eBays aktuelle Zahlen sind nicht gut. Jedenfalls nicht die für Händler relevanten, also GMV, Anzahl der Käuferkunden oder die verkaufter Artikel. Aber woran mag das liegen? Ein Erklärungsversuch:

Es wird leicht alles auf die Plattform geschoben und ausschließlich hier die Ursachen für die Ergebnisse vermutet. Das ist zu eindimensional und falsch gedacht. Lasst uns einmal diese vier Komplexe betrachten:

  • Plattformarchitektur & -ausstattung
  • Händler
  • Plattform-Händler-Interaktion
  • Plattform-Kunden-Interaktion

Was zählt ist ein großartiges Einkaufserlebnis der Verbraucher. Aber leistet ihr das? Die wenigsten von euch, oder? Im Ergebnis wandern die Kunden dorthin, wo sie sich am besten aufgehoben fühlen und das ist eben nicht eBay. Die These: Würdet ihr euch auf eBay so verhalten wie auf Amazon, dann würde es dem Marktplatz gut gehen. Unrealistisch? Nein! Aber lasst uns die Punkte einmal durcharbeiten.

Plattform

Gut, wir alle erinnern uns an Skype, PayPal, Magento und eBay Enterprise. Damals war eBay seiner Zeit weit voraus. Was bis heute immer noch fehlt, sind Ausdauer und der Wille Dinge im Detail umzusetzen. Ihr erinnert euch noch an catch.app? NIE umgesetzt. Schade. Aber auch das eigene Affiliate-Programm (epn) ist veraltet und funktional nicht gut. 2016 gab es in London eine kurze Vorstellung eines Features: Mimikerkennung. Anhand des Gesichtsausdrucks des Kunden passende Produkte anzeigen. – Ja, ja, Datenschutz … Aber innovativ. – Es gibt weitere, ja unzählige Beispiele, die entweder nicht weiterverfolgt, verkauft oder still und leise eingestampft wurden. Das wäre an sich nicht schlimm, wenn sie doch wenigstens einmal konsequent ausgerollt worden wären. Natürlich konnte ›catch‹ nie fliegen lernen. Eine mobile Seite reicht nun einmal nicht aus. Ein App wäre hingegen wohl doch durchgestartet. So jedenfalls die These.

Videos im Bilderkarussell werden womöglich dieses Jahr ausgerollt. Aber viel zu spät. Die neue Zahlweise klappt zwar technisch, aber auch erst im zweiten Anlauf. Wir erinnern uns an den ersten Versuch in 2010. Leider auch eingestampft. Auch ein Fulfillment gab es schon einmal. Alles halbgar und lieblos auf die Schiene gesetzt. Das war und ist nicht gut. Und wollen wir erst gar nicht mit dem Produktkatalog anfangen. Erste Überlegungen gab es bereits 2008. In 2009 wurde ›epid‹ (= ebay product identifier) eingeführt, sprich, die eBay-Katalognummer. Heute, mehr als 10 Jahre sind vergangen, gibt es einen funktionierenden Katalog dafür aber immer noch nicht.

Hier noch ein aktuelles Beispiel: Schaut euch einmal diese URL an: https://www.ebay-deine-stadt.de/pirmasens. Wer würde die denn eintippen wollen? Niemand. Besser wäre ebay.de/pirmasens, oder? So, und wenn ihr nun den Begriff ›Rolex‹ eingebt, dann erhaltet ihr kein Suchergebnis. Aber anstatt nun einen weiterführenden Link zur Core-Plattform anzugeben, passiert nichts. Der Verbraucher steht im Regen. Warum?

Fazit: Sehr viele strategische Schwerpunkte klingen gut und richtig. Einzeln werden sie hektisch priorisiert. 2018 – oder war es 19 – z. B. das Erschließen der jüngeren Zielgruppe. Maximale Laufzeit der Kampagne? Ein Jahr. Danach war Refurb.-Ware hot. Aktuell  fokussiert man auf Händler-Onboarding und Sneaker. Wo ist eine Nachhaltigkeit der Strategien?

Wenn wir doch bloß die Gründe kennen würden, warum wir diese Beobachtung machen. Habt ihr eine Idee?

