Auf die Corona-Aktion in der Wortfilter-Facebook-Gruppe vom 17. März haben sich rund 120 Online Shop Händler gemeldet, die Ihren Shop zum Usability- und Salesperformance- Check angemeldet haben. 

Dabei sind einige Punkte aufgefallen, die sich durch viele Shops gezogen haben. Die habe ich gesammelt, aufbereitet und möchte sie Dir hier zur Verfügung stellen. 

Grundsätzlich bin ich völlig geflashed, dass so viele Händler bereit waren, sich ein Feedback geben zu lassen. Das ist nicht immer selbstverständlich. Denn in so einem Shop steckt meist viel Energie, Arbeit und Herzblut. Wer will da schon gerne Kritik? 

Um genau zu sein nur die, die sich immer verbessern und weiterentwickeln wollen. Und da bekanntlich der Schuster die schlechtesten Leisten hat, bzw. Die größe Brille der Betriebsblindheit trägt, kann ein Blick von aussen schon mal hilfreich sein. 

Bevor ich das Learning hier für alle teile, möchte ich noch kurz ein dickes Dankeschön loswerden. Denn ehrlich? Wann hat man schon mal die Gelegenheit so viele unterschiedliche Shops mit ihren Themen tiefer kennenzulernen. Und die Vielfalt war wirklich krass beeindruckend. Also vielen Dank – ich selbst auch super viel gelernt. 

Zu meiner Vorgehensweise

Ich habe mich bei jedem Shop ausschließlich auf die Kundenperspektive konzentriert. 

Und als erstes die Shops im Netz gesucht. 

Im Shop selbst habe ich für ein spezielles Szenario ein Produkt gesucht und bin den gesamten Kaufprozess, bis hin zur Registrierung und dem Bezahlvorgang, durchgegangen. 

Zum Abschluss habe ich mir nochmal den Shop als Gesamtkonzept angeschaut. Sowohl am Rechner, als auch mobil am Smartphone. Als Browser habe ich Safari und Chrome genutzt. 

  • Suche
  • Produktkauf
  • Gesamtkonzept

Vorab ist zu sagen, dass so gut wie niemand eine Herausforderung mit der technischen Seite hatte und die Shopsysteme das gemacht haben, was sie sollten. Die Herausforderungen lagen tatsächlich in den Bereichen SEO, Kundenperspektive, logischer Verkaufsprozess und leichter Shopführung. 

SEO

Etwas überraschend. Ich habe viele Shops im Netz (Suchmaschinen, relevante Social Media Plattformen,  Marktplätze) nicht gut gefunden. Bei sehr extremen Nischenshops habe ich sogar mal einschläge Foren durchforstet, um dort zu suchen. 

Mit einigen Händler habe ich intensiver gesprochen und die Rückmeldung bekommen, dass keine klare SEO-Strategie vorliegt. Was meine Beobachtung auch in Hinblick auf den Shop selbst bestätigt hat und absolut schade ist. Denn ein Shop, der nicht oder nur schwer gefunden wird, existiert nicht für den Kunden. 

Ladezeiten

Der Punkt hat fast schon Platz 1 verdient und wird glaube ich völlig unterschätzt. Die Ladezeiten der Startseiten war teils immens hoch. Ebenso bei Artikeln, bei dem das Bild mehrere Sekunden gebraucht hat, um vollständig da zu sein. Hier verabschieden sich Kunden. 

Mobil Commerce

Die Optimierung auf mobiles Shopping wird oft vernachlässigt. 50% der Besuche im Internet finden mobil statt. Genauso viele Online Käufe. Auch, wenn es natürlich irgendwie geht, ist das meist kein bequemer und kundenfreundlicher Vorgang. Die Konsequenz ist klar: Der Kunde wandert ab. 

Identität und Orientierung

Wer als Besucher auf den Shop kommt, möchte sofort wissen, um was es hier geht und was er bekommt. Er braucht eine blitzschnelle Orientierung. Das fängt übrigens beim Namen schon an. Geht über den Header, Menüführung und eine strukturierte Startseite. 

Hier muss die Kundenperspektive berücksichtigt werden. Geh immer davon aus, dass Dein Besucher weder Dich, Deine Produkte kennt, noch Dein Fachwissen und internes Firmenwissen hat. Das bringt mich direkt zum nächsten Punkt:

Logischer Verkaufsprozess

Der Ablauf ist immer gleich: Bedarfsanalyse, Einwandbehandlung, Angebot, Abschluss, Nachversorgung. 

Das ist für Deinen Shop Struktur gebend. Diese Struktur war selten zu finden. 

Zunächst muss der Kunde sich in seinem Bedarf wiederfinden. Das kannst Du durch Bilder, einen Claim, Texte, Menüpunkte – was auch immer er zuerst sehen soll, machen. 

