Von der Zahnbehandlung bis zur Fließbandarbeit: In China werden humanoide Roboter immer stärker für reale Anwendungsfälle vorbereitet. Der technologische Fortschritt ist dabei nicht nur wirtschaftlich motiviert, sondern auch politisch gewollt. In Pekings Hightech-Bezirk Yizhuang zeigt sich bereits heute, wie konkret die Vision von einer „verkörperten KI“ aussieht.
Humanoide Roboter im Alltagstest
In Yizhuang, dem Innovationszentrum der chinesischen Hauptstadt, sind autonome Taxis, Robotik-Startups und Technologiekonzerne allgegenwärtig. Auf Ausstellungen wie zuletzt in Peking zeigen Anbieter neue Generationen humanoider Maschinen mit konkretem Einsatzzweck.
Beispiel: „GalBot“, ein in Peking entwickelter Roboter, bedient ein Medikamentenregal. Auf Knopfdruck entnimmt er präzise ein gewünschtes Produkt und legt es in einen Ausgabekorb. Die Anwendung ist auf den Apothekenbetrieb rund um die Uhr ausgerichtet – ohne Personal, mit hoher Wiederholgenauigkeit.
Ein anderer Fall: „YakeBot“, der Roboter-Zahnarzt. Das System ist in der Lage, einem menschlichen Modell ein Zahnimplantat einzusetzen. Die Hersteller versprechen, Eingriffe so schneller, präziser und standardisierter zu machen – mit geringerer Belastung für Personal und Patient.
Und auch das verarbeitende Gewerbe ist im Blick: Der Humanoid „Walker“ legt Fertigteile auf eine Rollenbahn – ein Symbol für den Einsatz humanoider Maschinen in Montagehallen und Fabriken. Laut den Entwicklern arbeitet „Walker“ für 3–4 Stunden autonom, bevor er selbstständig zur Ladestation fährt.
Pilotprojekte und Trainingsdaten – noch kein Masseneinsatz
Trotz der aufsehenerregenden Demonstrationen bleibt festzuhalten: Die gezeigten Anwendungen befinden sich noch im Pilotstatus. Sie dienen nicht nur dem Technologietest, sondern auch dem Training von KI-Systemen – durch das Erfassen und Auswerten von Bewegungs- und Umgebungsdaten.
Tatsächliche Einsatzszenarien in Unternehmen sind bislang begrenzt und stark auf den Demonstrationscharakter fokussiert. Die Skalierung in echte betriebliche Prozesse – etwa in Produktion, Logistik oder Service – ist noch nicht erreicht, aber in Vorbereitung.
Strategisches Ziel: Globale Technologieführerschaft
Hinter dem Fortschritt steht eine klare politische Agenda. Die chinesische Regierung hat sich in ihrem aktuellen Arbeitsbericht das Ziel gesetzt, gezielt in sogenannte Zukunftsindustrien zu investieren – explizit genannt wird dabei der Bereich „verkörperte künstliche Intelligenz“, zu dem humanoide Roboter zählen.
Mit dieser Strategie positioniert sich China direkt gegenüber anderen Technologieführern – etwa den USA, wo Konzerne wie Tesla mit dem Optimus-Projekt an eigenen Humanoid-Lösungen arbeiten. Die Volksrepublik will nicht nur mithalten, sondern selbst Maßstäbe setzen.
Technologiedemonstration im öffentlichen Raum
Die Inszenierung des technologischen Fortschritts erfolgt nicht nur in Forschungszentren, sondern auch im öffentlichen Leben. Zuletzt sorgte ein Halbmarathon mit humanoiden Robotern für weltweite Aufmerksamkeit. Auch in der chinesischen Neujahrsgala – einem der wichtigsten Fernsehmomente des Landes – traten Roboter in einer choreografierten Tanzperformance auf.
