EuGH: Webseitenbetreiber mitverantwortlich fĂŒr Datenerhebung bei „GefĂ€llt mir“-Button

Der EuropĂ€ische Gerichtshof hat entschieden, dass Betreiber einer Website, die ein Social Plugin einbinden, fĂŒr das Erheben und die Übermittlung der Daten ĂŒber das Plugin mitverantwortlich sind (Urt. v. 29.7.2019 – C-40/17 – Fashion ID). Das OLG DĂŒsseldorf hatte 2017 ein entsprechendes Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mehrere Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Sachverhalt

Der Online-Shop Fashion ID hatte 2015 auf seiner Website den „GefĂ€llt mir“-Button von Facebook eingebunden. Durch den „GefĂ€llt mir“-Button können Nutzer den Inhalt einer Website mit ihrem Facebook-Profil verknĂŒpfen und so kundtun, dass ihnen der verlinkte Inhalt gefĂ€llt. Die Einbindung des Buttons erfolgt dabei ĂŒber einige HTML-Codezeilen, durch welche der eigentliche Programmcode direkt von den Servern des Anbieters geladen wird. Beim Aufrufen der entsprechenden Seite werden aufgrund dieser Einbindung personenbezogene Daten eines Besuchers an Facebook Ireland ĂŒbermittelt, unabhĂ€ngig davon, ob der Besucher Mitglied bei Facebook ist oder den Button angeklickt hat. Ist der Nutzer bei Facebook eingeloggt, kann der Besuch der Website direkt dem Profil zugeordnet werden.

Die Verbraucherzentrale NRW warf der Beklagten daher vor, personenbezogene Daten der Besucher ihrer Website ohne deren Einwilligung und unter Verstoß gegen die Informationspflichten nach den Vorschriften ĂŒber den Schutz personenbezogener Daten an Facebook Ireland ĂŒbermittelt zu haben.

Das LG DĂŒsseldorf hatte in erster Instanz den Like-Button fĂŒr rechtswidrig erklĂ€rt. Gegen dieses Urteil hatte die Beklagte Berufung eingelegt. Das OLG DĂŒsseldorf setzte das Berufungsverfahren aus und legte dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor.

VerbraucherschutzverbĂ€nde können VerstĂ¶ĂŸe ahnden

Die erste Vorlagefrage betraf die Frage, ob neben den Datenschutzbehörden und den Betroffenen auch VerbraucherverbÀnde befugt sind, im Falle von Verletzungen gegen den Verletzer vorzugehen. Hier stellte der EuGH klar, dass die Datenschutzrichtline 95/46 keine umfassende Harmonisierung der gerichtlichen Rechtsbehelfe vorsehe.

Da die seit 2018 geltende DSGVO aber eine ausdrĂŒckliche Möglichkeit fĂŒr VerbĂ€nde vorsieht, im Falle von DatenschutzverstĂ¶ĂŸen gegen den mutmaßlichen Verletzer vorzugehen (Art. 80 Abs. 2 DSGVO), hat diese Vorlagefrage keine praktische Relevanz mehr.

Gemeinsame Verantwortlichkeit

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Betreiber einer Website (hier Fashion ID), der ein Social Plugin einbindet, das den Browser des Besuchers dieser Website veranlasst, Inhalte des Anbieters dieses Plugins anzufordern und hierzu personenbezogene Daten des Besuchers an diesen Anbieter zu ĂŒbermitteln, als fĂŒr die Verarbeitung Verantwortlicher angesehen werden kann, obwohl dieser Betreiber keinen Einfluss auf die Verarbeitung der auf diese Weise an den Anbieter ĂŒbermittelten Daten hat.

Der EuGH stellte zunĂ€chst klar, dass das Ziel der weiten Definition des „fĂŒr die Verarbeitung Verantwortlichen“ die GewĂ€hrleistung eines wirksamen und umfassenden Schutzes der betroffenen Person sei. Dieser Begriff könne mehrere Personen erfassen.

Zudem verweist der Begriff des „fĂŒr die Verarbeitung Verantwortlichen“, da er sich, wie Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 ausdrĂŒcklich vorsieht, auf die Stelle bezieht, die „allein oder gemeinsam mit anderen“ ĂŒber die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet, nicht zwingend auf eine einzige Stelle und kann mehrere an dieser Verarbeitung beteiligte Akteure betreffen, wobei dann jeder von ihnen den Datenschutzvorschriften unterliegt.