Er wird sich umschauen und erste Einwände poppen hoch: Kann ich dem Shop vertrauen? Wie ist die Qualität? Wie sehen die Produkte aus? Was sagen andere Kunden? Wann wäre mein Produkt da? Das sind ganz allgemeine Fragen, die immer da sind. Das kannst Du gut lösen. 

Natürlich haben Kunden auch zu Produkten passend für ihren Bedarf Einwände. Die müssen ebenfalls behandelt werden. 

Das Angebot darf dann im Rahmen der Kaufmotive präsentiert werden. 

Oft fehlte es aber an der Nachversorgung. Der Kunde braucht nach dem Kauf die Bestätigung, dass er sich richtig entschieden hat. Und womit stellst Du sicher, dass er gerne wiederkommt?

Entscheidungshilfen

Auffällig war, dass so gut wie nirgends psychodynamische Entscheidungshilfen eingesetzt wurden. Der Kunde durchläuft während des Besuches auf Deiner Shopseite einen inneren Enstcheidungsprozess. In Deinem Tracking kannst Du es ja sehen: An welchen Stellen verlässt er einen logischen Weg oder springt sogar ab? Genau an den Punkten ist alleine schon Bedarf für eine solche da. Entscheidungshilfen sollten sich durch den gesamten Shop ziehen. 

Entscheidungshilfen sind visuelle und textliche “Schubser”, die den Kunden auf der emotionalen Ebene bei einer Entscheidung für Dein Produkt unterstützen. 

Das Thema Entscheidungshilfen ist zu komplex, um es hier ausführlich zu erläutern, dazu wird es einen separaten Artikel geben. 

Wahrnehmung

Jeder Händler sollte sich die Frage stellen, wie er wahrgenommen werden möchte. Du kannst die besten und hochwertigsten Premium-Produkte verkaufen – wenn die Farben nicht stimmen, die Texte nicht ordentlich und die Bilder unscharf sind oder Dein Shop aussehen würde, wie Kraut und Rüben, dann nimmt der Kunde Deine Produkte nicht als hochwertig war. 

Ich weiß, dass es viel Arbeit ist, einen Shop aufzusetzen und man gerade bei einer Masse an Produkten froh ist, wenn sie alle eingestellt sind. Nützt aber nichts. Wahrnehmung als Gesamtbild ist das A und O. Da kann man nicht genug Arbeit reinstecken. 

Kundenperspektive

Shops werden für Kunden gemacht. In jedem einzelnen Schritt. Das spiegelt sich in Design, Text, Bilder und Shopführung wieder. Shops sollten nicht aus der Unternehmerlogik heraus erstellt werden, sondern immer für den Kunden Sinn ergeben. 

Produkttexte sollten jede Frage beantworten, die ein Kunde hat. Jeden Einwand entkräften. Auch Bilder sollten Fragen beantworten. 

Das kann nicht oft genug gesagt werden: Der gesamte Shop muss für den Kunden optimiert werden. Nicht für den Händler. 

Es wird folglich auch zu weniger Beschwerden und Fragen kommen – logisch. Und zu mehr Umsatz. 

Das ist sicher mit der anstrengendste Part, denn die eigene Sicht auf die Produkte und den Shop – ja sogar das Ziel, was der Shop verfolgt ist gänzlich anders, als zu dem was der Kunde braucht und möchte. 

Kommunikation und Service

Ein Shop ist kein Selbstläufer. Und wird es vermutlich auch nie werden. Kunden wollen mehr denn je ein einwandfreies Kauferlebnis. Kaufen ist auch kein rationales Geschehen, sondern wird durch emotionalen Erleben wesentlich mehr gesteuert. Auch wenn wir das anders beurteilen würden. Es ist dennoch so. 

Online fehlen dem Kunden einfach viele Komponenten, wie ganzheitliche Optik, Haptik, einen netten Verkäufer, den man ansprechen kann. 

Die Folge: Shops werden rein rational aufgebaut. Wir kaufen aber nicht rational. 

Das muss im Online Shop irgendwie gelöst werden. Du kannst natürlich viel über Bild und Text abbilden. Allerdings werden Shops immer vergleichbarer und Kunden haben somit mehr Auswahl. 

Wer also eine gute Kommunikationsmöglichkeit und einen herausragenden Service anbietet, der wird so schnell keinen Kunden verlieren. Das gilt nicht nur für Rückläufe, Abbrüche und Beschwerden, sondern auch für das Kauferlebnis nach dem Bezahlvorgang. 

Das Kauferlebnis endet beim Kunden noch nicht mal beim Auspacken Deiner Ware (das sollte schon ein Highlight beinhalten), sondern beim Anwenden. Und wenn er etwas von Dir bekommt, was ihm zeigt, dass es Dir wichtig ist, dass er mit dem Produkt zufrieden ist. Auch das kann eine automatisierte Mail schon erfüllen. 

