Tja, da gehen wohl bald für Anne und Stefan Lemcke die Lichter aus. Nestlé wird in ein paar Monaten das Geschäft einstampfen. Die Umsätze werden gen Null wandern. So das Szenario was viele – meist sehr leichtgläubige – Fans zeichnen. Wird das Szenario so passieren, weil der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern, von dem die meisten eh nahezu täglich Produkte konsumieren, das beliebte Groth-up gekauft haben? Sind die Lemckes nun das neue Feindbild der Idealisten und Tagträumer?
Keiner weiß etwas, aber jeder glaubt, eine Meinung zu haben.
Was kann denn die Übernahme nun bedeuten? Nestlé ändert seine Strategie und steckt zukünftig Millionen oder sogar Milliarden in nachhaltige Produkte und Start-ups. Das Unternehmen will sich neu aufstellen … Darf es das nicht? Und dürfen wir das nicht denken? Warum müssen wir per Default negativ über die Übernahme denken? Das ist nicht nur unfair, sondern faktisch auch ohne substanzielle Argumente. Niemand von uns kennt die Hinter- und/oder Beweggründe. Oder kennt ihr jemanden dessen Glaskugel zuverlässig funktioniert?
Herzblut & Unternehmertum
Unternehmertum bedeutet zunächst einmal, dass eine Firma Geld verdienen soll. Und zwar viel. Für die Unternehmer bedeutet es, dass sie gleichfalls ihr Kapital, ihre Assets mehren wollen. Akzeptiert das bitte. Dem steht nicht entgegen, dass beide Gründer ihre Firma mit Herzblut und enormem persönlichen Einsatz mit Werten führen und eine sympathische Marke kreieren. Nein, und dem steht auch nicht entgegen, dass sie irgendwann einmal einen Exit vollziehen.
Wer genau hingeschaut hat, konnte das bereits mit dem Auftritt bei DHDL erwarten. Es ging um Kohle und Anteile, um Fremde, die sich an der Gründeridee beteiligen und zukünftig mitsprechen wollen. Danach kam 2020 die Beteiligung des Private-Equity-Fonds EMZ. Spätestens jetzt hätte auch dem letzten Fanboy und dem letzten Fangirl klar sein dürfen, dass es hier auch um ›Kohle‹ geht, viel ›Kohle‹. EMZ freut sich über einen Money-Multiple von mehr als 2.0. (Gratulation zum klugen Investment). Wer also konnte tatsächlich überrascht sein, dass es zu einem Exit (an Nestlé) kommt? Und warum soll das schlecht sein?
Die große Heulerei, oder das Mimimi
Viele, auch viele Unternehmer-Kollegen, haben sich offensichtlich blenden lassen oder haben – aus welchen Gründen auch immer – sich in der Story verrannt, dass Ankerkraut immer das nette Lemcke-Buddy-Fan ›Alles-ist-schön-Unternehmen‹ bleibt. Sehr unrealistisch, dieser Traum. Die Wirklichkeit ist anders. Nun kommt das große Jammern, weil viele enttäuscht sind und die Lieblingsmarke an den bösen Industriekonzern verscherbelt worden ist. Das ist Unfug. Ankerkraut ist das was es war, ist und auch bleiben wird: Ein tolles Unternehmen mit großartigen Menschen, tollen Produkten und einem fantastischen Spirit.
Wer seid ihr schon?
Nestlé und Ankerkraut werden den Shitstorm erwartet haben. Er war – eigentlich für jeden Marketingprofi – vorhersehbar. Jeder, der sich an die Bionade-Story erinnert, kann Parallelen ziehen. Also, da ist jetzt eine kleine, klitzekleine Schar an Kunden, Meinungsmachern und Influencern, die enttäuscht sind oder es nur vorgeben. Kennt ihr den Spruch: Was schert es eine Eiche, wenn sich eine Sau dran kratzt? Es wird eine kleine Umsatzdelle geben, vielleicht, aber es wird eine Delle bleiben! Denn ein Großteil der Kunden wird es entweder nicht jucken oder sie bekommen die Beteiligung erst gar nicht mit.
Bedenkt bitte, dass Ankerkraut in über 10.000 Supermärkten und 4 eigenen Stores angeboten wird. Wer seid ihr also schon? Eine kleine, gemeine und laute Minderheit. Mehr nicht.
Ankerkraut bleibt Ankerkraut. Aber besser.
Der Markenkern, die Markenbotschafter (Anne & Stefan Lemcke) bleiben dem Unternehmen erhalten. Nestlé wird seine Expertise einbringen, Ankerkraut den Spirit. Es bleibt fast alles, wie es ist, es wird aber sicher vieles effizienter und natürlich auch professioneller werden. Selbst Bionade hat die Kurve bekommen und glänzt nun wieder mit 2-stelligen Wachstumszahlen.
»Wir stehen als Marke von Beginn an für eine ganz besondere Kundennähe und einen engen Austausch mit unseren Fans. […] Was wir nicht akzeptieren, sind Hass im Netz und Beleidigungen der Menschen, die bei Ankerkraut arbeiten«, so Stefan Lemcke gegenüber der DPA.
Anne & Stefan, ich freue mich für euch!
Sie sind gute Unternehmer, die sich sehr differenziert und wohl überlegt zum Verkauf entschieden haben werden. Ihnen wurden viele Einblicke gewährt, die uns als Außenstehende verwehrt bleiben bzw. werden wir sie wahrscheinlich erst in ein paar Jahren wahrnehmen. Vertraut der Entscheidung der Gründer, ihr habt doch auch der Marke euer Vertrauen geschenkt. Und vor allem: Seid positiv.
Ich freue mich von ganzem Herzen für die beiden und ihr Team. Eine einzigartige Möglichkeit, die sich nun für alle ergeben hat. Und nach 9 Jahren ist es ein verdientes Ernten der Früchte! #welldone ♥
Noch ein paar Fakten zum Schluss
LTO hat eine Liste der an dem Deal beteiligten Personen zusammengestellt. Diese Liste verdeutlicht, wie komplex sich in der Praxis ein solcher Exit darstellt. In der Haut der Beteiligten möchte ich in den letzten Monaten nicht gesteckt haben. Gerade auf Ankerkraut-Seite wird das zu enormen Belastungen geführt haben. 31 Rechtanwälte, Steuerberater und M&A-Experten waren mit der Übernahme beschäftigt. Da werden die reinen Übernahmekosten wahrscheinlich schon tief sechsstellig, wenn nicht gar siebenstellig gewesen sein.
Alles richtig gemacht!
Ankerkraut wird weiter wachsen und an seiner Erfolgsgeschichte weiter schreiben. Die Neider, Hater & Kritiker werden still werden. In wenigen Tagen ist alles vergessen. Keine der kolportierten Horrorgeschichten passiert und auch die Influencer werden sich wieder mit Ankerkraut anfreunden. Das ist wie in jeder guten Ehe: Manchmal kracht es eben. Ein Shitstorm im Wasserglas.
Sehr nüchterner Beitrag ohne sinnlose Emotionen.
Finde es richtig was hier geschrieben wurde.
Liebe Grüße