Verantwortlichkeit des Einbindenden

Eine solche gemeinsame Verantwortlichkeit fĂŒr dieselbe Verarbeitung setze jedoch nicht voraus, dass jeder Akteur zwangslĂ€ufig Zugang zu den betreffenden personenbezogenen Daten habe. Dies hatte der EuGH bereits in einem anderen Verfahren entschieden (Urt. v. 10.7.2018 – C‑25/17- Jehovan todistajat), in welchem eine Organisation, Koordination und Ermunterung zur Datenerhebung fĂŒr eine Verantwortlichkeit genĂŒgte, ohne dass Zugang zu sĂ€mtlichen erhobenen Daten bestand.

Bereits im Rahmen seines Fanpage-Urteils stellte der EuGH klar, dass eine gemeinsame Verantwortlichkeit aber nicht zwingend eine gleichwertige Verantwortlichkeit bedeute (Urt. v. 5.6.2018 – C-210/16 – Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein). Dieser Linie bleibt der EuGH treu und entschied nun:

Da jedoch das Ziel von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 darin besteht, durch eine weite Definition des Begriffs des „Verantwortlichen“ einen wirksamen und umfassenden Schutz der betroffenen Personen zu gewĂ€hrleisten, hat das Bestehen einer gemeinsamen Verantwortlichkeit nicht zwangslĂ€ufig eine gleichwertige Verantwortlichkeit der verschiedenen Akteure fĂŒr dieselbe Verarbeitung personenbezogener Daten zur Folge. Vielmehr können diese Akteure in die Verarbeitung personenbezogener Daten in verschiedenen Phasen und in unterschiedlichem Ausmaß einbezogen sein, so dass der Grad der Verantwortlichkeit eines jeden von ihnen unter BerĂŒcksichtigung aller maßgeblichen UmstĂ€nde des Einzelfalls zu beurteilen ist.

Aus dieser Definition gehe hervor, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten aus einem oder mehreren VorgÀngen bestehen kann, von denen jeder eine der verschiedenen Phasen betrifft, die eine Verarbeitung personenbezogener Daten umfassen kann.

Fashion ID fĂŒr Erhebung und Weitergabe verantwortlich

Unter BerĂŒcksichtigung dieser Informationen stellten die Luxemburger Richter fest, dass die VorgĂ€nge der Verarbeitung personenbezogener Daten, fĂŒr die Fashion ID gemeinsam mit Facebook Ireland ĂŒber die Zwecke und Mittel entscheiden kann, sowohl das Erheben der personenbezogenen Daten der Besucher als auch deren Weitergabe durch Übermittlung sei.

Die Beklagte sei daher fĂŒr die VorgĂ€nge des Erhebens personenbezogener Daten und deren Weitergabe durch Übermittlung gemeinsam mit Facebook Ireland verantwortlich i.S.v. Art. 2 Buchst. b RL 95/46/EG. Die Verantwortlichkeit sei jedoch auf die VorgĂ€nge der Datenverarbeitung beschrĂ€nkt, die fĂŒr die sie tatsĂ€chlich ĂŒber die Zwecke und Mittel entscheide, vorliegend also die Erhebung und die Weitergabe der entsprechenden Daten.

Der EuGH folgt damit der Meinung des Generalanwaltes Bobek (SchlussantrÀge 19.12.2018).

Berechtigtes Interesse des Websitebetreibers oder Plugin-Anbieters?

In einer weiteren Vorlagefrage ging es darum, auf wessen berechtigtes Interesse es nach Art. 7 Buchst. f RL 95/46/EG ankomme – auf das des Websitebetreibers oder das des Anbieters des Plugins.

Da angesichts der Antwort auf die zweite Frage in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Betreiber einer Website, der in diese Website ein Social Plugin einbindet, [
], gemeinsam mit diesem Anbieter [des Social Plugins] als fĂŒr die VorgĂ€nge der Verarbeitung – d. h. das Erheben und die Weitergabe durch Übermittlung – von personenbezogenen Daten der Besucher seiner Website Verantwortlicher angesehen werden kann, ist es erforderlich, dass jeder dieser Verantwortlichen mit diesen VerarbeitungsvorgĂ€ngen ein berechtigtes Interesse im Sinne von Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 wahrnimmt, damit diese VorgĂ€nge fĂŒr jeden Einzelnen von ihnen gerechtfertigt sind.

