Heute hat die EU-Kommission erklärt, dass ein Verfahren gegen Amazon eröffnet wird. Im wesentlichen werden zwei Themen genauer betrachtet:
- Missbräuchliche Nutzung von Daten der Händler, die über Amazon verkaufen
- Missbräuchliche Entscheidung sowie wettbewerbsrechtliche Bedenken bei der Auswahl für die Buy-Box
Oliver Prothmann, Präsident BVOH meint dazu:
“Es ist richtig, dass die EU-Kommission sich das Verhalten von Amazon bei der Datennutzung und der Vergabe der Buy-Box anschaut. Immer mehr Händler melden uns, dass Amazon auf Basis der Daten, die die Händler auf Amazon erzeugen, selber nutzt. Des weiteren fordert Amazon von den Händler immer häufiger Informationen über Lieferanten ein. Damit hat Amazon den direkten Zugang, um das Produkten selbst zu sourcen. Laut den Aussagen der Händler muss ich davon ausgehen, dass Amazon die Marktbeherrschung für das eigene Geschäft ausnutzt.”
Original Wortlaut der Pressemitteilung der EU-Kommission:
Kartellrecht: Kommission richtet Mitteilung der Beschwerdepunkte an Amazon wegen Nutzung nichtöffentlicher Daten unabhängiger Verkäufer und leitet zweite Untersuchung der E-Commerce-Geschäftspraxis des Unternehmens ein
Brüssel, 10. November 2020
Die Europäische Kommission hat Amazon von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass das Unternehmen durch Verfälschung des Wettbewerbs auf Online-Einzelhandelsmärkten gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt. Die Kommission wirft Amazon vor, nichtöffentliche Geschäftsdaten von unabhängigen Händlern, die über den Amazon-Marktplatz verkaufen, systematisch für das eigene, in unmittelbarem Wettbewerb mit diesen Händlern stehende Einzelhandelsgeschäft zu nutzen.
Ferner hat die Kommission ein zweites förmliches Kartellverfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob Amazon eigene Angebote und Angebote von Verkäufern, die die Logistik- und Versanddienste von Amazon nutzen, bevorzugt behandelt.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu:
„Wir müssen verhindern, dass Plattformen mit Marktmacht, die auch selbst über die Plattform verkaufen, wie etwa Amazon, den Wettbewerb verzerren. Daten über die Tätigkeit unabhängiger Verkäufer sollten von Amazon nicht zum eigenen Vorteil genutzt werden, wenn das Unternehmen mit diesen Verkäufern konkurriert. Die Wettbewerbsbedingungen auf der Amazon- Plattform müssen fair sein. Die Regeln sollten nicht künstlich die eigenen Angebote von Amazon oder die Angebote von Verkäufern, die die Logistik- und Versanddienste von Amazon nutzen,
begünstigen. Der elektronische Handel boomt und Amazon ist die führende Plattform in diesem Bereich. Deshalb ist ein fairer Zugang zu Online-Kunden ohne Verzerrung des Wettbewerbs für alle Verbraucher wichtig.“
Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Nutzung von Marktplatz-Verkäuferdaten durch Amazon
Amazon hat als Plattform eine doppelte Funktion: Zum einen stellt das Unternehmen einen Online- Marktplatz zur Verfügung, über den unabhängige Händler ihre Produkte direkt an Verbraucher verkaufen können, und zum anderen tritt das Unternehmen auf diesem Marktplatz selbst als konkurrierender Einzelhändler auf.
Amazon hat als Marktplatz-Dienstleister Zugang zu nichtöffentlichen Geschäftsdaten unabhängiger Verkäufer, wie z. B. der Zahl der bestellten und ausgelieferten Produkte, den von den Verkäufern über den Marktplatz erzielten Einnahmen, der Anzahl der Aufrufe von Angeboten der Verkäufer, den Versanddaten, der bisherigen Aktivität der Verkäufer und den geltend gemachten Verbraucherrechten für Produkte (z. B. in Anspruch genommene Garantien).
Bisherige Ergebnisse der Kommission zeigen, dass den Mitarbeitern des Einzelhandelsgeschäfts von Amazon sehr große Mengen nichtöffentlicher Verkäuferdaten zur Verfügung stehen, die direkt in die automatisierten Systeme des Geschäfts fließen, wo sie aggregiert und genutzt werden, um Endkundenangebote und strategische Geschäftsentscheidungen von Amazon auszutarieren – zum Nachteil der anderen Verkäufer auf dem Marktplatz. Amazon kann so beispielsweise seine Angebote auf diejenigen Produkte einer Kategorie konzentrieren, die sich am besten verkaufen, und seine Angebote auf der Grundlage nichtöffentlicher Daten konkurrierender Verkäufer ggf. anpassen.
