Amazon: Tschö Birkenstock – die Marketplace-Händler dürfte es freuen

Die Überschriften der Medien lesen sich ja schon spannend. ‘Birkenstock kündigt Amazon’ oder ‘Birkenstock ist sauer […]’. Aber was ist denn eigentlich passiert? Was versucht Birkenstock, da zu erreichen? Und warum ist das jetzt für die Händler gut?

Was ist passiert?

Wie bereits 2016 in den USA passiert, kündigt Birkenstock nun die Teilnahme am Amazon Vendor Programm. Das bedeutet, Amazon kann nun nicht mehr direkt vom Schuhhersteller seine Waren kaufen. So weit, so wenig spektakulär.

Der gesamte Online-Umsatz von Birkenstock beträgt gerade einmal 75 Mio € oder knapp 10%. Davon entfällt natürlich nicht alles auf Amazon. Zumal sich wohl nicht unbedingt ein Umsatzrückgang bei Birkenstock einstellen wird, aber dazu gleich mehr.

„Auf der Amazon-Plattform in Europa mussten wir weitere Markenrechtsverletzungen feststellen“, so der Sandalen-Hersteller.

Die Zusammenarbeit mit Amazon wurde aus den gleichen Gründen in Europa beendet wie auch seiner Zeit in den USA. Birkenstock vertritt die Meinung, dass Amazon nicht genug gegen Fälscher der eigenen Produkte vorgehe.

Wie ist denn die Fakten-Lage?

Die ist recht einfach. Amazon untersagt den Handel mit Produktfälschungen und kommt auch den gesetzlichen Anforderungen nach, wie einige Händler ja schon selbst zu spüren bekommen haben. Kürzlich wurde ja erst das ‘strenge’ Markenschutzprogramm in dem ARD-Beitrag ‘Das System Amazon‘ von einem Händler kritisiert.

Hierzu hat Amazon eine eigene Richtlinie formuliert, und zwar die ‘Amazon-Richtlinie gegen Produktpiraterie‘. Diese formuliert mögliche Konsequenzen sehr deutlich. Und aus den Berichten vieler Händler aus der Wortfilter-Facebook-Community ist zu sehen, dass Amazon sie auch häufig anwendet. Manchmal zu häufig und ungerechtfertigt.

“Unsere Kunden vertrauen darauf, dass sie ohne Bedenken bei Amazon einkaufen können. Produkte, die bei Amazon zum Verkauf angeboten werden, müssen deshalb echt sein. Der Verkauf von Fälschungen und Nachahmungen, einschließlich aller Produkte, die illegal kopiert, reproduziert oder hergestellt wurden, ist verboten.

Wir nehmen die Echtheit von Produkten sehr ernst. Es liegt in der Verantwortung jedes Verkäufers, sicherzustellen, dass ausschließlich Originalprodukte bezogen und verkauft werden. Wenn Sie gefälschte Waren verkaufen, können wir Ihnen Ihre Verkaufsberechtigung fristlos entziehen und den betroffenen Lagerbestand in unseren Versandzentren ersatzlos entsorgen beziehungsweise zerstören.. Falls wir darüber hinaus feststellen, dass ein Verkäuferkonto in betrügerische oder illegale Aktivitäten verwickelt ist, können außerdem Zahlungen und Überweisungen zurückgehalten oder dauerhaft einbehalten werden. Der Verkauf von gefälschten Waren kann auch zu gerichtlichen Schritten der Rechteinhaber und zu zivilrechtlichen und strafrechtlichen Maßnahmen führen.

Im Interesse unserer Kunden arbeiten wir kontinuierlich an Innovationen. Zudem kooperieren wir mit Herstellern, Rechteinhabern, Lieferanten und Verkäufern, um gefälschte und nachgeahmte Produkte besser zu erkennen und zu verhindern, dass diese auf unserer Marketplace-Site angeboten werden. Dieses Thema hat für uns höchste Priorität, da wir wissen, dass unsere Kunden darauf vertrauen, dass sie Originalprodukte erwerben, wenn sie bei Amazon einkaufen. Aus diesem Grund stehen wir mit unserer A-bis-Z-Garantie für die Produkte ein, die auf unserer Website verkauft werden. Wir fordern deshalb auch jeden auf, der bezüglich der Echtheit eines Produkts Bedenken hat, uns auf zu informieren. Wir werden diesbezüglich umfassende Nachforschungen durchführen und die geeigneten Maßnahmen ergreifen.” (Quelle: Amazon Seller Central)

Möchte man dennoch Kritik an Amazons Infringement-Prozess üben, dann wäre das mit Sicherheit der Umstand, dass dieser stark automatisiert und ohne oder nur mit wenig ‘manueller’ Überprüfung und Kommunikation passiert.

Fazit: Amazon bietet den Rechteinhabern einen umfangreichen Schutz an und dieser wirkt teilweise sogar so stark, dass Händler sich ungerechtfertigt Markenverstößen gegenüber stehen sehen.