Art. 7 Buchst. f RL 95/46/EG enthielt Voraussetzungen fĂŒr die ZulĂ€ssigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten aufgrund eines berechtigten Interesses. Auch wenn diese Norm nicht mehr in Kraft ist, so ist der Wortlaut doch mit Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO vergleichbar, welcher die ZulĂ€ssigkeit der Datenverarbeitung aufgrund eines berechtigten Interesses regelt, sodass die AusfĂŒhrungen des EuGH hier weiterhin Relevanz haben.

Wer muss die Einwilligung einholen und informieren?

Mit seinen letzten beiden Fragen wollte das OLG DĂŒsseldorf beantwortet wissen, ob die nach Art. 7 Buchst. a und Art. 2 Buchst. h RL 95/46/EG zu erklĂ€rende Einwilligung dem Websitebetreiber oder dem Plugin-Anbieter gegenĂŒber abzugeben ist und ob die Informationspflichten nach Art. 10 RL 95/46/EG auch den Websitebetreiber treffen.

Hinsichtlich der einzuholenden Einwilligung entschieden die Richter:

Was die Einwilligung [
] betrifft, so muss diese vor dem Erheben der Daten der betroffenen Person und deren Weitergabe durch Übermittlung erklĂ€rt werden. Daher obliegt es dem Betreiber der Website und nicht dem Anbieter des Social Plugins, diese Einwilligung einzuholen, da der Verarbeitungsprozess der personenbezogenen Daten dadurch ausgelöst wird, dass ein Besucher diese Website aufruft. [
] Die Einwilligung, die dem Betreiber gegenĂŒber zu erklĂ€ren ist, betrifft jedoch nur den Vorgang oder die VorgĂ€nge der Verarbeitung personenbezogener Daten, fĂŒr den bzw. fĂŒr die er tatsĂ€chlich ĂŒber die Zwecke und Mittel entscheidet.

Dagegen wĂŒrden sich diese Verpflichtungen nicht auf VorgĂ€nge der Verarbeitung personenbezogener Daten erstrecken, die andere, diesen VorgĂ€ngen vor- oder nachgelagerte Phasen betreffen, die die Verarbeitung der in Rede stehenden personenbezogenen Daten gegebenenfalls mit sich bringt.

Dies gelte auch fĂŒr die zu erfĂŒllenden Informationspflichten:

Daraus folgt, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auch die Informationspflicht gemĂ€ĂŸ Art. 10 der Richtlinie 95/46 den Betreiber der Website trifft, wobei dieser die betroffene Person jedoch nur in Bezug auf den Vorgang oder die VorgĂ€nge der Verarbeitung personenbezogener Daten informieren muss, fĂŒr den bzw. fĂŒr die dieser Betreiber tatsĂ€chlich ĂŒber die Zwecke und Mittel entscheidet.

Relevanz fĂŒr DSGVO?

Die Entscheidung des EuGH erging noch zur Datenschutzrichtlinie 95/46/EG. Diese ist zwar mit Inkrafttreten der DSGVO am 25.5.2018 außer Kraft getreten. Dennoch hat die Entscheidung Bedeutung fĂŒr die aktuelle Rechtslage.

Die Definition des „fĂŒr die Verarbeitung Verantwortlichen” findet sich nun in Art. 4 Nr. 7 DSGVO und unterscheidet sich nur unwesentlich von der aus Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46. Auch die Datenverarbeitung auf Grundlage einer Einwilligung oder eines berechtigten Interesses bestehen unter der DSGVO in Ă€hnlichem Wortlaut weiter.

Fazit fĂŒr Shopbetreiber

Vor einigen Jahren waren Social Plugins wie der „GefĂ€llt mir“-Button von Facebook noch in fast jedem Online-Shop zu finden. Seit den ersten Abmahnungen 2015 sind diese auf deutschen Webseiten immer seltener geworden. Auch wir empfehlen rechtssichere Alternativen wie z.B. Shariff oder reine Verlinkungen, um der oben dargestellten Problematik der Datenverarbeitung auf der eigenen Seite zu entgehen. Die Shariff-Lösung wird z.B. hier im Blog eingesetzt.

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