleranzahl notwendig.
Unterstellt man den Daten, was in Grenzen zulässig ist, eine geringe Allgemeingültigkeit, so wäre es dann tatsächlich so, dass ein kleinerer Anteil an Amazon-Händlern mit großen Herausforderungen zu kämpfen hat.
Die einen gehen, die anderen kommen
Auf allen Marktplätzen ist eine Volatilität bei den Händlern zu beobachten. Die Gründe, warum ein Marktplatzgeschäft eingestellt wird, mögen vielfältig sein, aber es wird sicher nicht wegen zu großer Marge geschlossen. Betrachtet man die eBay-Händlerzahlen so ist festzustellen, dass die Zahl der aktiven Händler nur sehr langsam wächst (ca 3% pro Quartal). Je nach Quartal begegnen einem aber schon einmal 7% andere Händler. Das bedeutet: viele hören auf, es wachsen aber genug neue nach. Bei Amazon lässt sich das noch nicht beobachten, da die Zahl der nachrückenden Händler aufgrund des anhaltenden Hypes größer ist. Auch drängen mehr Händler aus dem Ausland auf den deutschen Amazon-Marktplatz. Diese Entwicklung ist bei eBay schon abgeschlossen.
Weckruf: Emergency Call
Ein Weckruf für die Händler sollten die Zahlen aber allemal sein. Überprüft eure Kalkulation. Zieht die Reißleine, wenn es nicht passt. Fatal ist es, wenn ihr nicht reagiert und das Problem aussitzt. Das geht schief und kann euch eure Existenz kosten.
* ‘Werden 20% aller Produkte auf Amazon mit Verlust verkauft?’ ist der Originaltitel des Blog-Posts von SellerLogic. Diese Überschrift ist genau so falsch meine eigene. Die Zahlen sind schlicht Quatsch. (Nachträglich hinzugefügt)
Finde SellerLogic für den Umfang an Leistungen viel zu teuer, da gibt es mittlerweile bessere und günstigere Lösungen die alles in einem anbieten wie Helium10 oder SellerMagnet.
Leider sorgt der letzte Satz mit * und Die Zahlen sind schlicht Quatsch. (Nachträglich hinzugefügt) für Verwirrung.
Meiner Meinung nach versuchen sich zu viele am Markt. Es scheint so einfach und am Ende muss die Ware weg. Egal wie und zu welchem Preis.
Dann gibt es noch die externen Berater und Programme. Die bringen Verkäufer auch immer mehr dazu noch mehr Geld zu investieren, Margen zu verkleinern, “denn sonst würde es sich ja nicht lohnen”. So wird definitiv Geld verbrannt.
ABER – Leider stellt der Text einen engen Zusammenhang zwischen SellerLogic und Unrentabilität her. Das finde ich nicht gut.
Jeder Verkäufer muss seine eigenen Entscheidungen treffen und hinterfragen. Bei Verlusten auf andere zeigen kann jeder.
Ich würde gerne noch mehr schreiben, aber das würde den Rahmen sprengen.
Analysiert und hinterfragt den Markt, euer Geschäft, eure Produkte, die Technik, die Berater und die Möglichkeiten! Viel Spaß
Ja, mit der Kritik hast du natürlich Recht. Es gibt keinen Zusammenhang zum Tool. Das ist etwas überspitzt von mir ausgedrückt!
Wenn ich mir so die Preise meiner Mitbewerber ansehe und welche Aktionen (Werbeaktionen) hier gefahren werden wundert es mich nicht dass hier massiv Geld verbrannt wird. Ich kenne sicherlich die Einkaufspreise und zudem kenne ich die marktüblichen Nebenkosten. Für mich ist es ein Unding das ein Ebay(&Paypal) oder Amazon 20% des Bruttoverkaufspreises abgreifen. 5% wären hier mehr als angebracht. Es werden immer mehr “Werbearten” ins Leben gerufen um diesen % Satz zu erhöhen. Früher galt mal 8% sollte als Werbung drauf gehen, das ist im Onlinehandel nicht darstellbar. Alleine schon die Sonderaktionen bei ebay beginnen ab 5%. Man soll Rabatte ohne ende geben und dann noch 35€ als Blitzangebotsgebühr bei Amazon abdrücken. Wenn ich aber mal so in die Runde schaue, dann geht es den Händlern meist um Umsatz, wenn dann 1€ hängen bleibt freuen die sich. Denn schließlich wird man in absehbarer Zeit 10.000 davon im Monat verkloppen, nur dass der Markt das nicht hergibt ist eine andere Frage.
Warten wir jetzt mal ab bis die Chinesen kommen (Händlerseitig), ich denke das wird noch ein jährchen dauern bis die alle hier sind (aus dem USA nach good old europe), dann knallts erstmal bei uns. Wenn dann irgendwann Alibaba hier einschlägt dann knallts hoffentlich auch mal bei ebay (wobei die aus meiner Sicht tot sind) und bei Amazon hoffentlich auch.
Meiner Meinung nach wird ein Repricer hauptsächlich von Händlern eingesetzt die Markenartikel anbieten.
Da geht dann natürlich die Spanne über die Zeit kaputt.
Ein typischer Private Label FBA Verkäufer nutzt meistens keinen Repricer da er der einzige Anbieter für das Produkt ist.
Die Auswertung ist also auch nur für diese Klientel gültig.
Liebe Chris,
auch für einen Private Label Verkäufer ist es sinnvoll solche Repricer einzusetzen um den Preis immer nach dem Angebot und der Nachfrage zu halten.
Da ist es sinnvoll bei einer hohen Nachfrage den Preis Stück für Stück hoch zu fahren oder bei geringerer wieder herunter um in der organischen Suche auch weiter vorne mit dabei zu bleiben.