Was versucht denn dann aber Birkenstock zu erreichen?

Möchte der Schuhhersteller, dass Amazon da noch einen Schritt weiter geht und Listungen bereits vor Veröffentlichung auf der Plattform überprüft? Vermutlich ja, denn am eigentlichen Amazon-Marken-Schutzprogramm ist wenig zu kritisieren.

Unterstellt, dass das die Erwartungen von Birkenstock sind, ist klar, dass beide Parteien nicht überein kommen. Der Online-Riese ist nicht in der Lage, den geforderten Prozess abzubilden. Warum auch, wäre dieser doch nicht obligatorisch, denn das jetzige Programm entspricht den gesetzlichen und ausgeurteilten Erfordernissen. Der Plattformbetreiber muss erst nach Kenntnis handeln.

Oder aber schlägt Birkenstock da 2 Fliegen mit einer Klappe: 1. Kritik am Markenschutz-Programm und 2. Bekenntnis zu den eigenen Fachhändlern?

Auch das wäre möglich, denn aus den USA, wo der Hersteller bereits 2016 die Teilnahme am Vendor-Programm gekündigt hat, ist nicht bekannt, dass Birkenstock den Handel mit seinen Produkten grundsätzlich unterbinden möchte. Auch auf dem Marktplatz eBay finden sich zahlreiche Fachhändler, die Sandalen und Schuhe der Marke Birkenstock anbieten. Es verwundert allerdings, dass Birkenstock nicht am ‘autorisierten Händlerprogramm’ teilnimmt.

Und warum ist das jetzt für die Händler gut?

Wenn Amazon nun die Produkte nicht mehr direkt einkaufen darf, dann bedeutet das, dass der Plattformbetreiber sich entweder über den Großhandel (teurer) mit den Artikeln versorgen muss oder dass das Geschäft den Marktplatzhändlern vollständig überlassen wird.

Aus den USA wurde berichtet, dass Amazon versucht, sich über den Großhandel zu sourcen. Das mag funktionieren, aber ich denke, wirtschaftlich wird das nur bedingt möglich sein.

(Quelle: Keepa Auswertung ASIN B002LZUS40)

Zumindest bei dieser ASIN sind 2 Dinge deutlich zu erkennen. Mit Beendigung des Vendor-Vertrages in den USA hat Amazon aufgehört, die Sandale zu handeln, und zweitens ist der durchschnittliche Angebotspreis deutlich gestiegen.

Fazit: Händler dürfen sich also über Birkenstocks Entscheidung freuen. Preise steigen an und die Umsätze verteilen sich auf die Marketplace-Händler.

 

Dieser Beitrag wurde am von unter Amazon veröffentlicht.

Über Mark Steier

Mark Steier war von 2001 bis 2012 aktiver und größter eBay Händler in Deutschland und wurde mehrfach mit dem Platin-Powerseller-Award ausgezeichnet. Er hat mit eBay zusammen etliche heutige Funktionen für eBay Motors entwickelt. Ende 2012 zog sich Mark Steier aus dem aktiven eBay Geschäft zurück und lebt nun als Privatier in der Südwestpfalz. Seit 2015 betreibt und betreut Mark wortfilter.de. Zudem ist er regelmäßig auf Veranstaltungen anzutreffen, wo er rund ums das Thema Onlinehandel spricht. Aktuelle Informationen und Austausch mit anderen Onlinehändlern findest du in der Wortfilter-Gruppe bei Facebook.

11 Gedanken zu „Amazon: Tschö Birkenstock – die Marketplace-Händler dürfte es freuen

  1. Pingback: Birkenstock & die Rache des Kevin | Kassenzone

  2. lala

    “Der gesamte Online-Umsatz von Birkenstock beträgt gerade einmal 75 Mio € oder knapp 10%.”
    Woher kommen den diese Zahlen? Würde mich wirklich interessieren.
    Lt. Bundesanzeiger hat die Holding (Birkenstock GmbH & Co. KG Linz) 411 Mio € Umsatz im Geschaeftsjahr 01.10.2015 – 30.09.2016
    Die Zahlen für das GJ 01.10.2016 – 30.09.2017 habe ich leider nicht gefunden. Aber von 411 auf 750 in einem Jahr wäre schon ordentlich sportlich.

    Antworten
  3. CG

    @Frank: Danke für Deinen Kommentar!

    Unüblich ist es nicht Amazon Vendor den Rücken zu kehren und sicherlich auch nicht so schwierig, sofern man keinen Anlieferungsplan eingegangen ist und versichert hat, dass man die vereinbarte Menge liefern kann und wird. Hut ab aber davor, dass man das öffentlich so kommuniziert, egal welche Beweggründe dazu geführt haben – schließlich imponiert doch die Rebellion und nicht der Grund weswegen.