Die Kommission vertritt in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte vorläufig die Auffassung, dass Amazon durch Nutzung nichtöffentlicher Verkäuferdaten die normalen mit dem Wettbewerb im Einzelhandel verbundenen Geschäftsrisiken vermeiden und seine beherrschende Stellung im Bereich der Marktplatz-Dienste in Frankreich und Deutschland, den größten Märkten für Amazon in der EU, ausweiten kann. Bestätigt sich dieses Vorgehen, läge ein Verstoß gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vor, nach dem der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten ist.
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis des jeweiligen Verfahrens nicht vor.
Untersuchung der Amazon-Geschäftspraxis zum Einkaufswagen-Feld und zu „Prime“
Ferner hat die Kommission eine zweite kartellrechtliche Untersuchung zur Geschäftspraxis von Amazon eingeleitet, da sie Bedenken hat, dass das Unternehmen die eigenen Einzelhandelsangebote und die Angebote von Marktplatz-Verkäufern, die die Logistik- und Zustellungsdienste von Amazon nutzen („Versand-durch-Amazon“), bevorzugt behandelt.
Die Kommission wird insbesondere prüfen, ob die Kriterien, nach denen Amazon das Einkaufswagen- Feld vergibt und es Verkäufern ermöglicht, Prime-Kunden zu beliefern („Prime durch Verkäufer“), zu einer Vorzugsbehandlung der Angebote von Amazon oder der Angebote von Verkäufern, die die Logistik- und Versanddienste von Amazon nutzen, führen.
Für Verkäufer ist die Zuweisung dieses Felds (d. h. die Anzeige ihres Angebots in dem Feld) von entscheidender Bedeutung, da dort nur das Angebot des jeweiligen Verkäufers für ein gewähltes Produkt erscheint und der überwiegende Teil aller Verkäufe über dieses Feld generiert wird. Ferner bezieht sich die Untersuchung auf die Möglichkeit von Marktplatz-Verkäufern, Prime-Kunden wirksam zu erreichen. Da die Zahl der Prime-Nutzer ständig zunimmt und Prime-Kunden in der Regel mehr Produkte über Amazon bestellen als andere Kunden, ist es für die Verkäufer wichtig, sie mit ihren Angeboten zu erreichen.
Sollten sich die Bedenken der Kommission bestätigen, würde ein Verstoß gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorliegen, nach dem der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten ist.
Hintergrund und Verfahren
Artikel 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung. Wie diese Bestimmungen umzusetzen sind, ist in der EU Kartellverordnung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates) festgelegt, die auch von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angewendet werden kann.
Am 17. Juli 2019 leitete die Kommission eine eingehende Untersuchung der Nutzung von Daten der Marktplatz-Verkäufer durch Amazon ein.
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften. In einer solchen Mitteilung setzt sie die Parteien schriftlich über die gegen sie vorliegenden Beschwerdepunkte in Kenntnis. Die Unternehmen können dann die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, sich schriftlich dazu äußern und eine mündliche Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden zu der Sache Stellung nehmen. Weder eine Mitteilung der Beschwerdepunkte noch ein förmliches Kartellverfahren greifen dem Untersuchungsergebnis vor.
Weitere Informationen können auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb über das öffentlich zugängliche Register unter der Nummer AT.40462 eingesehen werden.
Die Kommission hat Amazon und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie eine zweite eingehende Untersuchung der Geschäftspraxis von Amazon eingeleitet hat.
Räumlich erstreckt sich das Verfahren auf den Europäischen Wirtschaftsraum mit Ausnahme Italiens. Die italienische Wettbewerbsbehörde hat bereits im vergangenen Jahr begonnen, ähnliche Bedenken mit besonderem Schwerpunkt auf dem italienischen Markt zu prüfen. Die Kommission wird die enge Zusammenarbeit mit der italienischen Wettbewerbsbehörde während der gesamten Untersuchung fortsetzen.
UPDATE 11.11.2020
Wir haben von Amazon ungefragt eine Stellungnahme zu unserer Berichterstattung erhalten, mit der Bitte diese zu veröffentlichen. Dies ist einmalig in der Zusammenarbeit mit Amazon und wir kommen der Bitte gerne nach.
