BGH-Urteil zu Online-Coachings: Zehntausende Verträge nichtig – Kunden können Geld zurückfordern

Online Coaching: Das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hat Sprengkraft für die gesamte Online-Coaching-Branche: Viele Coaching-Verträge sind rechtswidrig – auch im B2B-Bereich. Der Grund: Es fehlt die nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) notwendige Zulassung. Die Folge: Verträge sind nichtig. Anbieter müssen das Geld zurückzahlen.


🔎 Der Fall: Coaching-Vertrag ohne Zulassung

Ein Kläger hatte mehrere Online-Coachings im Bereich Trading abgeschlossen – Kostenpunkt: rund 24.000 Euro. Nachdem er feststellte, dass der Anbieter keine Zulassung nach dem FernUSG hatte, widerrief er die Verträge und verlangte sein Geld zurück.

Zunächst gab ihm das OLG Stuttgart Recht – das Coaching-Unternehmen ging in Revision.

Am 12. Juni 2025 bestätigte nun der BGH (Az. III ZR 109/24) das Urteil:
Die Verträge sind nichtig, weil sie ohne die nach dem FernUSG erforderliche Zulassung abgeschlossen wurden.


📜 Was ist das FernUSG?

Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) schützt Teilnehmer an Fernlehrgängen vor unseriösen Angeboten. Es schreibt vor, dass bestimmte Bildungsangebote zugelassen und überwacht werden müssen. Entscheidend sind laut § 1 FernUSG zwei Merkmale:

  1. Räumliche Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem (überwiegend)
  2. Überwachung des Lernerfolgs durch den Anbieter (z. B. Hausaufgaben, Feedback)

Treffen beide Kriterien zu, ist das Angebot zulassungspflichtig.


🧨 Der BGH hat nun höchstrichterlich entschieden:

Auch Online-Coachings im B2B-Bereich unterliegen dem FernUSG, wenn sie diese Kriterien erfüllen.

Die Entscheidung ist eine Grundsatzentscheidung, die erstmals auch Selbstständige, Unternehmer, Freiberufler und Gewerbetreibende unter den Schutz des FernUSG stellt. Bisher gingen viele Anbieter davon aus, dass das Gesetz nur für Verbraucher gelte.


⚖️ Was bedeutet „nichtig“?

Ein nichtiger Vertrag ist von Anfang an unwirksam. Das bedeutet konkret:

  • Kunden haben kein Zahlungsrisiko mehr.
  • Anbieter müssen den vollen Betrag zurückerstatten.
  • Auch bei teilweiser Inanspruchnahme des Coachings gibt es keinen Wertersatz, wenn der Anbieter den konkreten Nutzen nicht nachweisen kann.
  • Auch ältere Verträge können gekündigt werden (bis zu 3 Jahren)

In dem verhandelten Fall erhielt der Kläger den vollen Betrag von rund 24.000 Euro zurück – obwohl er Teile des Coachings genutzt hatte.


💥 Die Konsequenzen für die Branche

Diese Entscheidung ist ein juristisches Erdbeben, eine Schockwelle für die Branche und ein ein Geldregen für Coaching-Teilnehmer. Verjährungsfrist der Ansprüche: 3 Jahre. Sie betrifft nahezu die gesamte Coaching-Landschaft, denn:

  • Nahezu alle Anbieter operieren komplett ohne FernUSG-Zulassung.
  • Die meisten Online-Coachings sind asynchron, bestehen aus Lernvideos, Online-Aufgaben, Zoom-Calls – also typischer Fernunterricht.
  • Die Anbieter überwachen den Lernerfolg aktiv – z. B. durch Feedback, Hausaufgaben, Community-Support oder 1:1-Coachings.

Kurz: Wer Wissen gegen Geld vermittelt und dabei online unterrichtet, fällt oft unter das FernUSG.


💸 Online Coaching: Welche Ansprüche haben Kunden jetzt?

Wenn du einen Online-Coaching-Vertrag abgeschlossen hast (diese können auch älter sein), der diese Kriterien erfüllt, und der Anbieter keine Zulassung nach dem FernUSG hat, kannst du:

  • den Vertrag für nichtig erklären
  • die gezahlten Beträge vollständig zurückverlangen
  • auch als Unternehmer oder Selbstständiger handeln – die Schutzwirkung gilt nicht nur für Verbraucher

Der Rückforderungsanspruch kann sich je nach Einzelfall auf mehrere tausend Euro belaufen.


🧾 Müssen Anbieter Wertersatz zahlen?

Nein – jedenfalls nicht automatisch. Der BGH hat klargestellt:

Nur wenn der Anbieter konkret nachweist, welchen messbaren wirtschaftlichen Vorteil der Kunde durch das Coaching hatte, kann er Wertersatz verlangen.

Das dürfte in der Praxis extrem schwer sein – denn es ist kaum belegbar, wie viel ein PDF, eine Coaching-Session oder ein Video „wert“ war.


„Die Entscheidung ist ein Paukenschlag für die gesamte Coaching-Branche. Da die meisten Anbieter keine Zulassung nach dem FernUSG besitzen, sind ihre Verträge schlichtweg nichtig. Ich rechne mit einer erheblichen Rückforderungswelle durch ehemalige Kunden. Der BGH hat zudem klargestellt, dass es für Anbieter extrem schwer sein wird, einen realen Wertersatz rechtlich durchzusetzen.“
Rechtsanwalt René Euskirchen, Bonn


🧯 Welche Anbieter sind jetzt betroffen?

Besonders gefährdet sind Anbieter, die:

  • Online-Coachings mit strukturierter Lernabfolge anbieten
  • Inhalte über digitale Plattformen bereitstellen
  • Lernfortschritte überwachen (z. B. per „Hausaufgaben“ oder Zertifikate)
  • regelmäßig Zoom-Calls oder 1:1-Sessions durchführen

Und das trifft auf sehr viele Akteure der Szene zu – von Mindset-Coachings über Online-Marketing-Beratungen bis hin zu Trading- oder Business-Coachings.


📌 Was müssen Anbieter jetzt tun?

  1. Zulassung nach FernUSG beantragen – bei der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU). Und das ist unrealistisch.
  2. Verträge prüfen lassen – durch spezialisierte Rechtsanwälte
  3. Risikovorsorge treffen – Rückstellungen bilden für mögliche Rückforderungen oder den Worst-Case planen.
  4. Marketing anpassen – keine irreführenden Aussagen über „B2B-Verträge“ als Schutz vor Rücktritt

Wer jetzt weitermacht wie bisher, riskiert nicht nur Rückforderungen, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen wegen Betrugs.


🔚 Fazit: Der BGH räumt auf – Coaching-Branche vor riesiger Rückzahlungswelle

Mit dem Urteil vom 12. Juni 2025 hat der Bundesgerichtshof eine Tür geöffnet, durch die viele Coaching-Kunden jetzt gehen werden. Wer für ein Online-Coaching mehrere tausend Euro bezahlt hat, kann nun gute Chancen haben, sein Geld zurückzubekommen – selbst Jahre später.

Für Anbieter ist es jetzt eng: Ohne FernUSG-Zulassung drohen nicht nur Rückzahlungen, sondern auch ein massiver Vertrauensverlust.


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