Diese öffentlichkeitswirksamen Auftritte sollen Begeisterung und Akzeptanz fördern – sowohl bei Unternehmen als auch in der Bevölkerung.
Anwendungsfokus: Gefährliche und belastende Tätigkeiten
Ein zentraler Aspekt der Robotikstrategie: Der Einsatz humanoider Systeme an gefährlichen, belastenden oder monotonen Arbeitsplätzen. Das Ziel sei laut Liang Liang, Vize-Direktor des Verwaltungsausschusses für wirtschaftliche Entwicklung in Peking, nicht der Ersatz von Menschen, sondern die Ergänzung durch Maschinen, die Aufgaben übernehmen, „die Menschen nicht tun wollen“.
Dabei geht es insbesondere um Branchen mit hoher körperlicher Belastung, Schichtarbeit oder hoher Wiederholungsrate – etwa Lagerlogistik, Überwachung, Pflegehilfen, medizinische Assistenz oder Fertigung.
Fazit: Roboter verlassen das Labor – Schritt für Schritt
China investiert gezielt und öffentlich sichtbar in die Entwicklung humanoider Robotik. Die Systeme bewegen sich von reinen Konzepten hin zu konkreten Anwendungen – mit klarer Ausrichtung auf Alltagstauglichkeit, Automatisierung und Effizienz. Während noch keine flächendeckende Einführung erfolgt, sind die Weichen gestellt: politisch, technologisch und gesellschaftlich.
Einordnung: Humanoide Roboter stehen vor dem Markteintritt – und die Logistik wird es zuerst spüren
Der derzeitige technische Reifegrad zeigt klar: Eine breite Markteinführung humanoider Roboter ist innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre realistisch. Und das bedeutet: Die Logistik wird als eine der ersten Branchen betroffen sein. Für dich als Händler – ob mit eigenem Lager oder im Fulfillment – ist es deshalb entscheidend, jetzt die Weichen zu stellen.
Angst ist kein guter Berater. Stattdessen solltest du offen für die massiven Effizienzpotenziale sein. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bietet sich hier eine echte Chance: Wer frühzeitig in neue Technologien einsteigt, kann davon brutal profitieren – sowohl durch Produktivität als auch durch Wettbewerbsvorteile.
Wichtig ist aber auch, dass Softwareanbieter mitziehen. Systeme wie Pulpo WMS, JTL-Wawi oder andere Lagerverwaltungen sollten den Markt genau beobachten und aktiv Kontakt zu Roboter-Herstellern aufnehmen. Denn nur wenn die Systeme integriert sind, lassen sich Roboter kosteneffizient einsetzen.
Und ja – es ist zu erwarten, dass China auch bei humanoiden Robotern mit aggressiven Preisen auf den Markt drängen wird. Wenn heute schon E-Autos für unter 8.000 Euro verkauft werden, ist es realistisch anzunehmen, dass ein leistungsfähiger Roboter nicht mehr kosten muss als ein Auto. Damit lägen die Anschaffungskosten bei etwa drei Monatsgehältern eines Lagermitarbeiters – was den Return on Investment (ROI) geradezu sensationell macht.
Ein Roboter kennt keine Krankheit, kein Urlaub, keine Schichtplanung und keine Stimmungsschwankungen. Er liefert kontinuierlich und kalkulierbar. Das wird die Logistik revolutionieren.
Allerdings: Der Wegfall vieler Arbeitsplätze wird die Schattenseite dieser Entwicklung sein. Es dürfte kaum überraschen, wenn in absehbarer Zeit über eine Robotersteuer nachgedacht wird – als Ausgleich für wegbrechende Sozialbeiträge aus klassischer Beschäftigung.
Die Händlerbranche sollte sich also nicht nur technisch, sondern auch gesellschaftlich und strategisch auf diesen Wandel vorbereiten. Denn was sich jetzt in China zeigt, ist kein ferner Science-Fiction-Plot – sondern ein Blick auf das, was bald Realität wird.