Preisdifferenzierung als das 12. Gebot: Du sollst nie etwas verschenken, was Du auch verkaufen kannst

Der stationäre und der Online-Handel sind nicht so verschieden: Hier, wie dort, geht es um Frequenz und Conversion. Frequenz ist teuer: Mieten auf der Maximilianstraße, genau wie Kosten für hippe Influencer. Conversion dagegen ist Handwerk mit demselben Ziel: Den Shop soll der Kunde mit einer vollen Tüte, die Website mit einem vollen Warenkorb verlassen. Wenn die Herausforderungen also gleich sind, kann der Online-Handel von den langjährigen Erfahrungen des stationären Handels profitieren. In dieser Blogreihe werden daher ein paar dieser Erfahrungen für den Online-Handel nutzbar gemacht.

Das Abschöpfen der maximalen Zahlungsbereitschaft ist im Handel und ganz besonders im Online-Handel sehr bedeutend, denn Frequenz ist teuer. Die Zahlungsbereitschaft hat nichts mit dem Preis und schon gar nichts mit den Kosten zu tun. Jeder Kunde hat eine andere Zahlungsbereitschaft für jedes Produkt einer bestimmten Gattung: Der Verdurstende zahlt viel mehr Geld für ein Glas Wasser, als er im Restaurant tatsächlich zahlen muss. Legt man den Wasser-Preis aber nach seiner (nahezu unendlichen) Zahlungsbereitschaft fest, wären die verkaufbaren Mengen minimal. Ein niedrigerer Preis ist daher gewinnmaximierend. Im Wettbewerb ergibt sich dann genau ein Preis auf der Getränkekarte. Der Verdurstende und viele Andere, die mehr zahlen würden, sind die Gewinner.

Der Händler muss seinen Preis an die individuelle Zahlungsbereitschaft anpassen und zusätzlich den direkten Wettbewerb im Blick haben

Der Gastwirt könnte viel mehr verdienen, wenn er nicht genau einen Preis machen würde, sondern viele Preise, im Extrem für jeden Gast einen anderen. Dem stehen praktische Hürden entgegen, die Menge und Marge kosten. Die Antwort, um das ganze in die Balance zu bringen, heißt Preisdifferenzierung.

Im stationären Handel sind Tankstellen die Könige der Preisdifferenzierung: Morgens ist der Preis sehr hoch (die Leute haben vergessen, abends zu tanken und würden ihr Ziel nicht erreichen, wenn sie es nicht morgens tun). Abends geht der Preis runter, weil die Leute sonst den nächsten Morgen abwarten und ggf. woanders tanken. Kurz vor Ostern geht der Preis hoch, weil die Leute gar nicht anders können als zu tanken, um ihren Urlaubsort zu erreichen. Der Händler muss also seinen Preis an die individuelle Zahlungsbereitschaft anpassen und zusätzlich den Wettbewerb im Blick haben. Wettbewerb herrscht nicht nur um den niedrigsten Preis, sondern auch um die beste Methode der Preisdifferenzierung. Wenn es klappt, bekommt man einen zufriedenen Kunden und maximiert gleichzeitig seinen Gewinn.

Wer in der Disziplin „Preisdifferenzierung“ gut ist, entzieht sich dem brutalen Wettbewerb um den kleinsten Preis

Insbesondere kleine Händler können den heutigen brutalen Preiswettbewerb meistens gar nicht mehr gewinnen, da sich z.B. die Kosten für die Frequenz nicht refinanzieren lassen oder weil die ganz Großen wie Amazon über Services wie Prime nicht kopierbare Vorteile, nicht nur bei den Versandkosten, ausspielen.

Ansatzpunkte für die erfolgreiche Preisdifferenzierung (Teil 1)

„Lockvogelangebote“ mit Minimarge Der Kunde gelangt über das Lockvogelangebot in den Shop und wird dort selektiv „hochverkauft“, d.h. ihm wird ein höherpreisiges und vor allem margenträchtigeres Produkt schmackhaft gemacht. Wichtig ist jedoch, dass mit dem höheren Preis auch ein höherer Produktnutzen deutlich wird und der Kunde sich nicht betrogen fühlt. Die Minimarge auf dem Lockvogelprodukt wird mitgenommen, wenn der Kunde nicht hochberaten werden kann bzw. will. Beide Produkte bringen den notwendigen Deckungsbeitrag u.a. für die Marketing-Kosten, die die Site-Visits/Shop-Besuche produzieren. Das geht auch beim Wasser: günstiges No Name, teures San Pellegrino mit mehr Marge.

 

Preis-Differenzierung mit Neben- oder Folgeleistungen Bei austauschbaren Hauptprodukten kann die Marge schon „weg-konkurriert“ sein, sodass nur eine Minimarge bleibt. Mit Zusatz- bzw. Ergänzungsprodukten wie z.B. Express-Versand, Geschenkverpackung u.ä. kann man jedoch noch eine satte Marge verdienen. Bei diesen „Nebensächlichkeit“ ist die Zahlungsbereitschaft nicht so rational fixiert wie beim Hauptprodukt, auf das man schon mehrere Stunden Internetrecherche verwendet hat. Klassische Beispiele dafür sind günstige Kameras mit teuren Filmen oder Schnäppchenraten für Hotelzimmer kombiniert mit hohen Parkgebühren.

 

Zeitliche Preisdifferenzierung Diese Art der Preisdifferenzierung ist immer dann sinnvoll, wenn es zeitliche Veränderungen in der Zahlungsbereitschaft der Kunden gibt. Klassische Beispiele sind hier die Tourismusindustrie (Fluggesellschaften oder Hotels), die Gastronomie oder Tankstellen. So ist in vielen Restaurants der Mittagstisch wesentlich günstiger als die praktisch gleichen Gerichte am Abend und Frühbucher zahlen für ihren Urlaub deutlich weniger als später Buchende. Der Sommerschlussverkauf gehört auch in diese Kategorie.

 

Rabatte/Zugabe Rabatte oder Zusatzartikel können dazu dienen, zögernde Kunden vom Kauf zu überzeugen. Gut geschulte Verkäufer erkennen sofort, wenn der Kunde gehen möchte und bringen ihn mit einem Rabatt oder einem Zusatzartikel dazu, den Kauf doch noch zu tätigen. Ein weiterer Anwendungsfall von Rabatten sind große Absatzmengen pro Kunde. Um zu vermeiden, dass „große Kunden“ zur Konkurrenz abwandern, werden lieber geringere Margen akzeptiert.Der Zeitpunkt für einen Rabatt bei Onlinekäufen ist z.B. dann gekommen, wenn der Kunde lange auf der Seite verweilt, wenn er zwischen Produkten hin- und herspringt, wenn er ein paarmal zurückkommt oder wenn er schon den dritten Rückgewinnungsversuch ignoriert hat. Um zu vermeiden, dass zu viele Rabatte oder Zugaben gewährt werden, muss Transparenz über individuelle Rabatte so gut wie möglich vermieden werden.

 

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Dr. Peter Walz ist seit November 2013 Geschäftsführer Privatkundenvertrieb & Partnerunternehmen von Vodafone Deutschland. Gleichzeitg gibt er seine vielseitigen Erfahrungen in Beratungen und Coachings an Unternehmen weiter. Zu seinen Schwerpunkten zählen Bereiche wie Leadership&Strategy, Sales & Marketing oder Digital Innovation. Weitere Infos dazu finden Sie unter: https://www.peterwalz.com/. Seine Laufbahn begann er im Finanzbereich der Mannesmann AG. Walz studierte Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, anschließend promovierte er dort.