Am Montag, den 13. November, berichtete ich bereits, dass den amerikanischen Händlern eine neue Berechnung ihrer ODR (= Order Defect Rate) im Seller Central angezeigt wird. Einige Merchants vermuteten, dass es sich hierbei um einen Bug handele. Auch abgelehnte und von Käufern zurückgezogene A-Z Garantie-Anträge sind auf einmal in die Berechnung rückwirkend eingeflossen. Leider ist diese Veränderung kein Bug. Die rückwirkende Neuberechnung ist mittlerweile auch in Deutschland und der EU gestartet.
Was genau hat sich geändert?
Im deutschen Seller-Central-Forum berichten Händler, dass ihre ODR rückwirkend neu berechnet worden ist. Und zwar werden auf einmal auch für den Händler entschiedene und geschlossene A-Z Garantieanträge sowie von Käufern selbst zurückgezogene A-Z Anträge in der Berechnung berücksichtigt. Das hat zur Konsequenz, dass sich bei einigen Merchants die ODR verdoppelt hat und sie auf einmal Warnungen im Seller-Central angezeigt bekommen. Desweiteren berichten Verkäufer, dass die Daten der Anzeige sich geändert haben. Es werden nun die Mängel vom 14. Sep. bis zum 12. Okt angezeigt.
Das ist kein Fehler
Auch wenn sich die Änderung noch nicht in Amazons Ecalation durchgesetzt hat und selbst die Mitarbeiter noch von einem Bug reden, so reicht ein Blick in die neuen TOS (= Terms of Service) und es wird klar, dass etwas Grundlegendes geändert worden ist.
In der Hilfe findet sich nun folgende Formulierung:
Was ist die Rate der A-bis-Z-Garantieanträge?
Die Rate der A-bis-Z-Garantieanträge ist die Anzahl an Bestellungen, für die ein A-bis-Z-Garantieantrag eingereicht wurde, geteilt durch die Anzahl an Bestellungen im betreffenden Zeitraum. Sie ist eine der drei Komponenten der Kennzahl Rate an Bestellmängeln. Bei der Berechnung der Rate der A-bis-Z-Garantieanträge berücksichtigen wir alle Anträge – in jedem Status –, die von Käufern gestellt wurden. (Quelle: Amazon Hilfe)
Und damit ist klar, dass JEDER A-Z Antrag in die Berechnung einfließt. Es handelt sich also nicht um einen Bug. Zu den Berechnungszeiträumen schreibt Amazon Folgendes:
Warum können Sie keine Daten zu den letzten Bestellungen liefern?
Negatives Feedback, A-bis-Z-Garantieanträge und Kreditkartenrückbuchungen erfolgen im Durchschnitt erst frühestens mehrere Wochen nach dem Bestelldatum. Bevor diese Durchschnittszeit abgelaufen ist, liegt die Rate an Bestellmängeln eines Verkäufers künstlich niedrig. Das genaueste Bild der tatsächlichen Verkäuferleistung ergibt sich erst nach einem längeren Zeitraum (90 Tage). Um Ihnen jedoch schon früher Informationen zu Ihrer Verkäuferleistung zu geben, können wir Informationen zu Bestellungen bereits 30 Tage nach dem Kauf anzeigen. (Quelle: Amazon Hilfe)
Ein deutscher Händler, der auch auf dem amerikanischen Markt handelt, hat bereits eine Bestätigung vom Amazon Seller Support erhalten:
Hi! I’m writing in follow-up to our chat conversation regarding ODR claim rate.
The following types of claims impact your ODR:
-Claims that were granted, regardless of who funded the claim
-„Claims that were withdrawn by the customer“
-Claims for which you provided an order refund after the claim was filed
-Claims for which you or Amazon cancelled the order
-Claims that are under review (Quelle: Auszug aus der SeSu-Mail)
Wie ist die Stimmung bei den deutschen Händlern?
Die deutschen Händler sind im Gegensatz zu den amerikanischen Kollegen noch recht entspannt. Die Betonung liegt auf ‘noch’, denn ich glaube, viele denken tatsächlich, dass es sich um Bug handele und sich die Anzeige der ODR in den kommenden Tagen wiederr normalisiere. Das wird wohl nicht geschehen und viele Verkäufer werden vor der Herausforderung stehen, dass ihre Konten nun gefährdet sind.
Änderung zur Unzeit
Amazon hätte sich bei Weitem einen besseren Zeitpunkt für die Einführung der neuen Berechnungsmethode aussuchen können. Kurz vor Beginn der 4. Saison ist es für die Händler sehr belastend, wenn sie feststellen müssen, dass ihr Konto einen veränderten Status hat.
Ein ehemaliger Amazon-Mitarbeiter begründete solche Neuerungen damit, dass es auf das Jahresende zugeht und die entsprechenden Amazon-Teams versuchen, noch ihre Jahresziele zu erfüllen. Deshalb wird das auch nicht die letzte News sein, die dieses Jahr noch kommen wird.
Was bedeutet das für die Verkäufer?
Bestenfalls verlieren die Händler die begehrte Buybox ( = Einkaufswagenfeld) und das bedeutet einen massiven Einbruch der Umsätze.
Wenn es ganz schlecht läuft, wird der entsprechende Händler-Account von Handel ausgeschlossen und der Merchant kann erst einmal keine Produkte mehr auf dem Amazon-Marktplatz verkaufen. Er wird von Marketplace-Betreiber aufgefordert, einen Maßnahmenplan (= PoA) einzureichen, in der Hoffnung, dass dieser bestätigt und die Suspendierung aufgehoben wird.
Alles in allem nicht sehr erfreulich und in der bevorstehenden vierten Saison sehr ärgerlich. Ein ‘No Go’.
Wie könnt ihr euch jetzt schützen?
Da hilft im Zweifel nur eines: ‘High Volume Sales’ – also Artikel, die sich in großen Mengen schnell umsetzen lassen, zu platzieren. Allerdings ist nicht sicher, dass ein solcher Push auch tatsächlich hilfreich ist, da der Zeitraum der Berechnung in der Vergangenheit liegt.
Worst Case
Eines vorweg: Ich glaube nicht, dass Amazon alle Konsequenzen bis ins letzte Detail bedacht hat, und ich glaube auch nicht, dass die Veränderung bewusst jetzt eingeführt worden ist.
Trotzdem kann ich mir folgendes Szenario vorstellen: Die Verkäufer-Accounts werden massenweise eingeschränkt/suspendiert, Amazon erkennt die Herausforderung, es bildet sich ein riesen Backlog (=Rückstau) und die Konten werden nach und nach (mit oder ohne PoA) wieder freigeschaltet.
Ich hoffe und wünsche mir, dass es dazu nicht kommen wird.
Ein Update zum Update:
(Stand 15. Nov. 2017)