Die bereits zum achten Mal erscheinende Abmahnstudie des Rechtsdienstleisters Trusted Shops zeigt einmal wieder deutlich die Entwicklung im deutschen Abmahn-Business auf. Spannend ist zu erkennen, dass der Abmahnverein IDO offensichtlich wesentlich weniger Abmahnungen auszusprechen scheint. Sein Anteil ist von 55 % im letzten Erhebungszeitraum auf jetzt nur noch 25 % deutlich gesunken. An der Studie nahmen über 2.800 Onlinehändler teil.

Basics, es fehlt an Basics

Zum häufigsten Abmahngrund zählen Verstöße in der Widerrufsbelehrung. Und das dürfte eigentlich gar nicht sein, denn diese erhaltet ihr z.B. kostenlos vom Trusted Shops Rechtstexter.

(Quelle: 8.Trusted Shops Abmahnstudie 2019)

Jedoch scheint es so zu sein, dass es vielen Händlern an Professionalität fehlt. Anders ist diese Nachlässigkeit nicht zu erklären.

Existenzbedrohung?

51 % aller befragten Unternehmen und damit mehr als jedes zweite gaben an, durch Abmahnungen die eigene Existenz bedroht zu sehen. Auch Teilnehmer, die in der Vergangenheit noch keine Abmahnung erhalten haben, sehen sich durch potenzielle Abmahnungen in ihrer Existenz bedroht. Hier liegt der Wert mit 56 % sogar noch höher. Abmahnvereine adressieren zunehmend wirtschaftlich schwächere, kleinere Unternehmen, bei denen schon wenige Abmahnungen oder Vertragsstrafen zur Geschäftsaufgabe führen können. Befragt nach der Existenzbedrohung wurden alle Teilnehmer, also auch die, die noch gar keine Abmahnung erhalten haben.

Anmerkung: Die Frage der Existenzbedrohung sollte offen diskutiert werden, denn tatsächlich >tötet< eine Abmahnung nicht. Eine Abmahnung sollte mitunter als kalkuliertes wirtschaftliches Risiko bewertet werden, welches ordentlich in eine Kalkulation einfließen kann.

Vertragsstrafen

Bei einem erstmaligen erneuten Verstoß wird meist eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.000 bis 5.000 € geltend gemacht. Lag der Durchschnittswert im Vorjahr noch bei 3.800 € pro Fall, sank er im aktuellen Erhebungszeitraum um 8 % auf „lediglich“ 3.500 €. Häufig suchen sich Abmahner jedoch gerade solche Rechtsverstöße heraus, die künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal begangen werden, etwa weil bestimmte rechtliche Vorgaben beim Handel über Marktplätze technisch nur sehr schwer einzuhalten sind (z. B. Grundpreisangaben bei eBay oder die Auflistung wesentlicher Produktmerkmale auf dem Amazon Marketplace). Ein erneuter Verstoß ist also oft schon vorprogrammiert. So kommt es dazu, dass Händler, die bereits mehrfach gegen die Unterlassungserklärung verstoßen haben, im Schnitt 7.300 € zahlen. Dies ist das Geschäftsmodell unseriöser Abmahner.

Die Lösung: Lässt der Abgemahnte hingegen vor Gericht eine einstweilige Verfügung ergehen und gibt er eine so genannte Abschlusserklärung ab, wird bei einem erneuten Verstoß ein sehr viel geringeres Ordnungsgeld fällig, das der Staatskasse (und nicht dem Abmahner) zufließt und häufig auch gar nicht verfolgt wird, weil es keinen wirtschaftlichen Anreiz für den Abmahner gibt.

Wer mahnt am häufigsten ab?

Erfreulich ist die Entwicklung, dass die Abmahnungen des Abmahnverein IDO so stark zurückgegangen sind. Über die Ursachen, warum das so passierte, kann treffend diskutiert werden.

(Quelle: 8.Trusted Shops Abmahnstudie 2019)

Zu beobachten war jedoch, dass der IDO hinsichtlich seiner >Abmahnberechtigung< im Jahr 2019 einige Schlappen hinnehmen musste.

Mehr Abmahnungen als je zuvor

Nicht nur die durchschnittlichen Kosten pro Abmahnung haben sich erhöht, auch die Anzahl der durchschnittlich erhaltenen Abmahnungen stieg in den letzten Jahren kontinuierlich. Lag der Wert 2017 noch bei 1,8, stieg die Anzahl der erhaltenen Abmahnungen 2018 um 22 % auf 2,2, bis die Händler 2019 durchschnittlich 2,4 Abmahnungen erhielten – noch einmal eine Steigerung um 9 % gegenüber dem Vorjahr. Offenbar lassen Abmahner nach einem erfolgreichen Angriff von ihrem „Opfer” nicht ab, sondern suchen gezielt nach weiteren Fehlern.

(Quelle: 8.Trusted Shops Abmahnstudie 2019)

Mehr Widerstand?

Gaben im Vorjahr 48 % aller Unternehmen an, sich gegen Abmahnungen zur Wehr zu setzen, waren es 2019 64 %. Das zeigt, dass abgemahnte Onlinehändler nicht einfach aufgeben, wenn eine Abmahnung sie erreicht, sondern sie sich damit auseinandersetzen und Widerstand leisten. Aber noch immer knapp jeder zehnte scheute das Kostenrisiko und wehrte sich nicht – auch das ist Ausdruck der Existenzbedrohung durch zu hohe Kosten. Wer eine Abmahnung erhält, sollte sie auf keinen Fall ignorieren oder ungeprüft die Unterlassungserklärung unterschreiben.

(Quelle: 8.Trusted Shops Abmahnstudie 2019)

Anmerkung: Mehr Widerstand bedeutet auch, dass ein Anwalt zur eigenen Vertretung mandatiert wird. Nicht zu verkennen ist der Umstand, dass immer zwei Anwälte an der Abmahnung verdienen. Euer Anwalt ist also nicht der >weiße Ritter<, sondern teilnehmender Partner des Abmahnbusiness. Denkt bitte immer daran!

Die vollständige Studie zum Download findet ihr hier.

(Hinweis: Bei der vorliegenden Umfrage handelt es sich nicht um eine repräsentative Umfrage, sondern lediglich um ein Meinungsbild solcher Onlinehändler, die von Trusted Shops oder über die Industrie- und Handelskammern zu der Befragung (über einen entsprechenden Link) eingeladen worden waren und daran teilgenommen haben.)