Genau solche Dienstleister können ein großes Risiko für die Auftragnehmer, also die Händler sein. Leider hat es sich in unserer Branche bisher kaum durchgesetzt, dass wir einen Vorabcheck unserer Partner machen, bevor wir mit ihnen einen Vertrag schließen oder eine Dienstleistung in Anspruch nehmen. Allzu oft sind wir alle viel zu blauäugig.
Eine wahre Geschichte
Kürzlich kam Wortfilter zu Ohren, dass es einem Rechtstexte-Dienstleister nicht so gut gehen soll. Es wurde eine Creditreform-Auskunft eingeholt und weiter nachrecherchiert. Das kam heraus: Ein Nobel-KFZ-Hersteller wurde nicht bezahlt, ein Cateringunternehmen wartete auf seine Zahlung und aus Whistleblower-Quellen, die noch nicht überprüft wurden, war zu hören, dass der Gerichtsvollzieher in den Räumlichkeiten des Dienstleisters ein und aus ginge.
Eine ERP/Wawi-Agentur mit einem Crefo-Score von 500?, Wortfilter recherchierte gestern und heute einer Agentur hinterher, die in einem Dienstleisterverzeichnis eines ERP/Wawi-Dienstleisters gelistet ist und dort mit einer Firma und einem Geschäftsführer firmiert, den es gar nicht gibt. Sprich, der Mitarbeiter der Agentur ist Ehemann der Geschäftsführerin, geriert sich aber selbst in mehreren Impressen als Mitgeschäftsführer. Teilweise firmiert er als eine >XY-Beratungs- & Strategie<-Agentur.
Ganz klar ist, dass jeder auch einmal in eine Schieflage geraten kann. Das ist weder schlimm noch verwerflich. Jedoch bedeutet eine Schieflage aber immer auch ein erhöhtes Risiko für die Partner oder die Kunden. Dessen müssen sich alle Akteure bewusst sein, sind sie aber in den meisten Fällen nicht.
Wortfilter konfrontierte heute den ERP/Wawi-Anbieter mit der Recherche. Dieser sah zwar sofort das Risiko und die Problematik, räumte aber auch ein, dass er eine Bonitätsprüfung selbst nicht bei den Partneragenturen durchführe. Händler selbst prüfen in den seltensten Fällen ihre Dienstleister oder haben gar eigene Dienstleister-/Lieferantenverträge.
Was sind die Risiken?
Um es kurz und knackig auf den Punkt zu bringen: Diese Risiken können eure eigene Existenz kosten! Wenn Dienstleister ihre Leistung nicht, unvollständig oder fehlerhaft abliefern und ihr sie nicht dafür in Anspruch nehmen könnt, dann bleiben die Kosten an euch hängen.
Was ist denn z. B. wenn eine solche Agentur einen Fehler macht, ihr den Schaden einklagt und gewinnt, aber er nicht realisierbar ist, weil die Agentur pleite oder nicht in der Lage ist, euch den Schadenersatz auszuzahlen. Oder: Ihr vereinbart Teilzahlungen nach Erreichen vereinbarter Meilensteine und die Agentur geht innerhalb des Projekts in die Insolvenz. Die Konsequenz ist nicht selten, dass ihr das gesamte Projekt neu aufsetzen müsst. Ihr zahlt also doppelt!
Der Rechtstexte-Dienstleister haftet für die Richtigkeit eurer AGB, garantiert die Rechtssicherheit im Rahmen einer Tiefenprüfung und/oder ihr bezahlt die Abogebühren in einer Zahlung in Voraus. Was ist nun, wenn er pleite geht? Im Zweifel zahlt ihr die Abogebühren doppelt und ihr verliert die Anwaltskostenerstattung für eine anwaltliche Vertretung bei einer Abmahnung.
Fazit: Wenn eure Dienstleister in Schieflage geraten oder sogar insolvent werden, während ihr von ihnen Leistung in Anspruch nehmt, dann können für euch erhebliche Risiken entstehen, die euch viel Kapital oder sogar eure eigene Existenz kosten können.
