Was ist eine Gefährdungsbeurteilung – und warum betrifft sie jeden Onlinehändler?

Jeder Arbeitgeber in Deutschland ist gesetzlich verpflichtet, für die Sicherheit und Gesundheit seiner Beschäftigten zu sorgen. Ein zentrales Instrument dafür ist die Gefährdungsbeurteilung – sie ist kein optionales Tool, sondern eine gesetzlich vorgeschriebene Pflicht nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).

Ziel der Gefährdungsbeurteilung ist es, mögliche Gefahren am Arbeitsplatz systematisch zu erkennen, zu bewerten und entsprechende Schutzmaßnahmen abzuleiten. Dabei geht es nicht nur um klassische Industriearbeitsplätze: Auch im Lager eines Onlinehändlers oder im Büro lauern Risiken – von ergonomischen Belastungen bis zu Brandgefahren durch Lithiumbatterien.


Typische Gefahren im E-Commerce – diese Punkte gehören in die Beurteilung

Gerade im Onlinehandel sind Arbeitsplätze vielfältig: Versandlager, Büros, Kommissionierung, Verpackung oder Retourenmanagement – in allen Bereichen können Gefährdungen auftreten:

🔥 Brandgefahr

  • Akkus & Batterien (z. B. in E-Bikes, Powerbanks, E-Zigaretten) können sich entzünden.
  • Lagerung in der Nähe von Wärmequellen oder falsche Ladeinfrastruktur sind häufige Risikofaktoren.

🧪 Gefahrstoffe und Säuren

  • Produkte wie Reinigungsmittel, Tinten oder Kosmetika können Säuren, Alkohole oder Aerosole enthalten.
  • Ohne Sicherheitsdatenblätter oder Kennzeichnung kann Lagerung und Handling schnell gefährlich werden.

🏷️ Verpackungsmaschinen

  • Automatisierte Maschinen mit Schneid-, Stanz- oder Pressfunktionen sind Gefahrenquellen.
  • Fehlender Not-Aus-Schalter, unzureichende Schulung oder keine PSA (Persönliche Schutzausrüstung) führen zu Verletzungsgefahr.

📦 Lager- und Kommissionierungsbereiche

  • Unfallrisiken durch Hubwagen, Leitern, rutschige Böden oder falsch gelagerte Waren.
  • Ergonomische Belastungen durch schweres Heben oder monotone Bewegungen.

🧠 Psychische Gefährdungen

  • Zeitdruck im Weihnachtsgeschäft, ständiger Kundenkontakt oder Überstunden können psychisch belasten.
  • Auch diese Gefahren müssen im Rahmen der Beurteilung betrachtet werden.

Fehlende Gefährdungsbeurteilung: Wer haftet?

Die Rechtslage ist eindeutig: Arbeitgeber haften, wenn sie ihre gesetzliche Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung verletzen – insbesondere, wenn daraus ein Arbeitsunfall entsteht.
Kommt es zu Verletzungen oder gar Todesfällen, haftet der Unternehmer persönlich – sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich.

▶️ Konkrete Folgen:

  • Bußgeld bis zu 5.000 Euro (§ 25 Abs. 2 ArbSchG)
  • Schadensersatzforderungen der betroffenen Person
  • Strafverfahren bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz
  • Reputationsverlust, insbesondere bei schwerwiegenden Vorfällen

Praxisbeispiel: Akku-Brand im Lager

Ein E-Bike-Akku entzündet sich im Lager eines Händlers. Das Lagerpersonal wurde weder geschult noch existierten klare Sicherheitsanweisungen zur Lagerung oder zum Umgang mit Akkus. Es gab keine dokumentierte Gefährdungsbeurteilung.

➡ Ergebnis: Zwei Verletzte, Sachschaden über 300.000 Euro, Bußgeldverfahren durch die Aufsichtsbehörde – und ein empfindlicher Imageschaden.


Wer unterstützt bei der Gefährdungsbeurteilung?

Die Verantwortung bleibt beim Unternehmer – aber er ist verpflichtet, sich fachkundig beraten zu lassen. Laut Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) muss ein Betrieb dafür unter anderem eine Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) beauftragen.

Zusätzlich helfen:

  • Betriebsärzte
  • Sicherheitsbeauftragte
  • Berufsgenossenschaften
  • Externe Sicherheitsdienstleister

Fazit: Pflicht nicht ignorieren – Risiken vermeiden

Die Gefährdungsbeurteilung ist kein bürokratisches Übel, sondern eine Schutzmaßnahme für Menschenleben und wirtschaftliche Sicherheit.
Gerade im Onlinehandel – mit teils unterschätzten Risiken – gehört sie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht.


Konkrete Empfehlungen für Onlinehändler

  1. Jetzt prüfen: Gibt es eine aktuelle, dokumentierte Gefährdungsbeurteilung für alle Arbeitsplätze?
  2. Externe Beratung einholen: Eine Sifa unterstützt bei Analyse, Bewertung und Maßnahmenplanung.
  3. Regelmäßige Überprüfung und Anpassung: Neue Produkte, Prozesse oder Maschinen bedeuten neue Gefahren.
  4. Mitarbeiterschulung ernst nehmen: Wer Gefahren kennt, kann sie vermeiden.
  5. Dokumentation nicht vergessen: Nur dokumentierte Maßnahmen zählen im Haftungsfall.

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