Service ist sehr vielseitig und kann von allen Seiten her gedacht werden. Je nachdem, was Dein Shopthema ist, kannst Du natürlich auch hochwertigen und relevanten Content als Serviceleistung für Deinen Kunden sehen. 

Es lohnt sich in jedem Fall, dem Kunden eine ganze Bandbreite von Kommunikation und Service anzubieten. Das wird sich in Zukunft auszahlen. 

Etwas verwunderlich: Kaum ein Shop hatte zu dem Zeitpunkt eine aktuelle Kundeninformation in Bezug auf Corona auf seiner Seite. Natürlich haben Besucher dazu Fragen. Liefern die überhaupt noch? Wenn man eine Lieferzeit von 2-4 Wochen in Kauf nehmen muss oder bestimmte Artikel nicht geliefert werden können, dann ist das wichtig. 

Apropos: Wenn Artikel nicht verfügbar oder lieferbar sind, dann raus damit. Das enttäuscht. Denn spätestens, wenn der Kunde davon einen zweiten Artikel findet ist er weg. 

Shopführung

Der Kunde will es leicht und hürdenlos in seinem Entscheidungsweg. Dafür braucht es eine klare Shopführung. Oftmals wird der Fluss durch ganz banale Dinge gestört, wie ein mitlaufendes Headermenü, was ständig nach unten drückt. Ein Siegel, was immer unten rechts fixiert ist und oft Buttons oder wichtige Informationen verdeckt. Störende Animationen, die passiv Stress auslösen. Optische Störelemente, die das logische weiter klicken versperren. Unpassende Bilder. Irritierende Farben. Verwirrende Klickführungen. Doppelte Klickführungen. (Gerade die Klickführungen sind durch das Shopsystem bedingt, ist aber dennoch lösbar.) Extrem nervige Captcha. Hier ist weniger oftmals mehr. 

Einfachstes Beispiel: Kunde fügt Produkt dem Warenkorb hinzu und nichts passiert daraufhin. 

Nur zwei einfache Buttons könnten es dem Kunden leichter machen: Weiter einkaufen und Bezahlen. 

Grundsätzlich für die Shopführung gilt: Was weg kann, muss weg. Was die Entscheidung des Kunden für Dein Produkt unterstützt sollte bleiben. 

Kundendaten

Der große Vorteil des Online Händlers ist, dass er, sofern er möchte, jede Menge Daten zur Verfügung haben kann. 

Wichtig ist hierbei die Relevanz im Blick zu haben. 

Spannenderweise führt das Sammeln von Kundendaten nicht zur Personalisierung in allen Fällen. Da fehlt es an Konzepten oder Ideen, wie man es gut nutzen kann. Das macht einen Shop um ein vielfaches relevanter für den Kunden.

Grundsätzlich muss mit Daten immer etwas Sinnvolles im Sinne des Kunden gemacht werden. Auch, wenn Kunden immer noch achtlos Daten an den wildesten Stellen rausgeben, ist das Thema für sie insgesamt sensibler, wenn sie selbst aktiv irgendwo welche eingeben, was mit einem Griff in den Geldbeutel verknüpft ist. 

Bei der Kundenregistrierung können zu viele Abfragen zum Abbruch führen. Die Auswahl zwischen 14 Titeln, die Angabe von Telefonnummer und Geburtstag scheint im ersten Schritt völlig überflüssig zu sein. Solltest Du die Daten später benötigen, dann sammle sie auch später. Im ersten Schritt gilt: Je weniger der Kunde von sich preisgeben muss, desto besser ist es. 

Fazit

Die Shops waren in der Regel technisch und rational gut aufgebaut. Was auffällig war, dass psychodynamische Faktoren im Verkaufsprozess keine Bedeutung bekommen haben. 

Da gilt es nachzurüsten. 

Ausgehend davon, dass Online Shopping immer mehr noch an Bedeutung gewinnen wird, muss man potentielle Folgen für sich und seinen Shop im Blick haben. 

  • Die Anzahl der Online Shops wird weiterhin steigen
  • Die Zahl der Mitbewerber steigt
  • Nischen-Shops werden ihr Monopol verlieren
  • Weitere größere Marktplätze werden entstehen und kleinere Shops verdrängen

Händler müssen sich vom Bild des rationalen Kunden verabschieden und sich auf das Kauferlebnis und die Kaufführung des Kunden konzentrieren. Dann ist die Zukunftsprognose nicht mehr düster, sondern voller Chancen. 

Denn eins ist klar: Kunden lieben es zu kaufen. Sie bekommen nur nicht gerne was verkauft. Wird es für sie zu einem positiven Erlebnis und sie bekommen wirklichen Mehrwert, dann ist der Shop gut aufgestellt für alles, was noch kommt.