Händler #haendlerausderhoelle

Würden die sich auf eBay so benehmen wie auf Amazon, dann hätte der Marktplatz keine Probleme. Ja, Probleme, nicht nur Herausforderungen. Amazon würde nicht mehr alles so leicht fallen. Verbraucher hätten ein brillantes Einkaufserlebnis. ALSO, WAS IST EBAYS HAUPTPROBLEM? Das seid ihr! Egal ob es eure schlechten Bilder sind, die miesen Artikelbeschreibungen oder die teilweise noch schlechtere Abwicklung ist. Nicht alles begründet eine ›negative Bewertung‹, aber das reicht aus, dass Verbraucher das Vertrauen in die Plattform verlieren und abwandern. Zu Amazon. Schuld sind all die Händler, die es einfach nicht draufhaben, sich aber auch keine Hilfe suchen. (Stichwort: Wortfilter-Dienstleisterverzeichnis oder mein Lektor macht auch Produkttexte!) Unfreundliche Mails, nervige Gewährleistungsprozesse (Ein Insider: gelbe Weste …) und ein kleingeistiges Mindset. Kurz: Knausern am falschen Ende. Verbraucher sehen nicht die einzelnen Verfehlungen der Händler, hier trifft mit voller Wucht das Schlagwort ›Marktplatzamnesie‹ zu. All das reflektiert auf die Plattform. Punkt. Aus.

Die in diesem Artikel und Absatz vorgestellte These ist keinesfalls weit hergeholt. Befragt euch einmal selber: Wo kauft ihr ein, wenn ihr etwas dringend benötigt? Bei Amazon, stimmts? Tja, wieso wohl?

Mehr noch als auf Amazon – denn dort ist der Plattformbetreiber das Korrektiv – sind wir auf eBay eine Solidargemeinschaft. Eine Community die auf Gegenseitigkeit beruht. Vergesst das bitte nie.

Fazit: eBay größte Herausforderung sind schlechte Händler.

eBays Verhältnis zu Händlern

Ja, es ist eBays DNA. Das partnerschaftliche Verhalten. eBay ist netter zu euch, aber mit nett lässt sich kein Ertrag erzielen. Und da sind wir beim Punkt: eBay ist viel zu nett. Nehmen wir doch mal eBay Plus, eigentlich sollten sich Kunden darauf verlassen können, dass die Ware schnell ankommt. Aber schauen wir einmal auf die Service-Metriken. Sie lassen unfassbar viel Spielraum, damit Händler das Leistungsversprechen OHNE Konsequenz über Bord werfen können. Schlechtes, falsches oder irreführendes Listing wird nicht (oder kaum) bestraft. Lange Nachrichten-Antwort-Zeiten, nicht erreichbarer Telefonsupport … Das wird nicht mal gemessen.

Fazit: Händler genießen zu viel Freiheit, was zu Lasten eines guten Einkaufserlebnisses geht. Die Plattform misst hier leider nicht ausreichend. Die Bewertungen sind nur unzureichend aussagekräftig. Bei der Plattformwahl zieht eBay den Kürzeren und das obwohl Verbraucher günstigere Artikel und mehr Auswahl auf dem Marktplatz finden. Das ist schon dramatisch, oder?

eBay und die lieben Verbraucher

Das C2C-Geschäftsmodell ist ein völlig anderes. Hätte die Plattform da nicht zweigleisig fahren sollen? Wäre das nicht eine großartigere Idee? Warum sind Plattformen wie eBay Kleinanzeigen so erfolgreich? Weil sie einfach einfach sind.

Aber da ist ja auch noch das B2C-Geschäft. Solange eBay nicht versteht, dass der Schlüssel zum Erfolg der Verbraucher ist, und so lange eBay sich nicht radikal auf die Verbraucherseite schlägt, Budget in die Hand nimmt und ein maximales Einkaufserlebnis garantiert, wird es schwer, den GMV-Schwund aufzuhalten.

#ebayistgeiler

Dazu stehe ich immer noch. Tatsächlich meckern wir (noch) auf sehr hohem Niveau. eBay ist die starke Nummer 2 hier in Deutschland, in den meisten europäischen Ländern und auch in Nordamerika. Trotzdem ist es frustrierend, zu sehen, was in San Jose und Dreilinden so alles schieflaufen kann. Wir – als Händler – brauchen eBay als existenzielle Plattform, um unser Geschäft nachhaltig und selbstbestimmt mit kalkulierbarem Risiko zu betreiben.

Ein zweites Amazon möchten wir nicht, trotzdem muss der Verbraucher immer zentral und im Mittelpunkt stehen. Ein schwieriges Unterfangen für die ›Plattform für Händler‹. Was wäre nun, wenn eBay die 3 Milliarden US-Dollar für den Aktienrückkauf in Kundenservice bzw. Kundenzufriedenheit gesteckt hätte? Warum erdulden viele Seller Amazons strengere Hand? Weil sie dort Umsatz und Ertrag machen.

Ach eBay! Ein bisschen mehr wie Amazon, bitte. Wir brauchen dich!