Eine Amazon Sprecherin:
“Wir stimmen mit den vorläufigen Annahmen der Europäischen Kommission nicht überein und werden auch weiterhin unser Möglichstes tun, um sicherzustellen, dass sie von einer zutreffenden Sachlage ausgeht. Amazon macht weniger als 1 Prozent des weltweiten Einzelhandels aus – und es gibt in jedem Land, in dem wir tätig sind, größere Einzelhändler. Kein Unternehmen kümmert sich mehr um kleine Händler oder hat in den vergangenen zwanzig Jahren mehr für ihre Unterstützung getan als Amazon. Es gibt mehr als 150.000 europäische Händler, die in unseren Stores verkaufen. Sie erwirtschaften jährlich mehrere zehn Milliarden Euro Umsatz und haben Hunderttausende von Arbeitsplätzen geschaffen.“
Oliver Prothmann meint dazu: „Das Zitat zeigt deutlich, wie ernst Amazon das Verfahren der EU-Kommission nimmt. Es zeigt auch, wie Amazon versucht, seine Monopolstellung wegzudiskutieren, indem Amazon sich mit dem gesamten Einzelhandelsmarkt inklusive Lebensmittelhandel vergleicht. Doch wie das Bundeskartellamt bereits erklärte, hinkt dieser Vergleich, weil der Markt anders definiert ist. Denn die Frage ist, ob die “mehr als 150.000 europäischen Händler” ohne weiteres über andere Kanäle “jährlich mehrere zehn Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften und Hunderttausende von Arbeitsplätzen geschaffen haben” könnten. Ich bleibe dabei, das Verfahren ist richtig und wird diese Abhängigkeit der Händler vom Wirken von Amazon hinterfragen und richtigstellen.”
Pressemitteilung
Deutsch
Englisch
BVOH – Wer wir sind
Der Bundesverband Onlinehandel e.V. wurde am 8. April 2006 in Dresden gegründet. Wir verstehen uns als Sprecher und Interessenvertreter des mittelständigen Onlinehandels (KMU) und arbeiten an der Verwirklichung eines fairen, sicheren und erfolgreichen Onlinehandels für alle Beteiligten. Bei uns ist der Mittelstand des Onlinehandels zu Hause.
Werde Mitglied und bringe Dich tatkräftig ein: https://bvoh.de/mitglied-werden-im-bvoh/
Amazon hat eine Lobby, glaubt mir, da kommt hinten und vorne nichts mehr raus. Netter Versuch, mehr auch nicht. Die Lobby richtet es…
Ausserdem sind es nicht die Verkäufer die Amazon bezahlen, sondern im Endeffekt der Kunde. Die Verkäufer sind nur da wo der Kunde ist. Punkt.
So und warum ist der Kunde bei Amazon? Weil sie scheinbar für diesen alles richtig machen. Nun auf dem Rücken der Verkäufer? Sicher… Aber warum lasst ihr das mit euch machen? Selbst schuld. Denn der Kunde ist auch schnell wieder weg von Amazon, nämlich dann wenn sie keine Waren mehr haben. Spätestens dann klopft Alibaba an der Tür und räumt alles ab.
Die Lobby wirds schon richten für Amazon. So wie die letzten Jahrzehnte auch 😉
Hoffentlich passiert da was, was Amazon da treibt ist widerlich, abgrundtief. Dann noch heuchlerisch hier behaupten, sie unterstützen Händler usw. Klar tun sie das aber in welchen Rahmen, so weit dass die Händler (noch) zufrieden sind oder das mit sich machen lassen.
Die brauchen nicht so zu tun, sind Aktien-notiert einer der größten Unternehmen, irgendwoher kommen die Gewinne ja und ganz bestimmt nicht nur von uns Händlern. Nein Amazon sammelt schön Daten (die sie den Händlern übrigens vorenthalten…), sourct Produkte selber und nach und nach (es ist ein schleichender Prozess) sind sie monopolistisch. Einfach Widerlich, dass Mitarbeiter von so einer Firma Streiken müssen. Verdammter Kapitalismus, wir brauchen endlich ein Mechanismus, der die Natur mit hinein Zieht…
Der einzig logische Schritt dürfte doch sein, das Verkaufen via Amazon einzustellen. Wir haben das nun seit fast einem Jahr praktiziert und die doch nicht gerade geringen Provisionen, die Amazon einstreicht, in Kundenbindung investiert. Dazu die ersparte Zeit, wenn man sich den sinnfreien ÄÄrger dort betrachet, nutzen, um zu überlegen, was mögen unsere Kunden. Es es funktioniert und das bereits vor Lockdaown / Corona.