JTL ist vergangenes Jahr an HG Capital verkauft worden. Nun scheint das Investment-Haus JTL als Vehikel zu nutzen weitere Software-Dienstleister aufzukaufen. Ob die Protagonisten ein glückliches Händchen bei ihren Zukäufen haben, muss kritisch hinterfragt werden.

Fail: Übernahme von CountX

CountX hat im Markt keine Relevanz und muss wohl billig gewesen sein. Der VAT-Dienstleister war bereits länger auf dem Markt verfügbar. Aus der Riege ehemaliger Kaufinteressenten war zu hören, dass CountX vergangenes Jahr gerade einmal 50 Kunden betreute und mehr oder weniger dringend Geld brauchte.

CountX Juma GmbH

(Screenshot Social Media Posting in einer Facebook Gruppe)

Wer sich die Geschichte hinter CountX anschaut, kommt schnell auf die insolvente Juma GmbH und deren ehemaligen Gesellschafter und Geschäftsführer Marc Gottschalk aus Bochum. Auf den Seiten von CountX findet sich auch noch ein Foto von Marc Gottschalk.

CountX

( Bild von Ex-Geschäftsführer Marc Gottschalk ganz links sowie weiteres Personal der Juma GmbH)

Als Standort der CountX ist die >alte< Anschrift der Juma GmbH benannt. Dieser hat mit der Juma GmbH verbrannte Erde hinterlassen und nicht wenige Seller in große Nöte gebracht. Entsprechend schlecht ist auch die Reputation von CountX. Warum sich JTL bzw. HG Capital jetzt so einen Klotz ans Bein bindet, ist kaum zu verstehen. Händler sehen die CountX GmbH als Nachfolger der Juma GmbH.

(Screenshot Facebook Gruppe)

Gegen den erst 2022 ausgeschiedenen Geschäftsführer der CountX GmbH und der Juma GmbH Marc Gottschalk wurde strafrechtlich ermittelt. Das Unternehmen brachte auch Seller in große strafrechtliche Herausforderungen:

(Quelle: Screenshot eines Seller Postings)

(Quelle: Screenshot eines Seller Postings)

Neben diesen >kriminellen< Aspekten lassen sich aber auch Fragen zur DSGVO stellen, die für jeden Händler relevant sein sollten. Die CountX GmbH gibt als Standort u. a. eine ukrainische Anschrift an. Wenn dort nun Daten der Seller betrachtet oder bearbeitet werden, weil in der Ukraine z. B. Entwickler sitzen, dann kann das datenschutzrechtlich relevant sein. Die Händler werden sich keine Erlaubnis bei ihren Kunden eingeholt haben, dass die Daten außerhalb der EU verarbeitet werden dürfen.

Zusammenfassung: Ob also die Übernahme der CountX GmbH durch die JTL Software GmbH klug war, darf bezweifelt werden.

Hochzeit zweier Legacy-Softwares

Legacy Software ist ein Terminus, welcher veraltete Technologien bezeichnet. Haben sich JTL und Greyhound da gefunden? Die Meinungen im Markt sind überraschend deutlich.

“Sowohl JTL als auch Greyhound haben eine ausgeprägte technische Legacy. Vielleicht die extremste des gesamten Marktes. JTL konnte bisher kein Cloud-Produkt auf den Markt bringen und vermeidet seit Jahren die risikoreichen und wichtigen Investitionen in eine SaaS-Umstellung, also den Betrieb der Software in der Cloud und ohne einzelne Installation von Software-Instanzen mit einzeln von Kunden durchzuführenden Updates. Greyhound hat zwar eine in der Cloud (einzeln) installierte Software, jedoch basiert diese auf sehr altem in nicht mehr modernen Programmiersprachen erstelltem Code. Auch das muss aufgelöst werden und die Software muss SaaS-fähig gemacht werden. Zusammen kommt hier eine Mammut-Aufgabe auf HG zu”, so eine Stimme aus dem Markt der Softwareanbieter. Leider möchte der Zitat-Geber nicht benannt werden.

Damit sind die Aufgaben, welche sich HG Capital auf geschultert hat, nicht einfacher geworden. Im Gegenteil. Den >alten< Code kannte Co-Gründer und Ex-Geschäftsführer Tobias Frie. Nur er ist nicht mehr an Bord und die restlichen Entwickler – das sind nicht viele – sind neu, also ohne tiefe Code-Kenntnisse. Gut ist das nicht.

Greyhound suchte im übrigen aktiv nach einem Käufer. Das Management und die Gesellschafter beauftragen einen M&A-Berater, um einen Verkauf einzutüten.

Viel Narrativ und ganz wenig Substanz

In Wahrheit sind das alles keine guten Zukäufe. CountX mit schlechter Reputation und kaum Relevanz im Markt, dann Greyhound mit veralteter Software und ohne Kenner des >alten< Quellcodes. Beide Unternehmen waren auch wirtschaftlich eher mäßig erfolgreich. Und nicht zuletzt hat JTL ja auch noch sein Päckchen zu tragen. So kann das dann halt passieren, wenn Gewicht aufs Narrativ gelegt wird und Experten fehlen, die Deals zu bewerten.