Das Bundeskriminalamt nutzte die umstrittene Bestandsdatenauskunft zuletzt fast neunmal so oft wie noch 2013. Dies musste die Bundesregierung in der Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz einräumen, die der Bürgerrechtler und Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Europawahl Dr. Patrick Breyer, die Bürgerrechtlerin und Autorin Katharina Nocun und über 6.000 weitere Beschwerdeführer eingereicht haben. Breyer rät Internetnutzern zu Schutzmaßnahmen.
Konkret stellte das Bundeskriminalamt 2013 noch 2.001 Bestandsdatenabfragen, 2014 2.340 Abfragen, 2015 4.751 Abfragen, 2016 8.752 Abfragen und 2017 17.428 Abfragen. Vorwiegend dienen solche Abfragen der Identifizierung von Internetnutzern.
Dr. Patrick Breyer warnt: “In einem Klima des politischen Überwachungswahns sind Datenabfragen unter viel zu geringen Voraussetzungen zugelassen worden. Dadurch ist die Gefahr, infolge einer Bestandsdatenabfrage zu Unrecht in das Visier von Ermittlern oder Abmahnkanzleien zu geraten, drastisch angestiegen. IP-Adressen sind ein sehr fehleranfälliges Ermittlungsinstrument, weil sie nicht auf den konkreten Nutzer schließen lassen. Ich rate allen Internetnutzern zum Einsatz eines Anonymisierungsdienstes, um sich vor falschem Verdacht und ungerechtfertigter Verfolgung zu schützen.”
Auf Nachfrage des Bundesverfassungsgerichts musste die Bundesregierung auch eingestehen, einen gesetzlich vorgeschriebenen Bericht über die Auswirkungen des zunehmend genutzten IPv6-Protokolls auf den Grundrechtsschutz seit mehr als drei Jahren nicht vorgelegt zu haben. Während die Bundesregierung behauptet, das neue Internetprotokoll erleichtere Ermittlungen gegen Internetnutzer nicht, argumentieren die Beschwerdeführer, dass das Internetnutzungsverhalten gegenwärtig sehr viel länger rückverfolgbar sei als noch vor einigen Jahren. Seit Abschaffung der sogenannten Zwangstrennung bleibe die Kennung von Internetnutzern oft monatelang gleich und ermögliche eine Nachverfolgung der Internetnutzung über lange Zeiträume.
Hintergrund: Nach dem Gesetz zur Bestandsdatenauskunft können Behörden u.a. Internetnutzer identifizieren und Zugangscodes zu Telekommunikationsdiensten herausgeben lassen, z.B. Passwörter zu E-Mail-Postfächern. Zuletzt unterstützte der Bundesdatenschutzbeauftragte die von der Piratenpartei organisierte Sammel-Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz und kritisierte die Maßnahme scharf.
(Quelle: Pressemitteilung)
Kommentar
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Das bedeutet die Nutzer müssen im Fall der Strafverfolgung einfach und schnell identifizierbar sein. Das Schutzbedürfnis durch Mobbing, Verleumdung oder durch andere strafbare Handlung betroffene Unternehmen und Menschen wiegt in meinen Augen höher.
Durch die schwierige Identifizierung von Internetnutzern ist es leicht ungerechtfertigte negative Bewertungen, Hasschriften oder ‚Blackhat‘ Kampagnen gegen Unternehmen zu initiieren. Unternehmer müssen eine einfache Möglichkeit haben diesen Troll-Wahnsinn zu unterbinden.
Es darf nicht sein, dass durch gezielte Kampagnen gegen einzelne Unternehmer oder kleine Firmen deren Existenz massiv gefährdet wird. Hierzu äußerte sich unter anderem bereits Amazon Experte Christian Otto Kelm in seinem Format ‚Amazon Dorf Talk‘. Sehr umfangreich berichtete auch das Portal etailment.de in seinem Bericht vom 25. Februar 2019. Dieser bezieht sich auch auf eine amerikanische Berichterstattung aus dem Jahr 2018 auf theverge.com.
Die Bedrohung durch unzufriedene Kunden oder strafrechtlich relevant handelnde Wettbewerber ist also real und kann jeden Unternehmer treffen. Gerade aber kleine oder Kleinstunternehmen können sich gegen solche Praktiken nicht wehren. Daher ist es wichtig, dass die Strafverfolgungsbehörden einfache Werkzeuge an die Hand bekommen im Falle einer Anzeige zu ermitteln.
Die Kritik der Piratenpartei könnte also meiner Meinung nach nicht falscher und schädlicher für den KMU-Handel sein.