Inhalt
So könnte es heißen, wenn Amazon auf Basis seiner Bestpreisklausel wie Booking.com verklagt wird. Wie das geht machen gerade die Hoteliers vor, die ihre Buden auf booking.com gelistet haben.
🎯 1. Die Booking.com‑Klage: Was läuft da?
Mehr als 10.000 Hotels aus über 25 europäischen Ländern haben gemeinsam eine Klage gegen Booking.com eingereicht. Sie fordern Schadensersatz für den Zeitraum 2004 bis 2024, da sie über zwei Jahrzehnte hindurch durch eine verpflichtende „Best-Price-Klausel“ daran gehindert wurden, Zimmer günstiger auf eigenen Seiten oder via Alternativkanäle anzubieten.
Diese Preisbindung – auch als Preisparität bezeichnet – war laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) im September 2024 kartellrechtswidrig. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass Plattformen wie Booking.com auch ohne solche Klauseln wirtschaftlich bestehen können – und diese Klauseln den Wettbewerb und die Preisgestaltung verzerrten.
Die Klage wird vom Gericht in den Niederlanden verhandelt und von der Hotel Claims Alliance gemeinsam mit über 30 nationalen Hotelverbänden (u. a. Hotrec und IHA) koordiniert. Hoteliervertreter sprechen von unfairen Bedingungen und überhöhten Kommissionen bis zu 40 %.
Ziel: Die Rückerstattung der Provisionen und direkte Buchungseinbußen über zwei Jahrzehnte hinweg.
🔍 2. Warum ist das relevant für Amazon?
🏷️ Amazons ähnliche Vergangenheit: Die Fair Pricing Policy
Bereits 2021 wurde bekannt, dass Amazon in seinen Verträgen mit Marketplace-Händlern eine sogenannte Most Favored Nation (MFN)-Klausel implementierte. Händler durften ihre Produkte nicht anderswo günstiger anbieten, auch nicht über den eigenen Shop. (Quelle: Axios)
Obwohl Amazon diese explizite „Price Parity Provision“ 2019 offiziell abschaffte, wurde sie durch eine restriktive Fair Pricing Policy ersetzt, die faktisch denselben Effekt erzielt: Verkäufer riskieren Sanktionen und schlechte Sichtbarkeit über die Amazon-Plattform, falls sie abseits niedrigere Preise anbieten. (Doyle, Barlow & Mazard)
⚖️ Rechtliche Parallelen
- Die Booking.com-Klausel wurde durch EuGH und deutsche Gerichte (u. a. BGH, Bundeskartellamt) verboten.
- In Washington D.C. wurde Amazons Praxis vom dortigen Generalstaatsanwalt Karl Racine als Kartellverstoß eingestuft; eine Bundesberufung bestätigte das Verfahren 2024. (Courthouse News)
Somit besteht eine klare Analogie: Hätte EU-Gerichtsbarkeit ähnliche Voraussetzungen, könnten deutsche oder europäische Händler Amazon analog verklagen – etwa weil die Fair Pricing Policy Wettbewerber benachteiligt oder Händler zwingt, höhere Preise anzusetzen. (Doyle, Barlow & Mazard)
📉 Marktposition als Maßstab
Amazon kontrolliert in den USA etwa 50–70 % des Online-Einzelhandelsmarkts. In vielen Warengruppen tritt das Unternehmen als Plattform und Händler zugleich auf – dadurch sind Marktbeherrschung und Wettbewerbseinschränkung besonders relevant. (oag.dc.gov, Doyle, Barlow & Mazard, Courthouse News)
💡 3. Möglicher Ablauf einer Amazon‑Klage
- Klage von Händlern (z. B. über Verbände oder Anwaltsbündnisse).
- Beeinspruchung der Fair Pricing Policy als faktisches Ersatzmodell für die frühere Price Parity Provision.
- Marktstärke als zentrale Problemachse – ähnlich wie bei Booking.com führt Amazon seine Marktposition ins Feld.
- Forderung von Schadensersatz für erzwungene Preisanpassungen (verglichen mit Plattform-Gebühren) und kanalübergreifende Preisuniformität.
- Mögliche Folgen: Rückerstattung von Provisionen, Aufhebung von Klauseln, Entschädigung.
⚖️ 4. Warum jetzt?
- EuGH und Bundeskartellamt haben Best-Price-Klauseln als unzulässige Marktverzerrung bewertet. (BKA)
- Amazon verfügt über ein sehr ähnliches System, das letztlich denselben Zweck erfüllt – nur moderner verpackt.
- Die Klage in Washington D.C. gibt einen rechtlichen Präzedenzfall – nun gilt es, in Europa ähnliche Verfahren zu initiieren.
Wenn Amazon auch hierzulande gezwungen wäre, die Fair Pricing Policy abzuschaffen und zu kompensieren, könnte das zu einer fundamentalen Marktöffnung führen – für Händler, Plattformen und Verbraucher.
📈 5. Bedeutung für Onlinehändler
Thema | Relevanz für Händler |
---|---|
Preiskontrolle | Händler könnten künftig unabhängiger Preise definieren – auch außerhalb von Amazon. |
Provisionen & Gebühren | Vereinbarungen müssten transparenter werden – und nicht mehr als Preiszwang dienen. |
Wettbewerbsschutz | Mehr Marktzugang und Transparenz für Händler möglich – geringere Plattformabhängigkeit. |
Rechtliche Absicherung | Händler sollten jetzt schon prüfen, ob ihre Verträge unzulässig beschränkend sind. |
🧩 6. Fazit
Die Sammelklage gegen Booking.com zeigt den Weg: Wenn Plattformen systematisch diktieren, wie niedrig Preise gesetzt werden dürfen – und dadurch Wettbewerber und Anbieter unter Druck geraten – ist das ein klarer Fall für Kartellrecht. Amazon hat sich in dieser Hinsicht zwar modern angepasst, führt aber letztlich das gleiche Modell weiter – nämlich durch seine Fair Pricing Policy.
Dass eine Klage gegen Amazon in Europa Realität werden kann, ist nicht nur denkbar – sie liegt faktisch nahe. Händler sollten sich vorbereiten und ihre Verträge und Plattformverträge aktuell prüfen. Der Wettlauf um faire Wettbewerbsbedingungen läuft – und Amazon ist einer der nächsten Kandidaten für eine juristische Auseinandersetzung.
🔍 Quellen & weiterführende Links
- Mehr als 10.000 Hotels gegen Booking.com (Daily Sabah)
- EuGH-Urteil zur Bestpreisklausel (19. 09.2024) (Wikipedia)
- Washington D.C. Klage gegen Amazon wegen Fair Pricing Policy / MFN (Axios, Doyle, Barlow & Mazard, Courthouse News)
- Marktbeherrschung & Provisionskritik bei Booking.com und Amazon (Wikipedia, oag.dc.gov)
- Stellungnahme Bundeskartellamt (BKA)
