Selektive Vertriebssysteme oder -beschränkungen finden weder die EU noch das Bundeskartellamt gut. Das hat die Behörde in einem aktuellen Verfahren Liebherr-Haushaltsgeräte klargemacht. Für Onlinehändler bedeutet diese Entscheidung eine Stärkung ihrer Position. Die Liebherr-Hausgeräte Vertriebs- und Service GmbH musste aufgrund der Entscheidung ihr Vertriebsmodell ändern, um Onlinehändler gleichzustellen.

Was war passiert?

Liebherr überarbeitete zum Beginn des Jahres seine Handelsverträge. Sie enthielten Klauseln, die reine Onlinehändler aber auch Multi-Channel-Seller stark benachteiligten. Betroffene Liebherr B2B-Kunden beschwerten sich beim Bundeskartellamt. Dieses leitete ein Verfahren ein, welches nun zum Ende gekommen ist. Das Ergebnis: Liebherr hat eine Reihe von Anforderungen für Händler im Onlinevertrieb, die zu Beginn des Jahres eingeführt worden waren, gelockert.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes dazu: »Markenhersteller wie Liebherr haben die Möglichkeit, Qualitätsanforderungen für den Vertrieb ihrer Waren aufzustellen. Bei Liebherr haben wir nach Beschwerden aus dem Markt allerdings festgestellt, dass im Onlinevertrieb teilweise deutlich strengere Anforderungen als im stationären Handel gelten, um als Händler in den Genuss von Rabatten zu kommen. Händler, die auf beiden Vertriebsschienen aktiv sind und die strengen Onlinevorgaben nicht erfüllen, laufen dabei Gefahr, den Rabatt auch im stationären Bereich einzubüßen. Solche Klauseln können dazu führen, dass die Attraktivität des Onlineverkaufs erheblich leidet oder manche Händler ihn sogar einstellen. Das ist kartellrechtlich nicht akzeptabel. Auf unsere Intervention hin hat Liebherr die in Rede stehenden Kriterien angeglichen und flexibler gestaltet. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können somit auch in Zukunft von aktivem Preiswettbewerb zwischen den Händlern profitieren und zwar online und offline

Im Detail

Die Liebherr-Produkte werden überwiegend in einem sogenannten selektiven Vertriebssystem über autorisierte Händler verkauft. Anfang 2021 hat der Hersteller einen neuen Vertriebsvertrag und im Zuge dessen auch den Liebherr-Performance-Rabatt eingeführt. Auf Beschwerden aus dem Markt hin hat das Bundeskartellamt die Leistungsanforderungen, die ein Händler für den Erhalt von Rabatten erbringen muss, untersucht: Nach den Ermittlungen galten teilweise deutlich strengere Kriterien für den Onlinevertrieb im Vergleich zum stationären Verkauf. Dazu zählten Anforderungen an den Onlineshop, wie die Erreichbarkeit von Personal an Sonn- und Feiertagen zwischen 9 und 20 Uhr, die Lieferfrist für bestellte, nicht beim Händler vorrätige Ware sowie das Angebot bestimmter Zahlungsarten. Diese Regelungen benachteiligten nach vorläufiger Auffassung des Bundeskartellamtes neben reinen Onlinehändlern insbesondere auch Händler, die sowohl ein Ladenlokal als auch einen Onlineshop betreiben. Für diese galt, dass für den Erhalt des jeweiligen Rabattsatzes sämtliche Voraussetzungen – sowohl online als auch offline – erfüllt werden mussten.

Für betroffene Händler hat der Onlinehandel also Nachteile und macht ihn gegenüber dem stationären Handel unattraktiv. Diese Diskriminierung wird Liebherr nun beseitigen, indem das Unternehmen die Leistungskriterien anpassen wird.

Handelsbeschränkungen. Ein Ärgernis.

Von selektiven Vertriebssystemen sind alle Händler von Markenwaren betroffen. Viele indirekt, die größeren jedoch direkt, wenn sie von den jeweiligen Herstellern beziehen. Seit Jahren kämpft der Bundesverband Onlinehandel (BVOH e.V.) mit seiner Initiative >choice in commerce< an dieser Front. Sie war ursprünglich auf Drängen eines Mitglieds aus dem Bad- und Sanitärbereich ins Leben gerufen worden. Die Früchte können nun viele Händler ernten, da sowohl die EU als auch unser Bundeskartellamt in den vergangenen Jahren Handelseinschränkungen deutlich kritischer betrachtet.

Leider wird in diesem Zusammenhang oft die Verbraucherperspektive vergessen. Handelsverbote im Onlinehandel wirken direkt auf die Auswahl und Möglichkeiten für private Verbraucher. Selektive Vertriebssysteme schränken die Produktauswahl online ein und benachteiligen somit auch Endkunden in ihren Möglichkeiten, dort einzukaufen, wo sie gerade möchten.

Allerdings hat Liebherrs Vertrag auch deutlich gemacht, dass der Onlinehandel nicht immer auf der besseren und vor allem einfacheren Seite des Handels steht. Worum ging es denn hier? Das Unternehmen möchte, dass Onlinehändler durch verlängerte Servicezeiten für Kunden erreichbar bleiben. DAS hat Liebherr also verstanden. Viele Onlinehändler leider noch nicht, denn ihr Kundenservice orientiert sich bei Weitem nicht an den Stufen der Big-Player im Markt. Natürlich ist das eine Herausforderung, die sich reine stationäre Händler nicht stellen müssen.

Kommentar

Die Entscheidung der Behörde hinterlässt ambivalente Gefühle. Auf der einen Seite sind Handelsbeschränkungen, gleich welcher Art, nicht gut. Auf der anderen Seite müssen, sollen, könnten, ›es wäre schön, wenn‹, Onlinehändler einen anderen Service Level erklimmen. Vielen Sellern ist das fremd. Das ist aber falsch. Daher ist es zu begrüßen, dass eine Marke versucht, diese #händlerausderhölle zu erziehen. Markenimage ist nun mal stark mit dem Vertriebskanal und dem Einkaufserlebnis verknüpft.

Fazit: Eine gute Entscheidung … in einer falschen Sache.