Die Besonderheit der Dienstleisterverzeichnisse
Nicht wenige ERP/Wawi oder Shopsystemanbieter führen umfangreiche Verzeichnisse, in denen sie euch Agenturen empfehlen. Auf der Seite eines Shopsystemanbieters heißt es: „Unsere über 1.200 Agenturen sind auf verschiedenste Leistungen spezialisiert und unterstützen Dich bei allen Themen, von der Konzeption über die Umsetzung individueller Anforderungen bis zum Betrieb Deines xxx-Shops.“ Auf der Servicepartnerseite eines Wawi-Herstellers liest man „Nutzen Sie unseren Suchassistenten – er führt Sie in 5 Schritten zu Servicepartnern, die Ihnen weiterhelfen!“
Ihr als Händler solltet nun annehmen können, dass ihr risikolos einen Partner oder Agentur auswählen könnt, da er ja vom Hersteller empfohlen wird. Weit gefehlt, denn tatsächlich weisen die Zertifizierung- und Monitoringprogramme der Softwarehersteller/-anbieter große Mängel auf. Die wenigsten Anbieter prüfen ihre Partneragenturen auf >Herz und Nieren<. Es steht zu vermuten, dass sie dem Prinzip folgen: >wenn keiner meckert, wird alles ok sein<. In einem geringen Maße werden zwar die Fähigkeiten das eigene Softwareprodukt zu warten/installieren etc. im Rahmen mehr oder weniger teurer Zertifizierungskurse abverlangt, jedoch findet kaum ein vollständiger und umfangreicher Review-Prozess statt.
Das hat zur Konsequenz, dass, wie es aktuell der Fall war, eine >Fake Agentur< in einem Partnerverzeichnis gelistet war. Eine Einzelfirma, die nicht existiert mit einer VAT-Nummer und einer HRB Nummer, die einer UG zuzuordnen war. Selbst der gelistete Geschäftsführer war nicht im Handelsregister eingetragen. Einzige Geschäftsführerin der UG ist ausschließlich seine Ehefrau. Brisant an dieser Stelle ist, dass der Ehemann selbst aufgrund eigener Insolvenz nicht Geschäftsführer sein darf.
Forderung an die Hersteller
Aus dieser Geschichte, die sicherlich kein Einzelfall ist, und mitnichten nur diesen einzelnen ERP/Wawi-Dienstleister trifft, leiten sich klare Forderung an die Anbieter solcher Dienstleisterverzeichnisse ab (und das inkludiert auch das Wortfilter Dienstleister Verzeichnis!):
- transparente Erklärung wie man in das Verzeichnis aufgenommen wird
- transparente Darlegung des Zertifizierungsprozess
- 360° Überprüfung der Agentur inklusive Bonität
- einheitlicher Dienstleistung-Muster-Vertrag für Kunden
- Nennung von Referenzkunden
- Bewertungsmöglichkeit der Agenturen
- Darstellung und Nennung der Zeiträume/Parameter für das dauerhafte Monitoring
Die Hersteller müssen verstehen, dass der Weg zu einem zufriedenen Kunden über die Agenturen/Dienstleister geht und sie mit dem Vorhalten eines Verzeichnisses eine erhebliche Verantwortung gegenüber den Händlern/Kunden übernehmen.
Und das solltet ihr immer beachten
Nicht jeder Händler findet eine passende Agentur über ein Verzeichnis eines Software-Herstellers, daher ist es auch für euch wichtig, dass ihr ein paar Schritte unbedingt in euren Auswahl- und Entscheidungsprozess einbinden solltet. Hier eine kleine Orientierung:
- Benennt, also identifiziert, die Risiken, die aus der Zusammenarbeit mit eurem Dienstleister entstehen können.
- Kalkuliert die Risiken. Sprich, errechnet euch den Schaden für euer Business,
- Fragt die Dienstleister nach Referenzkunden, bei denen das Projekt eurem ähnelt.
- Nutzt Google und sucht nach Erfahrung anderer Kunden.
- Nutzt große Communities und Foren und fragt dort nach Erfahrungen.
- Holt euch eine Bonitätsauskunft ein, z. B. bei der Creditreform.
- Prüft die Verträge sorgfältig. Am besten mit eurem Anwalt.
- Seid ihr unsicher, dann verlangt eine Bürgschaft oder Versicherung.
- Inkludiert eure eigenen AGB bzw. Einkaufsbedingungen in den Vertrag.
Pro Tipp
Natürlich kann es immer einmal wieder sein, dass eine Agentur klamm ist. Das ist nicht schlimm und reflektiert auch nicht unbedingt die Qualität der Dienstleister. Große Konzern sichern sich oft mit einem einfachen Trick gegen Risiken ab. Sie verlangen eine Versicherung oder eine Bürgschaft zur Absicherung der identifizierten Risiken. Das könnt ihr auch, z. B. im Rahmen eines Dienstleistervertrags.
Es ist eigentlich ein aktuelles Thema. Wenn ein Unternehmen insolvent wird, stehen seine Lieferanten mit ihren Forderungen zunächst im Regen. Im Vorteil sind in diesem Fall Geschäftspartner, die dem insolventen Unternehmen ihrerseits Zahlungen schulden. Auch im eröffneten Insolvenzverfahren haben sie nämlich die Möglichkeit, Forderungen und Schulden aufzurechnen. Daher der Tipp: Prüfen Sie, ob es Sinn macht, keine Rechnungen mehr zu begleichen, wenn die Insolvenz des Vertragspartners droht.