Gestern kündigte Amazon an, dass es ab sofort die Kommentarfunktion von Rezensionen und Bewertungen einstellen werde. Als Grund gab das Unternehmen an, dass dieses Feature zu wenig genutzt wird. Das mag nun stimmen oder auch nicht. Einige wenige Händler reagierten erbost, da sie das Gefühl haben, ihnen würde etwas genommen.

Amazons Darstellung mag stimmen, dass diese nun gekappte Feedback-Funktion wenig genutzt wurde. Das bedeutet aber nicht, dass das Tool unwichtig ist. Als maximal kundenzentriertestes Unternehmen im Universum sollte Amazon nicht die Möglichkeiten des Kundenservice wegnehmen. Klüger wäre es, die Händler zu mehr Interaktion zu drängen. Und drängen kann Amazon sehr gut. Eine neue Kennzahl im Seller Central würde wahrscheinlich das Feature an seine Lastgrenze bringen. Warum tut die Plattform nicht so etwas?

Aus Händlersicht hätte es jedenfalls in der Vergangenheit Sinn gemacht, dieses Tool zu nutzen. Jedenfalls bei allen ›kritischen‹ Rezensionen. Hier hättet ihr die Möglichkeit, Produktverbesserungen zu posten und zu zeigen, dass ihr Kundenservice leistet.

Aber schauen wir noch einmal auf die von Amazon angegebene Begründung. Hier scheint beim ›Chaoshaufen‹ in Seattle einiges schiefgelaufen zu sein. Amazon gibt an, dass die Funktion kaum benutzt wurde und von mit dem Sachverhalt vertrauten Personen erfuhr Wortfilter, dass 80% der abgegebenen Kommentare von Kunden, also nicht von Händlern, stammen.

Es drängt sich also die Frage auf: Was wurde alles gezählt? Was wurde ins Verhältnis gesetzt? Wahrscheinlich wurden alle Rezensionen betrachtet. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Betrachte ich die Nutzung der Kommentarfunktion im Verhältnis zu allen Rezensionen, dann erhalte ich eine sehr verzerrte Aussage. Es macht für Händler wenig Sinn, jede abgegebene positive Bewertung mit einem Kommentar zu versehen. Tatsächlich werden ja auch mehrheitlich gute Feedbacks auf der Plattform vergeben. Ergo sollten alle positiven Bewertungen aus der Zählweise rausfallen. Jedoch darf kolportiert werden, dass dem nicht so ist. Schaut ihr nun auf die Nutzung der Kommentarfunktion bei schlechteren und schlechten Feedbacks, so werdet ihr vermutlich – auch an eurem eigenen Nutzerverhalten – erkennen, dass das Feature sehr wohl intensiv genutzt worden ist.

Ein eigener Test von 500 Rezensionen hat ergeben, dass die Nutzung der Kommentarfunktion durch Händler mit Abnahme der Sterne steigt. 5-Sterne-Bewertungen haben also wenig Kommentare, wohingegen 1-Sterne-Feedbacks viele Händlerkommentare aufzeigen.

Und nun? Diese Abschaltung zeigt wahrscheinlich wieder einmal, wie unüberlegt und dadurch falsch Amazon Entscheidungen trifft. Gerade im Kontext von 1- oder 2-Sterne-Rezensionen war die Kommentarmöglichkeit ein wichtiges Tool für Händler, um auf Rückmeldungen der Verbraucher reagieren zu können. Das fehlt nun zum Leiden der Händler und Verbraucher.

Amazon selbst ist ein kundenzentriertes Unternehmen und es mag niemand glauben, dass Amazon bewusst den Verbrauchern einen Service ›wegnimmt‹. Jedoch ist Amazon weder smart noch klug, sodass Fehlentscheidungen wegen falscher Messung passieren können. Und genau das scheint hier – ziemlich sicher – passiert zu sein!