Noch ist sich die Politik uneins, ob – und wenn ja wie – die Insolvenzanmeldepflicht im Februar gehandhabt wird. Da es durch die Pandemie wirtschaftliche Beeinträchtigungen vieler Unternehmen gibt, ist Konsens nur, dass Uneinigkeit herrscht, wie damit umgegangen werden soll. Tatsächlich ist diese Frage auch kaum ›richtig‹ zu beantworten, denn es gibt zu viele Schieflage-Gründe, als dass hier alle Unternehmer über einen Kamm geschert werden könnten. Auch ist die Zahlen- und Datenlage sehr ungenau. Wie wird z. B. mit Unternehmen umgegangen, die bereits seit langem als ›Zombies‹ wahrgenommen werden?
»Seit dem 1. Oktober 2020 gilt die Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit wieder, bei Überschuldung wurde die Ausnahmeregel unter bestimmten Voraussetzungen bis Ende Januar 2021 verlängert.«
Tatsächlich ist es so, dass es seit Oktober zu keiner Insolvenzwelle gekommen ist. Die Zahlen im Dezember haben gerade einmal das Niveau von 2019 erreicht. »Die Rückkehr zur Insolvenzantragspflicht hat nur zu moderat steigenden Insolvenzanmeldungen geführt. Eine Insolvenzwelle ist ausgeblieben«, kommentiert Prof. Dr. Müller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) bei der Bewertung der aktuellen Zahlen.
Die Zahlen im Dezember 2020 liegen rund 30% höher als im Jahresmittel desselben Jahres. Auch für den Januar werden höhere Zahlen im Vergleich zu 2020 erwartet. Das deutet jedoch auf keine Insolvenzwelle hin. »Die Insolvenzzahlen werden im Januar und Februar in der Nähe des langjährigen Mittels bleiben. Eine Insolvenzwelle wird es bis zum Februar nicht geben«, so Müller.
Interessant dürfte diese Zahl sein: Trotz steigender Insolvenzzahlen waren vergleichsweise wenige Jobs betroffen. Die Analyse des IWH zeigt, dass die größten 10% der Unternehmen, deren Insolvenz im Dezember gemeldet wurde, insgesamt gut 10.000 Personen beschäftigen. Das deutet darauf hin, dass gerade kleine und kleinere Unternehmen in eine Schieflage geraten sind. Hieraus ergibt sich die unbedingte Notwendigkeit, herauszufinden, ob es nicht doch in sehr heterogenen Unternehmenslandschaften einzelne Teilgruppen gibt, die besonders von einer Insolvenz betroffen sind.
Auch wenn die Klagen der Verbände, Unternehmer und Branchenvertreter laut, sogar sehr laut sind, so spiegelt sich eine Insolvenzwelle (noch) nicht in den aktuellen Daten wider. Das bedeutet aber nicht, dass die Insolvenzen in Zukunft auch nicht über die Jahresmittel der vergangenen Jahre steigen werden. Klappern gehört zum Handwerk.
Trotzdem sind alle aktuellen Prognosen eher in das Reich der Mythen und Märchen einzuordnen. Natürlich – und das liegt auf der Hand – sind Unternehmen aktuell einem hohen Risiko ausgesetzt. Jedoch ist auf der anderen Seite auch nicht deren Widerstandskraft und die Wirkung der politischen Maßnahmen zu unterschätzen.
Fazit: Eine Insolvenzwelle ist nicht da. Kurzfristig erwarten Experten keinen Anstieg der Insolvenzzahlen. Der Handel insgesamt wird, wie viele anderen Branchen auch, von der Pandemiesituation beeinflusst. Einzelne Händlergruppen, wie z. B. der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) oder Onlinehandel, spüren weitgehendst positive Impulse.