Droht da Ärger aus Brüssel? Ja, wenn es nach der Meinung der EU-Kommission geht, denn Deutschland verhält sich, so die EU-Beamten, ineffizient und behindert damit den Zugang europäischer Unternehmen zum deutschen Markt.
„In der Steuerpolitik fordert die Kommission die Bundesrepublik auf, jüngst beschlossene Gesetzesänderungen zu widerrufen, die zulasten europäischer Unternehmen gehen, die online Waren an deutsche Verbraucher verkaufen. Seit dem 1. Oktober 2019 haftet gemäß dem deutschen Recht ein Marktplatz gesamtschuldnerisch für die Mehrwertsteuer auf Waren, die von europäischen Unternehmen über die Plattform verkauft werden, wenn sie von Deutschland aus verbracht oder dorthin geliefert werden. Der Marktplatz kann die Haftung nur dann vermeiden, wenn er eine Bescheinigung auf Papier vorlegen kann, die dem auf seiner Plattform tätigen Verkäufer von der deutschen Steuerbehörde ausgestellt wurde.
Diese Verpflichtung ist nach Auffassung der Kommission ineffizient und unverhältnismäßig und behindert außerdem den Zugang europäischer Unternehmen zum deutschen Markt, was einen Verstoß gegen das EU-Recht darstellt. Darüber hinaus haben sich die EU-Mitgliedstaaten bereits auf gemeinsame und effizientere Maßnahmen zur Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug geeinigt, die am 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Die den Betreibern digitaler Marktplätze zur Vermeidung der gesamtschuldnerischen Haftung auferlegte Verpflichtung geht über das in den EU-Vorschriften vorgesehene Maß hinaus und steht im Widerspruch zu den Zielen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt.
Schafft Deutschland nicht binnen zwei Monaten Abhilfe, kann die Kommission den deutschen Behörden in dieser Sache eine mit Gründen versehene Stellungnahme übermitteln, die zweite Stufe in einem insgesamt maximal dreistufigen Vertragsverletzungsverfahren“, so die Pressemitteilung der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.
Zwei Monate sind eine kurze Zeit, es bleibt also abzuwarten, wie die Bundesregierung hier vorgehen wird. Tatsächlich ist die gegenwärtige Praxis sehr aufwendig und das nicht nur für ausländische Unternehmer. Bereits vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes übten Marktplatzbetreiber Kritik an der steinzeitlichen Methodik die Umsatzsteuerbescheinigung nachzuweisen. Sie äußerten den Wunsch nach einer digitalen Lösung. Diese wurde jedoch nicht von der Politik umgesetzt.
Andererseits ist es zu begrüßen, dass Deutschland schnell reagiert hat und mit einem neuen Gesetz versucht, dem Umsatzsteuerbetrug Einhalt zu bieten. Das dann wegen fehlender Infrastruktur die Prozesse tatsächlich ineffizient ausgestaltet sind, ist aus Sicht vieler Händler ein hinzunehmendes Übel.
Wünschenswert wäre gewesen, wenn die EU-Kommission in ihrer Umsetzung so schnell ist, dass ein nationales Gesetz erst gar nicht hätte verabschiedet werden müssen. Und natürlich sollten auch in Deutschland die digitalen Infrastrukturen in den Verwaltungen Einzug halten!
naja, für die umsetzung der eu richtlinien ist nun mal aufgabe der eu-mitglieedsstaaten, da kann man der eu nun keinen vorwurf machen. will man eine einheitliche reglung, die ich auch bevorzugen würde, egal, ob ust, weee, verpackung, usw., dann muss die eu mehr kompetenten erhalten. für die zukunft der einzig sinnvolle weg, um den gemeinschaftlichen binnenmarkt wirklich zu einem binnenmarkt zu machen.
Man wollte etwas gegen die massive Verzerrung tun, da viele Händler gerade auf Marktplätzen das Thema Steuerzahlen ignoriert haben, selbst wenn wie bei Amazon FBA mindestens Umsatzsteuer abzuführen gewesen wäre. Die Bescheinigung hatten wir sehr früh beantragt, so dass die Sachbearbeiterin im Finanzamt erst einmal nachfragen mußte, worum es geht. Kam dann aber schnell.
Die EU will die Besteuerung des EU Onlinehandels sowieso in wenigen Jahren ändern. Ob man mit dem ganzen halbherzigen Gewurstel wirklich Lücken schliessen wird, bezweifele ich stark. Vielmehr werden neue Lücken geschaffen werden. Warum nicht gleich die Umsatzsteuer, die letztendlich nur beim Endverbraucher wirken soll, in eine Art Salestax umwandeln, wie es in den USA ist. Nebeneffekt wäre der Wegfall der Abteilung in den Finanzämtern und die beliebten Betriebsprüfungen, ob der Monat, diverse Nummern, .. übereinstimmen, wenn Vorsteuer geltend gemacht wird.
Leider hat sich in der Vergangenheit gerade Deutschland gegen eine Umstellung gewehrt.
Das ist kein Problem einer fehlenden Infrastruktur, sondern das Problem der kompletten Ignoranz auslaendischer Haendler.
Der 22f wurde jetzt seit einem Jahr durch alle relevanten Foren und Online-Portale getrieben. Im Sellercentral-Forum duerfte es tausende Threads dazu geben.
Wer allerdings am 28.09. anfaengt, sich um die Bescheinigung zu kuemmern, durfte wohl kaum mit der Freischaltung zum 01.10. rechnen – wer sich ein Jahr Zeit laesst, hat kein Recht, uber das buerokratische Verfahren zu meckern,..
(FA angerufen – paar Tage spaeter war die Bescheinigung da. Bei Amazon innerhalb von wenigen Stunden, bei eBay innerhalb weniger Minuten akzeptiert. OK, B-Neukoelln ist vielleicht etwas ueberfordert gewesen, aber 10 Monate sollten auch da ausreichen…)