Mehrere US-Medien berichten, dass Amazon und die Kartellbehörden einen Vergleich geschlossen haben. Am 20. Dezember soll die Öffentlichkeit informiert werden. Im wesentlichen betrifft die Einigung Amazons Doppelrolle als Händler und Marktplatzanbieter.
Und zwar geht es um folgende Untersuchungen der europäischen Kartellbehörde aus den Jahren 2019 und 2022. Hier die Veröffentlichungen und Amazons Stellungnahme:
- https://ec.europa.eu/competition/elojade/isef/case_details.cfm?proc_code=1_40462
- https://ec.europa.eu/competition/elojade/isef/case_details.cfm?proc_code=1_40703
- https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/IP_22_4522
- https://ec.europa.eu/competition/antitrust/cases1/202229/AT_40462_8414012_7971_3.pdf
Neben der Sellerdaten Verwendung ging es auch um das Thema Buybox und Prime.
So soll die Einigung aussehen
Der Vergleich verlangt von Amazon, konkurrierenden Verkäufern von Produkten den gleichen Zugang zu seiner Buybox zu gewähren wie seinen eigenen Produkten. Es wird Amazon daran hindern, die privaten Daten, die es über Drittanbieter erhält, zu verwenden, um zu entscheiden, welche Produkte kopiert und unter der Marke Amazon verkauft werden sollen. Und es ermöglicht unabhängigen Verkäufern, am Prime-Programm von Amazon teilzunehmen, ohne gezwungen zu sein, das Logistikgeschäft von Amazon zu nutzen.
Amazon zahlt keine Geldstrafe, vermeidet aber dadurch mehrjährige Rechtsstreitigkeiten, Prozesskosten in Milliardenhöhe und jährliche Bußgelder von bis zu 10 Prozent seines weltweiten Umsatzes.
Kommentar
Ist die Einigung nun wirklich hilfreich und löst sie wichtige Händleranliegen und Herausforderungen? Nein, das tut sie nicht. Denn tatsächlich gab und gibt es KEINE Hinweise, dass Amazon von internen Seller-Daten wesentlich profitiert. Jedem Amazon Seller, der Dritt-Tools nutzt, sollte klar sein, welche Datentransparenz euch zur Verfügung steht ohne auf interne Amazon-Daten zurückgreifen zu müssen. Tool-Anbieter geben selbst – zwar nicht öffentlich – an, dass ihre Daten bis auf 10 bis 20 % ungenau sind. Diese 80-prozentige Sicherheit reicht aus, Entscheidungen zu treffen.
Eine Teilnahme am Prime-Programm ist über ‘Prime by seller’ möglich. Trotzdem ist die FBA-Bindung gut, da diese aus Kundensicht eine sichere Zustellung und Rückgriff auf das vollständige Service-Portfolio gewährleistet. Denn genau das treibt auch die Händlerumsätze. Verbraucher möchten Servicesicherheit. Diese kann durch eine Veränderung in den Vereinbarungen gestört werden. Gut ist das nicht.
Existiert eine Buybox-Problematik tatsächlich? Oder neigen wir hier dazu, sehr einfältig einen Grund zu erkennen? Tatsächlich hat Amazon nicht immer die Buybox. Diese Zahlen werden nur leider – auch von Amazon – nicht publiziert. Sprecht einmal mit euren Repricern! Wenn Amazon nun einmal unter den eigenen Parametern das beste Ergebnis ist, welches die Buybox besetzt, dann gehört aus Verbrauchersicht auch dieses Produkt von diesem Händler – halt Amazon – angezeigt.
Kritik
Der Vergleich löst Herausforderungen, die es nicht gibt. Es bestand kein Bedarf. Wesentliche Herausforderungen wurden jedoch erst gar nicht erfasst. Diese sind komplexer und nicht einfach zu erkennen. Amazon trifft sehr viele Entscheidungen – oft algorithmische – die falsch sind. Und das zu Lasten der Händler. Abteilungen kommunizieren nicht oder nur sehr schlecht miteinander, sodass Fehler zu Lasten der Händler passieren. Gelder werden erst nach Jahren ausgezahlt, Accounts werden suspendiert, ASIN werden gelöscht, alles ohne erklärbare Gründe und oft werden diese Maßnahmen nach Intervention und manueller Prüfung rückgängig gemacht oder abgemildert. Jährlich entstehen so bei den Händlern Millionenschäden.
Diese Herausforderungen gehören gelöst. Amazon und die Seller sollen auf Augenhöhe, fair und kooperativ zusammenarbeiten. Dazu gehört vor allem, dass das Unternehmen dafür sorgt, Folgen eigener Versäumnisse zu Lasten der Seller abzufedern und/oder zu vermeiden. Nur alles das ist immer noch ungelöst!