🏬„Buy for Me“ von Amazon: Bequemer geht’s kaum – aber zu welchem Preis

Amazon testet derzeit ein neues Feature namens Amazon Buy for Me in den USA – und es könnte den E-Commerce nachhaltig verändern. Auf den ersten Blick klingt es wie ein echter Service-Boost für Kunden: Du findest ein Produkt bei einer fremden Marke, Amazon kauft es für dich – fertig. Kein Wechsel zur anderen Website, keine erneute Adresseingabe, kein Checkout-Fummeln. Doch für Händler und Marken ist das Ganze nicht nur ein Komfort-Feature, sondern ein möglicherweise folgenschwerer Schritt. Ich zeige dir, was hinter „Buy for Me“ steckt, welche Risiken es birgt – und ob du als Händler dich davor schützen kannst.


🛍️ Was ist „Buy for Me“?

Das Feature ist derzeit in der Beta-Phase in der Amazon Shopping App (iOS & Android, nur USA) verfügbar. Es funktioniert so:

  • Kunden suchen nach einem Produkt – z. B. einem Markenartikel, den Amazon selbst nicht verkauft.
  • Amazon zeigt zusätzlich zum normalen Ergebnis Produkte von markeneigenen Webshops in einem eigenen Bereich: „Shop brand sites directly“.
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(Quelle: Amazon buy for me)

  • Klickt der Kunde auf „Buy for Me“, öffnet sich eine Detailseite in der Amazon-App mit Produktinformationen.
  • Amazon übernimmt dann den Kaufprozess: Die Bestellung wird im Namen des Kunden auf der Shop-Seite des Markenanbieters ausgeführt – inkl. Weitergabe von Name, Adresse und Zahlungsdaten (verschlüsselt).

Der Clou: Der Kunde bleibt die ganze Zeit in der Amazon-App, die Zahlung erfolgt über das Amazon-System, und die Bestellung erscheint in der Bestellübersicht – obwohl Amazon das Produkt gar nicht selbst verkauft.


🧠 Möglich macht das: Agentic AI

Amazon nutzt sogenannte „agentic AI“, also Künstliche Intelligenz, die für den Nutzer Aufgaben übernimmt – in diesem Fall das Ausfüllen von Checkout-Formularen auf fremden Websites. Die Daten werden einmalig, verschlüsselt und automatisiert weitergegeben. Amazon nutzt dafür u.a. Modelle von Anthropic (Claude) und Amazon Nova, betrieben über die eigene Plattform Amazon Bedrock.


📦 Wer liefert – und wer haftet?

Ein wichtiger Punkt: Amazon ist hier nicht der Verkäufer. Der Kunde kauft direkt beim Markenanbieter, Amazon tritt lediglich als „Agent“ im technischen Sinne auf. Das bedeutet:

  • Lieferung, Rückgabe und Service liegen komplett beim Markenanbieter.
  • Die A-bis-Z-Garantie von Amazon gilt nicht.
  • Auch das Rückgaberecht nach Amazon-Logik entfällt.
  • Der Kunde muss sich direkt an den Anbieter wenden.

Der Komfort endet also, sobald es hakt.

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(Quelle: Amazon buy for me)


🧩 Gibt’s das schon mal?

Tatsächlich ist das Konzept nicht völlig neu. Vergleichbare Modelle sind z. B.:

  • Google Shopping Actions (inzwischen eingestellt): Kunden konnten bei Google Produkte finden und direkt kaufen – abgewickelt wurde der Kauf über Google, geliefert vom Händler.
  • Klarna’s „One-click Shopping“ auf Händler-Websites, bei dem Kunden mit gespeicherten Klarna-Daten Produkte fast „nebenbei“ bestellen konnten.
  • Meta Shops mit Checkout on Facebook/Instagram, wo Facebook die technische Verkaufsabwicklung übernimmt.

Doch Amazon geht einen Schritt weiter: Die Plattform agiert aktiv als Käufer im Namen des Kunden – ein bisher fast einzigartiger Schritt im Plattform-E-Commerce.


⚠️ Die Risiken: Ein Bärendienst für Händler?

Was auf Kundenseite nach Komfort klingt, könnte für Händler zum Risiko werden – und zwar in mehrfacher Hinsicht:

1. Mehr Abhängigkeit von Amazon

Sobald Amazon zum „Kaufagenten“ wird, wird jeder direkte Markenverkauf durch Amazon vermittelt – sogar wenn du gar nicht über Amazon verkaufst. Damit kontrolliert Amazon nicht nur Suche, sondern auch den Zugriff auf deine eigenen Kanäle.

💬 Stell dir vor, ein Kunde geht auf deinen Shop – aber nur, weil Amazon ihn dahin geschickt und den Kauf für ihn abgeschlossen hat.

2. Verlust von Kundenbindung

Wenn Kunden deinen Shop nie selbst sehen, keine Newsletter abonnieren, keinen Kundenaccount anlegen – baust du keine eigene Beziehung auf. Amazon hält alle Fäden in der Hand. Der Kunde bleibt „Amazon-Kunde“ – auch wenn du ihn bedienst.

3. Keine Kontrolle über Checkout-Erlebnis

Du weißt nicht, wie der Kunde durch deinen Checkout geführt wird, ob Upselling funktioniert, ob Gutscheincodes ankommen.

Und: Rabattcodes kann man über „Buy for Me“ aktuell nicht einlösen. Das kann zu Frust führen.

4. Support-Aufwand bleibt bei dir

Der Kunde erwartet das Amazon-Erlebnis – du musst aber liefern. Probleme, Rückgaben, Ersatz – all das landet bei dir. Die Erwartungen sind hoch, aber die Kontrolle gering. Und Amazon wird das Feature sicherlich monetarisieren wollen.


❓Kannst du dich als Händler davor schützen?

Die kurze Antwort: Jein.
Amazon betont, dass Händler selbst entscheiden können, ob sie teilnehmen wollen. Derzeit ist das Feature nur mit bestimmten Marken in einem Testlauf aktiv. Aber:

  • Langfristig könnte Amazon Druck aufbauen, um Marken zur Teilnahme zu bewegen.
  • Wer Sichtbarkeit über die Amazon-App will, wird sich „Buy for Me“ schwer entziehen können.

Was du tun kannst:

  1. Nutze Kundenbindungstools aktiv. Gewinne Kunden auf deinen Kanälen zurück: mit Newsletter, Loyalty-Programmen und echtem Service.
  2. Beobachte die AGB. Es ist unklar, ob Amazon irgendwann versucht, „Buy for Me“ ohne aktive Zustimmung zu implementieren.
  3. Kommuniziere klar im Checkout. Wenn du technische Schnittstellen zu Amazon nutzt, erkläre dem Kunden, wer für was zuständig ist.

📊 Fazit: Mehr Komfort, mehr Kontrolle – aber nicht für dich

Amazon setzt mit „Buy for Me“ auf radikale Bequemlichkeit. Für Kunden ist das ein No-Brainer – alles läuft wie gewohnt über die Amazon-App. Für Marken und Händler aber bedeutet das: Amazon greift weiter in die direkte Kundenbeziehung ein.

Was früher dein Vorteil war – nämlich ein eigener Webshop – könnte künftig einfach nur eine „Abwicklungsstelle“ für Amazon-Käufe werden. Ob du das willst, ist eine strategische Frage. Denn klar ist: Mit „Buy for Me“ übernimmt Amazon das Steuer – selbst wenn du nicht mal an Bord bist.


 

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