Was ein Coach doch für ein vortreffliches Videobeispiel online gestellt hat, um darzustellen, wie sehr sich manche Händler selbst belügen, wenn es darum geht, ihren Erfolg zu bewerten. Nur war das wohl nicht seine Absicht. Eigentlich möchte er nur diese Fragen beantworten: ›Kann man wirklich von Amazon leben?‹ und: ›Wie viele Artikel muss ich machen, damit das klappt?‹ Beide seiner Protagonisten scheinen eine ausgeprägte Wahrnehmungsherausforderung zu haben. Wirtschaftlich rechnen können sie jedenfalls nicht. 

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Die Händler & die Erfolgslüge

Es ist einfach erschreckend, wie wenig realistisch manche Händler ihre eigene Situation einschätzen können. Wen möchte der Händler da belügen? Während der erste Interviewpartner noch hoffnungsvoll darauf wartet, dass er von Amazon leben kann, äußert sicher Interviewpartner Nummer zwei deutlich: »[…] ich kann eigentlich ganz okay von Amazon leben, ich verkaufe derzeit aktiv zwei Produkte […]«. Er macht 9.000 € Umsatz pro Monat bei einer Marge von 30%. Da sind dann also 2.700 € an Marge. Wir wissen jedoch nicht, ob die Marge nun als Brutto oder Netto angegeben wurde.

Armutsgrenze in Deutschland

Hat der Händler die Begrifflichkeit richtig verwendet, dann versteht er die Marge als Differenz zwischen Selbstkosten und Verkaufspreis. Damit sind die 2.700 € die Handelsspanne vor Retouren aber nach Amazon-Gebühren.

Was geht denn von den 2.700 € noch ab? Krankenkasse, betriebliche Steuern, ggf. die Umsatzsteuer, die Altersversorgung, alle weiteren betrieblichen Kosten, wie z. B. Tools, Telefon, Internet und Weiterbildung, die Entwicklungskosten für neue Produkte, Investitionsrücklagen, anteilige Miete und natürlich sein Unternehmerlohn!

Mindestlohn Deutschland & der Rest der Welt.
Na, liegt ihr über dem deutschen Mindestlohn, wenn ihr euren Zeiteinsatz berechnet?

Das alles möchte der Händler mit 2.700 € abbilden. Diese Rechnung geht nicht auf. Er arbeitet an jedem Tag, den er handelt, in der Verlustzone. Und zwar ordentlich!

Er ist pleite, weiß es aber noch nicht

Tatsächlich rangiert der Händler an der Armutsgrenze. Jedenfalls dann, wenn er Alleinverdiener ist und eine Familie versorgen möchte. Selbst wenn er ein Einpersonenhaushalt ist, bleibt er nicht weit von der Nulllinie entfernt, denn die 2.700 € stehen ihm natürlich nicht netto zur Verfügung. Mit ein wenig Glück wird er 1.700 € brutto verdienen. Aber davon sind dann noch sämtliche Lebenshaltungskosten abzuziehen. Nicht zu vergessen, auch die Krankenversicherung und Altersvorsorge.

Unsere Erhebung unter 300 Händlern dürfte der traurigen Wahrheit nahe kommen.

Fazit: Seine Einkünfte reichen hinten und vorne nicht, ihm ein konservativ gerechnetes Einkommen zu ermöglichen. Wären alle Kostenpositionen bekannt, würde es nicht falsch sein, ihn als ›armen Schlucker‹ zu betiteln.

Alles nicht so schlimm, oder?

Im Grunde ist ein temporär begrenztes niedriges Einkommen nichts Schlimmes. Im Gegenteil. Es ist völlig okay. Schlimm wird es nur, wenn ich selbst nicht reflektiere – oder reflektieren kann –, in welcher Situation ich mich befinde. Der Händler, also eigentlich beide, vermitteln den Eindruck, dass sie nicht einschätzen können, wo sie gerade stehen.

So viel müsst ihr verdienen, um in Deutschlands 24 größten Städten leben zu können
Und ihr so? (Stand: 2017)

Was wird denn als Einkommen benötigt?

Ein maßvoll erfolgreicher Händler sollte über ein Bruttoeinkommen von mindestens 60.000 € jährlich verfügen. Damit lassen sich keine großen Sprünge machen, jedoch ist es für eine solide und bodenständige Lebensführung ausreichend.

Und ihr wisst wirklich, was Cashflow bedeutet?

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die beiden Protagonisten tatsächlich wissen, was der Begriff tatsächlich aussagt. Daher hier einmal die kurze Definition: ›[…] in einem bestimmten Zeitraum erwirtschafteter Zahlungsmittelüberschuss eines Unternehmens, der Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellt und der Beurteilung der finanziellen Struktur des Unternehmens dient […]‹.

(Quelle: Wikipedia)