    Zur Produktpiraterie kann ich nur hinzufügen, dass sich Amazon derzeit viel zu automatisiert verhält. Als Markenrechtsinhaber (und registrierter Marke bei Amazon) wird man selbst, bei Meldung einer Markenrechtsverletzung, aufgefordert entsprechende Nachweise zu liefern, die belegen, dass man selbst der Markenrechtsinhaber ist und worin sich das angemahnte Plagiat unterscheidet. Wozu registriert man denn die Marke dann überhaupt noch bei Amazon?

    Anderer Fall: Ein Produkt mit Marke wird über das Amazon Seller vom Hersteller vertrieben, die Marke ist sowohl beim DMPA als auch bei Amazon registriert. Ein ausländischer Händler meldet sich bei Amazon Vendor Express an, möchte dieses Produkt listen und an Amazon verkaufen. Er gibt an, dass er dazu autorisiert ist OHNE irgendeinen Nachweis liefern zu müssen. Was passiert? Das Produkt wird mit den Daten des Händlers gelistet, überschreibt somit die originalen Produktdaten und verfälscht diese. Der Hersteller hat als Markenrechtsinhaber KEINE – und ich betone nochmals KEINE – Möglichkeit die Daten zeitnah anzupassen. Hier verstrickt sich Amazon nicht nur mit der Thematik/Problematik ansich, sondern auch mit der folgenden Fallbearbeitung. Man kann sich sicherlich denken, was für ein Aufwand dahinter steckt die Produkte wieder so listen zu können, wie es zuvor war.

    Ich hoffe inständig, dass nun wenigstens Mercedes der Griff glückt, Amazon so dermaßen an den Eiern zu packen, dass ihnen der Kessel dampft.

    Antworten
    1. Frank

      Das liegt an den Katalogberechtigungen. Bietet Amazon die Artikel selbst an, verliert man die Hoheit ueber seine eigenen Artikeldaten – da kann dann nur noch die Katalogabteilung weiterhelfen. Wenn sie irgendwann einmal Zeit&Lust hat. Bis dahin ist der Artikel geschrottet.

      Antworten
      1. CG

        Korrekt, jedoch hat man keine Handhabe, wenn man diese Produkte bei Amazon Vendor selbst nicht listet und dies auch definitiv nicht vor hat.

  4. Frank

    Vielleicht haben sie auch einfach nur die Nase voll von unbezahlten Rechnungen, ungerechtfertigten Kuerzungen, auf mysterioese Weise “nicht empfangenen” Sendungen usw. – die Faelschungen sind einfach nur ein Vorwand.
    Als Vendor muss man bei Amazon Nerven wie Ankerketten haben (Drahtseile genuegen leider nicht), und da irgendwann die Nase voll zu haben, insb. wenn man nicht auf den Umsatz angewiesen ist, kann ich nachvollziehen.
    Ach so: Amazon unternimmt gegen gemeldete Faelschungen in der Regel: Nichts. Hundertfach probiert, Erfolg gleich Null. (Ja, eindeutige Faelschungen, die derart offensichtlich Falsch sind, dass es kein plausibles Argument gibt, die Artikel nicht zu sperren.)

    Antworten
    1. Mark Steier Beitragsautor

      Schön wie sich doch mansch Meinungen gegenüber stehen. Noch letzte Woche wurde im ARD Bericht ein Händler wieder gegeben der sich über die strenge Vorgehensweise von Amazon bei Fälschungen beschwerte. Und auch meine FB Community ist voll von Händlern die sich beschweren wg. Fakes gesperrt worden zu sein. Hmmm… #WhomshouldIbelieve

      Antworten
      1. Frank

        Tatsaechlich stimmen beide Meinungen.
        Faelle, bei denen ein Kunde beim Service anruft, weil er den Artikel “falsch bestellt” hatte und ihn zurueckschicken wollte – und der rumaenische Sprachexperte nur das Schluesselwort “falsch” verstanden hat, woraufhin es eine Sperre wegen “Produktfaelschung” gegeben hat, sind im Verkaeuferforum nicht unbekannt. Hat uns auch schon einmal getroffen – bei einem von uns verkauften Artikel unserer eigenen Marke.
        Das Problem ist einfach, dass es anscheinend bei Amazon keine reproduzierbaren Verfahren gibt, die solche Sachen handhaben (der Vorwurf der Produktfaelschung ist alleine rechtlich schon ein ziemlich schwerer Vorwurf) – mal schlaegt willkuerlich ein Sicherheitssystem an, mal ein radebrechender Servicemitarbeiter, mal eben auch gar nichts.

  5. chrisTian schläfer

    Endlich einmal eine Marke/Hersteller der sich für den Handel entscheidet und die Direktbelieferung einstellt. Auch Respekt dafür das der schnelle Umsatz nicht alles ist für Birkenstock. Die Händler werden diesen Umsatz sicher auffangen.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert