Pünktlich zum Black Friday verkündete die Gewerkschaft Ver.di – mal wieder –, dass sie zwei Amazon-Standorte in Deutschland bestreiken werde. Reuters teilte mit, dass gerade einmal 600 Amazon-Mitarbeiter an dem Streik teilnahmen. Wie gewohnt verlief der Streik ohne Folgen für den Verbraucher, so Amazon. Also alles beim Alten. Ver.di streikt und nichts passiert.

Warum wird gestreikt?

Es wird für einen höheren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen gestreikt. Lagerarbeiter wollen zum Einzelhandelstarif bezahlt werden. Nur wer, außer die Gewerkschaft natürlich, will das verstehen? Wenn jemand im Lager arbeitet, Ware verpackt, pickt und Retouren bearbeitet, dann macht er vieles, aber keinen Einzelhandel. Und sind die Arbeitsbedingungen wirklich so schlecht?

Arbeiten bei Amazon

Viele Händler haben bereits die unterschiedlichsten Amazon-Versandzentren besucht. Unisono berichten alle, dass die Arbeitsbedingungen gut sind. Auch ich habe ein Lager besucht, konnte mit Mitarbeitern (in der Raucherecke) sprechen, keiner beschwerte sich. Die Atmosphäre ist ruhig, organisiert und jeder verrichtet seine Arbeit. Die Arbeitsplätze sind hell und freundlich. Selbst Saisonkräfte berichten Gutes.

Das Entgelt

Gemessen am Tarifgefüge für Lager- & Logistiktätigkeiten werden die Amazon-Mitarbeiter überdurchschnittlich gut bezahlt. Sie erhalten umfassende Zusatzleistungen. Die Mitarbeiter sind laut einer Auswertung der Arbeitgeber-Bewertungsportale durch Wortfilter.de zufrieden.

Fazit: Bei Amazon läuft alles im grünen Bereich, sodass kein langjähriger Streik gerechtfertigt ist. Aber …

Deformiert Ver.di den Geschwerkschaftgedanken?

Trotz anhaltender und nachhaltiger Erfolglosigkeit hält die Gewerkschaft offensichtlich an ihrem Willen fest, das Unternehmen auch weiterhin zu bestreiken. Und die Medien berichten fleißig darüber.

Was aber bedeutet das denn nun? Wird hier nicht der gute Gewerkschaftsgedanke zu Grabe getragen?

Gewerkschaften gingen im auslaufenden 19. Jahrhundert zumeist aus Arbeiterbewegungen hervor und entwickelten sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu Einrichtungen, die gesellschaftliche und politische Interessen der Arbeiter wahrnehmen. Sie gelangten zu institutioneller Anerkennung.

Mit etwas über 2 Millionen Mitgliedern ist Ver.di die zweitgrößte Gewerkschaft in Deutschland. Das bedeutet, sie hat eine große gesellschaftliche Verantwortung. Dieser soll und muss sie gerecht werden. Aber das wird sie nicht mehr. Neben den kaum nachvollziehbaren Amazon-Streiks fiel Ver.di auch durch das Streuen falscher Informationen auf. Ihr erinnert euch an die Anti-Amazon-Produktvernichtungskampagne, welche von Ver.di lanciert wurde. Umso mehr stellt sich die Frage, welche Kräfte in der Gewerkschaft für ein Andauern des Streiks verantwortlich sind.

An Amazon-Standorten, an denen weit über 1.000 Mitarbeiter beschäftigt sind, beteiligen sich gerade mal zwei bis dreihundert Beschäftigte oder gar weniger an den Streiks. Vertritt Ver.di damit noch den Willen der Arbeiter?

Oder: Ist der anhaltende Streikwille der Sturheit von Ver.di-Oberen geschuldet?

Durch das irritierende Streikverhalten werden nicht zuletzt der hart erarbeitete – und verdiente – gesellschaftliche Status, die Anerkennung und die politische Wahrnehmung in unserer Gesellschaft von Gewerkschaften gestört. Ver.di! Hört auf mit dem Murx! Ihr beschädigt das, wofür eure Mitglieder kämpfen.

Der Handel im Wandel …

… und die Gewerkschaft kommt nicht hinterher. Die Anforderungen, besonders die Prozesse im Handel wandeln sich drastisch. Nicht nur wegen der anhaltenden Digitalisierung oder des großen Wachstums des Online Geschäfts. Das erkannte bereits 2013 der stationäre Händler Globus und kündigte den Tarifvertrag auf. Ursächlich war die Forderung der Gewerkschaft, dass auch Logistik- und Lagermitarbeiter, die die Regale nach Geschäftsschluss auffüllten, nach dem Flächentarif bezahlt werden sollten. Zurecht wehrte sich Globus und kündigte nach gescheiterter Verhandlung den Tarifvertrag.

Mit Amazon scheint Ver.di nun zu glauben, ein Exempel statuieren zu können. Die Grundidee ist ähnlich. Die Gewerkschaft glaubt, dass die Logistik nun ein zum Online-Einzelhandel gehörender Prozess sei und die Mitarbeiter in den Amazon Fulfillment Centern würden Einzelhandelsaufgaben ausführen. Das ist falsch. Sie picken und packen Ware und bearbeiten Retouren. Sie machen das, was seit einem Jahrhundert ein Lagermitarbeiter macht.

Amazon erweist sich als Bollwerk

Dafür sollten wir alle dem Unternehmen dankbar sein. Aufgrund seiner gut aufgestellten Logistikprozesse konnte der Handelriese bisher jeden Streik parieren. Jede Attacke wurde erfolgreich abgewehrt. Und es sind keine Anzeichen in Sicht, dass Amazon sein Verhalten ändern wird. Gut so!

Durch diese beharrliche Gegenwehr und ihre Standhaftigkeit gegenüber den absurden gewerkschaftlichen Forderungen bewahrt Amazon den gesamten Onlinehandel vor einer bedrohlichen Kostenlawine. So ambivalent auch vieles, was Amazon tut, bewertet werden kann, in diesem Fall dürfen wir uns alle freuen, dass das Unternehmen so aufrecht und potent ist.