Wahrscheinlich haben das die wenigsten auf dem Schirm. Weder die Markeninhaber noch die Postenhändler wissen so richtig was passieren kann, wenn Ware ‘zweitverwertet’ wird. Rechtsanwältin Heidi Kneller-Gronen von der Kanzlei IP Kneller hat hier einen Bericht aus ihrer Praxis verfasst.

Worum geht es genau?

Es passiert immer wieder, dass Händler ihre Retouren durch Amazon vernichten lassen, oder das ganze Lagerbestände im FBA Lager ‘vernichtet’ werden (sollen). Und genau solche Bestände können wieder auf dem Marketplace als Handelsware auftauchen. Und zwar dann, wenn sie von Postenhändlern aufgekauft worden sind. Was dann damit passieren kann und welche Rechtsfolgen und Risiken sich dadurch für euch als Markeninhaber oder Händler ergeben, beschreibt der folgende Artikel von Heidi Kneller-Gronen:

Amazon misstraut sich selbst : Markenverletzungen der anderen Art.

Händler werden immer wieder von Amazon gesperrt, weil sie vermeintlich markenverletzende Produkte verkaufen. Der entsprechende Markeninhaber beschwert sich und Amazon handelt. So weit, so gut. Der Haken: Die Ware stammt von Amazon höchstpersönlich – und eine Rechtsverletzung gibt es eigentlich gar nicht. Nur Amazon misstraut offensichtlich seinen eigenen Dokumenten – und der Markeninhaber hat keine Ahnung, was Amazon mit “Entsorgung” meint.

Der Hintergrund. Das sagen die AGB:

Die AGB von Amazon beim Verkauf per FBA (Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag) lauten wie folgt:

F-4: Lagerung „Wenn Einheiten beschädigt werden oder verloren gehen, während sie gelagert werden, erhalten Sie eine Erstattung entsprechend unserer “Versand durch Amazon”-Richtlinien für die jeweilige Amazon-Website[…] Wenn wir Ihnen eine Erstattung zahlen, sind wir dazu berechtigt, die Einheit gemäß Klausel F-7 zu entsorgen“.

Und auch bei Rücksendungen gibt es eine „Entsorgungsklausel“: „Sollte bei Amazon eine Kundenrücksendung einer “Multi-Channel Versand”-Einheit eingehen, werden Sie uns anweisen, die Einheit auf Ihre Kosten zurückzusenden oder zu entsorgen; wenn Sie dies nicht tun, werden wir die Einheit gemäß Klausel F-7 entsorgen“.

Und wie “entsorgt” Amazon?

 

Und was heißt das?

Das heißt, dass die „entsorgte“ Ware wieder im Warenkreislauf ist, denn Amazon kann mit seinem Eigentum machen, was es möchte. Die Begrifflichkeit der Entsorgung mag für den Markeninhaber irreführend sein, jedoch ist die englische Fassung der AGB gemäß den Bedingungen entscheidend. Und dort heißt es nicht “entsorgen”, sondern etwas weitergehender “dispose”. Die Ware ist daher mit Zustimmung des Markeninhabers (der den AGB zugestimmt hat) von ihm selbst übereignet worden und kann von Amazon auch weiterveräußert werden. Rechtlich also in Ordnung. Amazon verkauft die Ware als Liquidationsware an seine Abnehmer, die es wiederum an Händler verkaufen. Die Händler bieten die Ware nun erneut bei Amazon an.

Und zack: Jetzt springt der Markeninhaber auf und lässt den Händler sperren, der seine Markenware veräußert. Schon sind zwei Probleme am Start:

  1. Der Markeninhaber weiß oft selbst nicht, wie Amazon die Ware „entsorgt“. Dem allgemeinen Sprachgebrauch nach gehen viele davon aus, dass die Ware vernichtet wurde. In Wirklichkeit hat er aber seine Zustimmung zur Weiterveräußerung gegeben.
  2. Amazon reagiert allerdings auch nur mit Standardphrasen. Selbst wenn die Produkte – bis zur Amazon-Rechnung selbst – exakt nachgewiesen werden, bleibt der Händler gesperrt. Amazon vertraut offensichtlich seinen eigenen Unterlagen nicht.

Also Vorsicht beim Aufkauf von Postenware von Amazon

Auch wenn es alles rechtmäßig ist, ist der Account bei Amazon schnell gesperrt. Und leider erkennt Amazon die eigenen Rechnungen nicht als Echtheitnachweise an. Auch lässt der Handelsriese seine Partner im Unklaren, dass die Ware nicht vernichtet werden muss. Das ist unglücklich.

Hier geht es zum Original-Artikel: http://www.kanzlei-kneller.de/amazon-misstraut-sich-selbst-markenverletzungen-der-anderen-art/